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European Safe Bonds: Konzept ohne Zukunft

Von Daniel Lenz *) Börsen-Zeitung, 24.5.2018 Totgesagte leben sprichwörtlich länger - das gilt auch für das Konzept der European Safe Bonds (ESBies). Eine Gruppe von Ökonomen um den deutschen Volkswirt Markus Brunnermeier hatte diese Idee 2016...

European Safe Bonds: Konzept ohne Zukunft

Von Daniel Lenz *)Totgesagte leben sprichwörtlich länger – das gilt auch für das Konzept der European Safe Bonds (ESBies). Eine Gruppe von Ökonomen um den deutschen Volkswirt Markus Brunnermeier hatte diese Idee 2016 erstmals vorgestellt. Ziel ist es, den Mangel an “sicheren” Staatsanleihen in der Eurozone zu beheben und gleichzeitig dem Staaten-Banken-Nexus, der vor allem ein Problem in der Peripherie ist, entgegenzuwirken. Hierzu würden Zweckgesellschaften gegründet, die Staatsanleihen der Eurozone kaufen. Finanziert werden sollte dies durch die Ausgabe von mindestens zwei verschiedenen Tranchen strukturierter Anleihen – besonders sichere Senioranleihen, die vor allem für Banken interessant wären, und höher verzinste Juniortranchen, die sich beispielsweise an Hedgefonds richteten. Der Clou: Etwaige Ausfälle bei Staatsanleihen sollten zunächst voll von den Inhabern der Juniortranchen getragen werden. Erst wenn eine bestimmte Verlustschwelle überschritten wird, drohten den Inhabern der Seniorbonds Verluste. Weil etwa 70 % der ESBies auf die Seniortranche entfallen sollten, könnte der Umfang sicherer Staatsanleihen in der Eurozone erheblich vergrößert werden – so die Autoren.Die Europäische Kommission hat nun einen Gesetzesrahmen für Sovereign Bond-backed Securities (SBBS) ausgearbeitet, der auf dem Konzept der ESBies aufbauen soll. Die Kommission setzt vor allem darauf, dass Banken ihre Anleihebestände künftig stärker geografisch diversifizieren. Konkret sollen italienische und andere Banken nicht mehr nur Staatsanleihen des eigenen Landes kaufen. Im Fall politischer Turbulenzen – wie derzeit in Rom – drohen Bewertungsabschläge bei italienischen Bonds auch den Bankbilanzen zuzusetzen. Kauften Banken stattdessen ESBies, fielen die Abschläge niedriger aus und würden sich regional weniger stark konzentrieren, so die Idee. Eine zweite Triebfeder der Kommission, das ESBies-Konzept weiterzuverfolgen, dürfte darin liegen, dass man für das Problem der unterschiedlich hohen Refinanzierungskosten bei den EWU-Staaten nach wie vor eine politisch tragfähige Lösung sucht. Eurobonds, ein Ansatz mit dem Ziel der Vergemeinschaftung der Staatsschuldenfinanzierung, sind in Deutschland sowie auch in anderen Kernstaaten kaum durchsetzbar. ESBies setzen zwar nicht auf die Vergemeinschaftung von Risiken, allerdings dürften die Risikoprämien der Staaten dennoch ein Stück weit konvergieren, wenn Zweckgesellschaften Staatsanleihen im großen Umfang und nach festem Schlüssel ankauften. Trotz dieser aus Sicht Brüssels klaren Vorteile von ESBies respektive SBBS droht die Kommission aufs falsche Pferd zu setzen. Das Konzept wurde von verschiedenen Seiten als unausgereift und im Sinne des Ziels als ungeeignet beurteilt. Eine Studie der DZ Bank mit dem Titel “ESBies kein Allheilmittel” aus dem Februar 2017 kam zum Ergebnis, dass der Ansatz die gewünschten Ziele voraussichtlich verfehlen würde. Vor allem in Krisenzeiten besteht das Risiko, dass auch die Senioranleihen deutlich an Wert verlieren und damit keineswegs das Prädikat eines adäquaten Ersatzes für Bundesanleihen verdienen. Das liegt vor allem daran, dass der von den Juniortranchen abgefederte Puffer nicht groß genug und auf wenige Staaten der Eurozone konzentriert ist. Bei einem flächendecken Problem der Peripheriestaaten würden Anleger voraussichtlich beginnen, verstärkt Risiken in den Kursen der Seniorbonds abzubilden. Bundesanleihen werden von Investoren hingegen als sicherer Hafen geschätzt. In den zurückliegenden Krisen haben die Kurse von Bundesanleihen zumeist zugelegt, auch wenn die Risikoprämien der Peripherie deutlich anstiegen. SBBS-Seniortranchen drohen dagegen nicht wie ein AAA-Papier zu handeln.Spätestens als S & P im Mai 2017 eine Einschätzung veröffentlichte, wonach selbst die Seniortranchen von ESBies je nach Ausgestaltung allenfalls mit einem Rating rechnen können, das der Bonitätsnote Italiens entspricht, schien das Konzept gänzlich vom Tisch zu sein. S & P bemängelte angesichts der relativ niedrigen Zahl an EWU-Staaten die geringe Diversifikation des Portfolios der Zweckgesellschaft, überdies geht die Agentur von einer hohen Interkorrelation der Risiken aus. Das bedeutet: Geraten die Staatsanleihen eines Peripherielandes unter Druck, ist mit Ansteckungseffekten bei anderen EWU-Staaten zu rechnen. Dies dürfte auch erklären, weshalb bislang noch keine ESBies emittiert wurden, obwohl Banken oder andere private Institutionen diese auch unter heutigen rechtlichen Voraussetzungen schon anbieten könnten. Erstaunlicher VorstoßUmso erstaunlicher erscheint der jetzige Vorstoß der EU-Kommission. Angesichts der konzeptionellen Schwächen der zugrundeliegenden Idee könnte die Nachfrage der Anleger trotz des Werbens durch Brüssel weiterhin gering sein. Gelingt es der Kommission dennoch, SBBS am Markt zu etablieren, würde sie wohl das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich beabsichtigt – neue potenzielle Gefahrenquellen für die Stabilität des europäischen Finanzsystems. Zum einen drohten im Fall neuer europaweiter Krisen hohe Bewertungsverluste auch bei den Senioranleihen, die dann nicht nur die Peripheriebanken sondern Institute in der ganzen Gemeinschaft treffen würden, sofern SBBS EWU-weit abgesetzt worden wären. Zum anderen dürfte die zuweilen heute bereits mäßige Liquidität bei EWU-Staatsanleihen weiter abnehmen. Würden Zweckgesellschaften Bundesanleihen in hohem Umfang kaufen, dürfte das Volumen ansonsten frei gehandelter Staatsanleihen erheblich abnehmen. Insbesondere im Fall einer Krise und fallender Kurse von Junior- und Seniortranchen der SBBS wäre mit einem Run auf Bundesanleihen und Staatsanleihen anderer Kernstaaten zu rechnen. In der Folge drohten Preisverzerrungen, die die durch das Ankaufprogramm der EZB verursachten Preisspitzen noch übertreffen könnten.Auf welche Nachfrage SBBS tatsächlich stoßen würden, dürfte auch davon abhängen, welche Anreize Banken zum Kauf erhielten. Brunnermeier et al. hatten vorgeschlagen, ESBies bei der Bilanzierung gegenüber Staatsanleihen zu bevorzugen. Bis dato müssen europäische Banken Anleihen von EWU-Staaten – unabhängig von ihrem Rating – nicht mit Eigenkapital unterlegen. Um SBBS zum Durchbruch zu verhelfen, wird diskutiert, ob dieses Privileg in Zukunft nur noch für ESBies/SBBS gelten solle. Staatsanleihen Italiens oder Spaniens müssten dann mit einem ihrer Bonitätsnote entsprechenden Eigenkapitalvolumen unterlegt werden. Ob sich die Regierungen in Rom und Madrid allerdings hierauf einließen, darf indes bezweifelt werden. Erweisen sich SBBS im Praxistest als untauglich, könnten die Regierenden nicht unbedingt damit rechnen, dass die Vorteile – einmal abgeschafft – bei der Bilanzierung von Staatsanleihen wiedereingeführt würden. Die Folge wären höhere Refinanzierungskosten der Staaten, die sie angesichts der weiterhin hohen Schuldenstände unbedingt vermeiden wollen. Am Ende könnten ausnahmsweise alle nationalen Regierungen sogar an einem Strang ziehen und den Vorschlag der EU-Kommission unisono ablehnen.—-*) Daniel Lenz ist als Analyst bei der DZ Bank tätig.