Gastbeitrag

Europäische Immobilienanleihen: Wohnen und Rechenzentren vielversprechend

Was hinter der Krise bei Immobilienanleihen steckt und welche Sektoren vielversprechend sind, erläutert Christopher Hult, Portfoliomanager im Fixed-Income-Team von Columbia Threadneedle Investments.

Europäische Immobilienanleihen: Wohnen und Rechenzentren vielversprechend

Gastbeitrag

Wohnen und Rechenzentren vielversprechend

Europäische Immobilienunternehmen stehen aktuell unter Druck. Der Abschlag, mit dem europäische Immobilienanleihen gegenüber dem breiteren EUR IG-Index gehandelt werden, ist der größte seit der globalen Finanzkrise. Grund sind vor allem die steigenden Zinsen: Viele Immobilienunternehmen haben ihr Wachstum mithilfe kreditfinanzierter Ankäufe vorangetrieben – ein Geschäftsmodell, das sich angesichts der steigenden Kosten von Fremdkapital als unhaltbar erweist.

Die Ausweitung der Spreads macht den Emittenten im Immobiliensektor enorm zu schaffen. Denn hier gibt es einen hohen Anteil kleinerer Unternehmen mit einer limitierten Investorenbasis, von denen eine Vielzahl zudem langlaufende nachrangige Anleihen auf dem Markt für Corporate-Hybrid-Bonds begeben haben. Diese risikoreicheren Emissionen geraten angesichts der Spread-Ausweitung unter Druck. Gleichzeitig verschließt sich dadurch vielen Immobilienunternehmen praktisch der Zugang zum Kapitalmarkt. Banken sind jedoch keine Alternative: Nach den diesjährigen Bankenturbulenzen halten sie sich mit der Kreditvergabe zurück. Zu allem Übel debattieren Leerverkäufer immer noch über Rechnungslegungsstandards, den wahren Wert der Aktivpositionen in den Bilanzen und die Governance ausgewählter Immobilienunternehmen.

Um Kapital zu beschaffen, ihre Bilanzen zu stützen und die Liquidität zu erhöhen, verkaufen immer mehr Emittenten Vermögenswerte. Zwar kann dies für den Schuldenabbau sinnvoll sein, ist langfristig meist jedoch problematisch: Unternehmen können ihre Immobilien möglicherweise nicht zu angemessenen Preisen verkaufen und gefährden gegebenenfalls ihre künftigen Erträge, vor allem wenn die wichtigsten Assets eines Unternehmens verkauft werden und nur noch minderwertige Objekte im Portfolio verbleiben.

Dennoch: Die Gewinne für das Jahr 2022 fielen besser aus als erwartet – und die Fundamentaldaten von europäischen Immobilienanleihen sind nicht so schlecht, wie die Bewertungen vermuten lassen. Tatsächlich gibt es zwischen einzelnen Immobiliensegmenten große Unterschiede. Starke Fundamentaldaten und niedrige Bewertungen sehen wir aktuell bei nordeuropäischen Wohnimmobilien und ausgewählten Emittenten von Logistik- und Rechenzentren.

Im europäischen Wohnsektor sind etablierte Unternehmen mit hoher Ertragssicherheit und starker Preissetzungsmacht spannend. Vor allem in Ländern wie Deutschland und Schweden sorgen umfassende soziale Netze dafür, dass Mieten fristgerecht und vollständig beglichen werden – selbst während der Pandemie gab es hier nur wenig Mietausfälle. Zusätzlich gibt es hier langfristige und indexierte Mietverträge, und auch die Konkurrenz durch neue Marktteilnehmer ist gering. Hinzu kommt, dass die Regierungen dem Sektor zunehmend entgegenkommen, etwa bei der Erfüllung von Energieeffizienzzielen oder der Bereitstellung neuer Wohnfläche. Zwar gibt es Risikofaktoren: So haben auch hier einige Emittenten für die Kapitalbeschaffung Objekte veräußert und das künftige Ertragspotenzial geschmälert. Vor allem größere Namen können jedoch stattdessen auf „Selbsthilfemaßnahmen“ wie etwa die Kürzung von Dividendenzahlungen zurückgreifen – so, wie es zum Beispiel Vonovia im Jahr 2022 getan hat.

Auch für Anbieter von Rechenzentren ist das Umfeld äußerst günstig. Die Nachfrage nach Datenspeichern durch Medien-Streaming, Spiele, mobilen Datenverkehr, das Internet der Dinge, Cloud Computing und künstliche Intelligenz steigt rapide und steigert ihre Preismacht. Dies gilt vor allem für größere Anbieter wie DLR und Equinix: Diese besitzen bereits etablierte Kapazitäten und Infrastrukturen, die mit den Kunden verbunden sind. Dennoch gibt es für den Sektor Herausforderungen: In wichtigen Regionen sind nur wenige Grundstücke verfügbar, es kommt zu Engpässen bei der Stromversorgung und es fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. Zudem können bei Rechenzentren Umweltaspekte problematisch sein. Deswegen dürften Unternehmen, die die Verringerung des Wasserverbrauchs und die Nutzung erneuerbarer Energien in den Mittelpunkt stellen, langfristig im Vorteil sein.

Christopher Hult

Portfoliomanager im Fixed-Income-Team von Columbia Threadneedle Investments

Christopher Hult

Portfoliomanager bei Columbia Threadneedle Investments