TECHNISCHE ANALYSE

Europas Aktienindizes zeigen relative Stärke

Von Thorsten Grisse *) Börsen-Zeitung, 10.10.2018 Während die Wall Street seit 2009 einen ausgeprägten technischen Hausse-Zyklus durchläuft, weisen die europäischen Aktienmärkte aus übergeordneter technischer Sicht bereits seit Mitte 2015 ein...

Europas Aktienindizes zeigen relative Stärke

Von Thorsten Grisse *)Während die Wall Street seit 2009 einen ausgeprägten technischen Hausse-Zyklus durchläuft, weisen die europäischen Aktienmärkte aus übergeordneter technischer Sicht bereits seit Mitte 2015 ein differenziertes Bild auf. So erreichte der Euro Stoxx 50, ein Kursindex, bereits am 13. April 2015 sein aktuelles Hausse-Top von 3 836 Punkten. Seitdem läuft eine langfristige technische Korrektur in Form einer Seitwärtspendelbewegung mit negativem Drift, wobei der Index vom Hausse-Top bereits ca. -14 % zurückgefallen ist. Vergleicht man für den gleichen Zeitraum die Performance von mitteleuropäischen, länderbezogenen Blue-Chip-Indizes wie dem französischen CAC 40, dem niederländischen AEX oder dem Dax-Kursindex ggü. südeuropäischen Standardwerteindizes wie z. B. den spanischen Ibex 35, zeigt sich eine deutliche relative Stärke der Mitteleuropäer. Diese relative Stärke weitet sich aus. Support für den CAC 40Der CAC 40 umfasst die nach Free-Float-Marktkapitalisierung größten 40 französischen Blue Chips. Dieser Kursindex mit einer Brutto-Jahresdividendenrendite von aktuell ca. 3,3 % durchläuft seit März 2009 ausgehend von einem Niveau von 2 465 Punkten einen technischen Hausse-Zyklus. Zwischen September 2015 und April 2015 stieg der Index in einer ausgeprägten Aufwärtsbewegung von 2 693 bis auf 5 284 Zähler. Seitdem hat sich die Hausse-Dynamik deutlich abgeschwächt. Eine Zwischen-Baisse führte ihn in 2016 zurück bis auf 3 893 Punkte. Bei der folgenden Recovery baute der CAC 40 seine laufende relative Stärke gegenüber den anderen europäischen Leitindizes auf. Profitiert hat der Index dabei von einer günstigen Sektorzusammensetzung, da besonders Luxusgüterhersteller und Titel der Flugzeugindustrie zulegten. Aus mittelfristiger technischer Sicht war der CAC 40 nach dem Investment-Kaufsignal vom Dezember 2016 mit seinem Ausbruch über 4610 Punkte bis zur französischen Präsidentenwahl Mitte 2017 bis ca. 5 440 gestiegen. Es folgte eine Flaggen-Korrektur und der Rutsch zurück auf die 200-Tage-Linie, wobei sich die weiterhin gültige mittelfristige Support-Zone um 5 000 Punkte etablierte. Hier ging der Index in die laufende mittelfristige Seitwärtspendelbewegung über, wobei er im Mai 2018 sein Hausse-Top bei 5 657 Zählern erreichte. Auch wenn der CAC 40 seitdem aus kurzfristiger technischer Sicht eine Konsolidierung durchläuft, sollte die breite, gestaffelte Support-Zone von 5 000 bis 5 250 Punkten als Unterstützung arbeiten. Aus relativer Sicht eignet sich der CAC 40 weiterhin zur Übergewichtung unter den europäischen Blue-Chips-Indizes. AEX im Hausse-ZyklusDer AEX, ebenfalls ein Kursindex, umfasst die größten 25 niederländischen Blue Chips und erreicht aktuell eine Bruttodividendenrendite von ca. 3,6 %. Der Index befindet sich ebenfalls seit März 2009 im Hausse-Zyklus mit einem Startpunkt bei 195 Punkten und einem bisherigen Zugewinn von ca. 174 %. Nach der Etablierung des damaligen Hausse-Tops im Jahr 2011 bei 376 Zählern und dem anschließenden Rutsch bis auf 256 Punkte startete der Index eine neue Hausse-Bewegung. Dieser Hausse-Trend führte den AEX bis 2015 nach einer Aufwärtsbeschleunigung auf 511 Punkte. Vor dem Hintergrund der dabei entstandenen überkauften Lage Mitte 2015 wurde der vorherige vierjährige Hausse-Trend beendet. Anfang 2016 konnte der AEX ausgehend von dem Zwischentief bei 379 einen neuen Hausse-Trend aufnehmen. Nach Kaufsignalen Ende 2016 stieg er bis Juli 2018 auf das Hausse-Top bei 577. Dabei überbot der Index knapp die Tops aus 2007 und markierte als einer der wenigen europäischen Blue-Chip-Indizes in 2018 ein neues Zyklus-Hoch. Vor dem Hintergrund der aktuellen europäischen Gesamtmarktschwäche befindet sich aber auch der AEX seit Juli 2018 in einer technischen Korrektur. Dabei ist er im September 2018 mit einem Take-Profit-Signal unter die 200-Tage-Linie gerutscht und hat einen Abwärtstrend aufgemacht. Die nächste gestaffelte Support-Zone liegt bei 505 bis 525 Punkten. Dennoch weist der AEX aber im Vergleich relative Stärke auf. Intakter AbwärtstrendDer Ibex 35 umfasst die größten 35 spanischen Blue Chips. Die ungünstige Sektorzusammensetzung mit einem hohen Finanzanteil und großem Bezug zu Emerging Markets sorgt für hohe Volatilitäten des Index mit ausgeprägten Baisse- und Hausse-Phasen. Der Index durchlief ab Juli 2012 mit einem Startpunkt von 9 387 Punkten eine technische Hausse und erreichte im April 2015 – damals mit dem Rückenwind des schwächeren Euro – Tops um 11 885 Zähler. Es folgte der Übergang in eine Zwischen-Baisse, die ab dem Jahresanfang 2016 – im Umfeld der alten Support-Zone von 7 500 bis 8 000 Zählern aus den Jahren 2011 bis 2013 – in eine technische “W-Formation” mündete. In der anschließenden Recovery etablierte der Index kein neues Hausse-Zyklus-Hoch, sondern erreichte auch aufgrund von innenpolitischen Herausforderungen im Mai 2017 nur ein Top bei 11 184. Seit 2018 steckt der Index wieder in einem Abwärtstrend fest, mit einer Trendlinie bei zurzeit 9 835 Punkten. Deshalb sollte die technisch defensive Haltung ggü. dem Ibex 35 weiterhin nicht gelockert werden.—-*) Thorsten Grisse ist bei der Commerzbank im Bereich Technische Analyse & Index Research tätig.