KREDITWÜRDIG

EZB-Bondkäufe verzerren Spreads

Von Michael Klawitter *) Börsen-Zeitung, 27.10.2016 Bis auf die kurzzeitige geldpolitische Verwirrung der Europäischen Zentralbank (EZB) im ersten Halbjahr 2011 hat die Diskussion über die Geldpolitik während der vergangenen Jahre nur eine Richtung...

EZB-Bondkäufe verzerren Spreads

Von Michael Klawitter *)Bis auf die kurzzeitige geldpolitische Verwirrung der Europäischen Zentralbank (EZB) im ersten Halbjahr 2011 hat die Diskussion über die Geldpolitik während der vergangenen Jahre nur eine Richtung gekannt: immer expansiver. Im Zweifel wurden die Markterwartungen von Seiten der EZB oder anderer Zentralbanken übertroffen. Risikoprämien wurden zunehmend durch die in die Kapitalmärkte strömende Zentralbankliquidität und direkte Zentralbankinterventionen (Anleihekäufe) verzerrt. Entsprechend klar verliefen die Trends bei Renditen und Spreads nach unten. Die Performance bei Anleihen war äußerst hoch, und sie überstieg risikoadjustiert sogar die der meisten Aktienindizes. Negative NebeneffekteDie zunehmend offensichtlich werdenden negativen Nebeneffekte der ultraexpansiven Geldpolitik für das Bankensystem und die Gefahren für die Finanzmarktstabilität zeigen allerdings auf, dass die Geldpolitik konzeptionell an ihre Grenzen stößt. Gleiches gilt ansatzweise auch für die technische Umsetzung. So wird nach den bisherigen Anleihekäufen der EZB in Höhe von 1 327 Mrd. Euro in verschiedenen Marktsegmenten Materialknappheit sichtbar.In diesem Umfeld kann es nicht überraschen, dass inzwischen im Markt eine Diskussion über eine mögliche Reduzierung der Anleihekäufe im nächsten Jahr begonnen hat. Zwar erscheint diese Diskussion als verfrüht und die EZB sollte bei ihrer Sitzung am 8. Dezember eine Verlängerung des Programms über März 2017 hinaus verkünden, doch wird die EZB den Geist der Tapering-Diskussion kaum mehr zurück in die Flasche befördern können. Der recht stabile Wirtschaftsausblick in der Eurozone kombiniert mit einer aufgrund von Basiseffekten bei Energiepreisen steigenden Inflationsrate (Januar 2017 etwa 1 %) tun ihr Übriges, um die Diskussion um eine Reduzierung der quantitativen Lockerung der EZB am Leben zu halten. Marktteilnehmer dürften in dieser Situation – im Gegensatz zur Vergangenheit – Marktkorrekturen nicht mehr als Kaufgelegenheiten werten, sondern Renditerückgänge eher als Verkaufsmöglichkeit sehen. Extrem niedrige KuponsExtrem niedrige Kupons, eine im Vergleich zur Vergangenheit deutlich höhere Marktduration (aktuelle Bund-Benchmark ist ein Zero-Bond) und eine einseitige Long-Positionierung bei Investoren führen in dieser Situation dazu, dass das Risiko-Chancen-Verhältnis am langen Ende der Staatsanleihekurven in der Kernunion unattraktiv ist und die Volatilität zunimmt. Da es auch bei einer Verlängerung des Anleihekaufprogramms der EZB zu einer Rekalibrierung der Kaufkriterien kommen muss, um der Knappheitsproblematik bei Bunds zu begegnen, ist es schwierig, auf Sicht der nächsten sechs bis zwölf Monate überzeugende Argumente gegen eine Kurvenversteilung bei Bunds, aber auch bei Swaps zu finden, solange nicht von einer deutlichen konjunkturellen Abkühlung ausgegangen wird.Damit sind die Zeiten, in denen vor allem die Zinsbewegung zu stetiger und hoher Performance führte, vorbei. Es dürfte sogar schwerfallen, in den kommenden Quartalen eine positive Performance in einem Staatsanleiheportfolio zu erzielen. Umso wichtiger ist es, bisher ungenutzte Ertragspotenziale zu heben. Höhere ZinsrisikenDa sich die Tapering-Diskussion vor allem um eine Reduzierung der Käufe von Staatsanleihen – und hier vor allem von Bunds – dreht, dürften die Zinsrisiken höher als die Spreadrisiken sein. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass die EZB in der Zukunft den Fokus ihrer Käufe noch stärker auf Unternehmensanleihen richten könnte, nachdem sie hier bisher Kaufvolumina um die 2 Mrd. Euro pro Woche recht problemlos hat erreichen können. Hinzu kommt, dass in der Tendenz von einer global zunehmend expansiveren Fiskalpolitik ausgegangen werden kann, was den Wachstumsausblick sowohl in der Eurozone als auch in den USA stützen sollte. Höheres Wachstum sollte ebenfalls helfen, Kreditspreads zu stabilisieren. Grundsätzlich spricht dies für weiterhin enge und stabile Risikoaufschläge im Kassamarkt in der Eurozone. Negative Renditen bei kurzen und mittleren Laufzeiten von Unternehmensanleihen dürften auf absehbare Zeit anhalten.Das Ertragspotenzial bei einem Engagement im Kreditbereich lässt sich – sofern es regulatorisch möglich ist – durch ein Ausweichen auf den CDS-Markt steigern. In diesem Marktsegment ist die EZB nicht aktiv, und folglich sind die Prämien (CDS-Spreads) deutlich weniger verzerrt als die Asset-Swap(ASW)- Spreads im Kassamarkt. Das reine Kreditrisiko einer CDS-Position und der Unternehmensanleihe des entsprechenden Emittenten ist dagegen vergleichbar. Neben der einseitigen Nachfrage der EZB im Kassamarkt spiegeln die strukturell höheren CDS-Spreads gegenüber den ASW-Spreads auch das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage im CDS-Markt wider. So überwiegen die Käufer von Kreditabsicherungen, da Marktteilnehmer mittels CDS-Kontrakten illiquide Kassapositionen absichern. Der Kreis der klassischen Verkäufer von CDS-Kontrakten wie Versicherungen und Hedgefonds hat sich zudem in den vergangenen Jahren deutlich ausgedünnt. Es gilt demzufolge, von diesen strukturellen Ungleichgewichten in der Bewertung von Kreditrisiken zwischen Kassamarkt und Kreditderivaten zu profitieren. CDS sind attraktiverIm Durchschnitt liegt der CDS-Spread der 125 Unternehmen mit Investment-Grade-Rating in Europa, die im iTraxx Europe Index enthalten sind, bei etwa 45 Basispunkten (BP) über dem ASW-Spread der entsprechenden Unternehmensanleihe. Die sogenannten CDS-Basen sind also deutlich positiv und übersteigen den ASW-Spread im Durchschnitt um den Faktor 1,6. Wird diese Liste auf die Namen der von der EZB gekauften Adressen beschränkt und damit vor allem Banken sowie Unternehmen außerhalb der Eurozone ausgeklammert, nimmt die relative Attraktivität einer CDS-Position gegenüber der Kasse deutlich zu. Ursächlich spiegelt dies die durch die EZB-Käufe deutlich “eingedampften” ASW-Spreads wider. Flache KurveEbenfalls von Interesse ist ein Vergleich des Zusammenhangs zwischen CDS-Spread und ASW-Spread nach Laufzeiten. Da die Käufe der EZB die ASW-Spreads im Kassamarkt nicht nur nach unten verzerren, sondern die ASW-Kurve auch stark verflacht haben, nehmen die Bewertungsunterschiede zwischen CDS-Markt und Kassamarkt mit der Laufzeit zu. So steigt z. B. der ASW-Spread bei Telefónica von fünf auf zehn Jahre Restlaufzeit nur um 20 BP, während die CDS-Kurve einen Anstieg um etwa 50 BP aufweist. Vor allem bei langlaufenden Anleihen, wo die EZB die ASW-Spreads im Kassamarkt verzerrt hat, ist ein Ausweichen auf den CDS-Markt attraktiv.—-*) Michael Klawitter ist Senior Economist bei der DekaBank.