KREDITWÜRDIG

EZB-Bazooka stabilisiert Spread-Märkte

Von Michael Klawitter *) Börsen-Zeitung, 9.4.2020 Investment-Grade-Unternehmensanleihen aus der Eurozone haben seit Mitte Februar in etwa eine Verdreifachung ihrer Asset-Swap-Spreads erfahren und handeln inzwischen mit Spreads von über 180...

EZB-Bazooka stabilisiert Spread-Märkte

Von Michael Klawitter *) Investment-Grade-Unternehmensanleihen aus der Eurozone haben seit Mitte Februar in etwa eine Verdreifachung ihrer Asset-Swap-Spreads erfahren und handeln inzwischen mit Spreads von über 180 Basispunkten (BP) im fünfjährigen Laufzeitsegment auf den höchsten Niveaus seit der Finanzkrise 2009. Schwindelerregend große Hilfspakete von den globalen Zentralbanken und von Seiten der Fiskalpolitik konnten eine weitere Kernschmelze verhindern.Trotzdem ist es zu früh, auf eine baldige Rückkehr in normales Fahrwasser bei Unternehmensbonds zu setzen. Denn die Hilfsmaßnahmen reduzieren zwar die Liquiditätsrisiken für Unternehmen auf Sicht der nächsten Monate, doch die realwirtschaftlichen Folgen der Krise werden erst allmählich zutage treten. Eine tiefe globale Rezession ist unvermeidbar, und entsprechend nimmt das Risiko von Herabstufungen der Kreditratings sowohl bei Unternehmen als auch Staatsanleihen in der Eurozone zu. Welches Ausmaß die Welle der Herabstufungen annehmen wird und ob eine erneute Euro-Schuldenkrise droht, hängt stark von der Dauer der wirtschaftlichen Abschwächung sowie dem Grad an Zustimmung in der Eurozone für gemeinschaftliche Schuldenhaftung ab. Hohe FlexibilitätAngesichts dieser vielfältigen Unsicherheiten dürfte die “richtige” Einordnung und Bewertung der Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) eine entscheidende Rolle bei der Abschätzung des Chance-Risiko-Verhältnisses von Anleihen sein. Die entscheidende erste Verteidigungslinie für die Kredit- und Staatsanleihemärkte in der Eurozone ist das am 18. März angekündigte PEPP-Programm (Pandemic Purchase Programme) der EZB. Bis Ende des Jahres stellt es einen über die normalen Anleihekäufe hinausgehenden Rahmen von 750 Mrd. Euro zur Verfügung, wobei es einen großen Grad der Flexibilität bei der Umsetzung gibt. Monatliche Anleihekäufe von bis zu netto 120 Mrd. Euro dürften zunächst erfolgen. Die EZB wird im Zweifel bereit sein, die Dauer der Käufe und die Größe der Kaufprogramme weiter aufzustocken. Ähnlich wie im Juli 2012, als der damalige EZB-Präsident Mario Draghi mit seiner berühmten Äußerung in London (“Whatever it takes (. . .) and believe me it will be enough”) das Ende der Eurokrise einläutete, dürften auch die neuen Maßnahmen der EZB nachhaltigen Einfluss auf die Euro-Spread-Märkte haben.Dies gilt auch, da die neuen Käufe mit deutlich weniger Einschränkungen verbunden sind als die Käufe unter dem bisherigen Anleihekaufprogramm. So können nun auch Staatsanleihen aus Griechenland mit einem Ramsch-Rating gekauft werden, während gleichzeitig die Käufe des PEPP-Programms nicht auf die ISIN- und Emittentenbeschränkungen (jeweils nur 33 % des ausstehenden Volumens von Staatsanleihen) angerechnet werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Lockerung der Kaufbeschränkungen eine Blaupause für zukünftige Anpassungen des gesamten Kaufprogramms der EZB darstellt, ist hoch. Damit kann als wahrscheinlich angenommen werden, dass die Finanzierung der riesigen Fiskalprogramme in der Eurozone im Wesentlichen über eine Ausweitung der EZB-Bilanz erfolgen wird. Zusammen mit den absehbaren Schritten in Richtung gemeinsamer Finanzierungsinstrumente in der Eurozone sollte der Einfluss der EZB-Käufe auf Staatsanleihe-Spreads ausreichend stark sein, um mittelfristig engere Spreads zuzulassen. Allerdings bleibt der Weg volatil, da das Risiko einer Herabstufung des italienischen Kreditratings auf Ramsch erheblich ist. In diesem Fall würden italienische Anleihen aus Investment-Grade-Indizes herausfallen und die Spread-Volatilität dürfte trotz der Käufe der EZB anspringen. Einfacher dürfte es für die EZB sein, kleine Staatsanleihemärkte wie die von Portugal oder aber auch von Griechenland zu stabilisieren, so dass diese gegenüber BTPs outperformen sollten. Erhebliche SteigerungAuch wenn der Fokus der EZB-Anleihekäufe mit schätzungsweise 70 bis 75 % auf öffentlichen Anleihen liegen wird, da hier die hohe Liquidität den Kauf großer Volumen zulässt, könnten monatlich etwa 18 bis 22 Mrd. Euro an Unternehmensanleihen gekauft werden. Bis zu 10 % davon könnten in Commercial Papers fließen, die im Rahmen der neuen PEPP-Regeln bis zu einer Restlaufzeit von 70 Tagen gekauft werden können. Verglichen mit der Vergangenheit, als die EZB selbst in den Hochzeiten der Käufe ab Mitte 2016 “nur” zwischen 7 und 8 Mrd. Euro monatlich an Unternehmensanleihen kaufte (netto), stellt dies eine massive Steigerung dar. Auch verglichen mit den 200 Mrd. Euro an Unternehmensbonds, die die EZB seit dem Start ihrer Käufe im Juni 2016 angesammelt hat, stellt eine monatliche Kaufsumme von etwa 20 Mrd. Euro einen Richtungswechsel dar. Der von der EZB gehaltene Anteil am Investment-Grade-Unternehmensanleiheuniversum dürfte damit bis Jahresende von aktuell gut 20 % in Richtung 35 % ansteigen.Nach den deutlichen Spread-Ausweitungen der vorigen Wochen sollte diese starke Nachfrage dazu führen, dass sich Primär- und Sekundärmarkt-Spreads im von der EZB gekauften Anleiheuniversum einengen lassen, solange Marktakteure an der Sicht festhalten, dass in der zweiten Jahreshälfte eine deutliche wirtschaftliche Erholung einsetzt. Stärker noch als 2016 sollten Kassa-Anleihen den CDS-Markt outperformen, und die aktuell weiterhin negativen CDS-Basen (Differenz CDS-Spread abzüglich ASW-Spread) sollten ins Positive drehen. Trotz der EZB-Käufe ist vor allem mit Blick auf Unternehmensanleihen mit einem schwachen “BBB”-Rating Vorsicht angeraten. Denn ähnlich wie nach der Finanzkrise und entsprechend wie bei Staatsanleihen aus der Eurozone wird es zu einer Herabstufungswelle bei den Kreditratings von Unternehmen aus der Eurozone (bzw. global) kommen. Schon seit Jahresanfang übersteigen bei der Ratingagentur S&P in Europa für Investment-Grade-Unternehmen die Herab- die Heraufstufungen im Verhältnis 2,5 zu 1. Somit ist das Risiko hoch, dass Firmen, die aktuell ein schwaches “BBB”-Rating haben, auf Ramsch herabgestuft werden.Anleihen dieser Unternehmen würden im Fall, dass alle relevanten Ratingagenturen diesen Schritt vollziehen, die EZB als Käufer verlieren, da es unwahrscheinlich ist, dass die Notenbank die Ratinguntergrenzen der Unternehmensanleihekäufe auf Ramsch absenken wird. Ein sprunghafter Anstieg der Kredit-Spreads wäre damit die Folge einer Herabstufung auf Ramsch. Entsprechend gilt es für Investoren im aktuellen Umfeld vor allem auf Unternehmensanleihen mit einem “A”- bzw. “BBB+”-Rating zu setzen. Auch ist es sinnvoll, die Emittenten herauszusuchen, die volkswirtschaftlich relevant sind und damit auch für den Fall einer tieferen Zäsur der Wirtschaft und damit einer möglichen stärkeren Ratingherabstufung mit staatlicher Unterstützung die Zahlungsfähigkeit erhalten können. Beispiele hierfür wären Daimler, Bayer oder Airbus. Hier können aktuell im fünfjährigen Laufzeitbereich Renditen zwischen 1,5 und 2 % erzielt werden. *) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.