DEVISENWOCHE

EZB dämpft politische Risiken

Von Martin Hochstein *) Börsen-Zeitung, 21.3.2017 "Um es kurz zu machen: Der Euro wird bleiben." Einmal mehr sah sich der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi Anfang März genötigt, eine Lanze für die Gemeinschaftswährung zu brechen....

EZB dämpft politische Risiken

Von Martin Hochstein *)”Um es kurz zu machen: Der Euro wird bleiben.” Einmal mehr sah sich der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi Anfang März genötigt, eine Lanze für die Gemeinschaftswährung zu brechen. Anlass war eine Frage nach den potenziellen Risiken durch den verstärkten Zulauf antieuropäischer und euroskeptischer Parteien in vielen Ländern. Aber nicht nur für die EZB rücken die gestiegenen politischen Risiken im europäischen Superwahljahr 2017 wieder stärker in den Fokus. Auch viele Finanzmarktakteure schauen besorgt auf die Vielzahl von politischen Ereignissen, die in den kommenden Monaten stärkere Marktverwerfungen verursachen könnten. Zwar führte der marktfreundliche Ausgang der niederländischen Parlamentswahlen zu einem kurzfristigen Durchatmen. Nach den Erfahrungen des letzten Jahres möchten Investoren aber insbesondere mit Blick auf die anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankreich nicht noch einmal auf dem falschen Fuß erwischt werden. WarnzeichenSchaut man in diesem Zusammenhang auf die Beziehung zwischen der politischen Nachrichtenlage und der Entwicklung an den Finanzmärkten, ergibt sich seit Mitte 2016 ein ambivalentes Bild. Während die politische Unsicherheit in Europa und weltweit – etwa gemessen am “Political Uncertainty Index” der US-Wissenschaftler Baker, Bloom und Davis – deutlich gestiegen ist, waren die Auswirkungen auf die meisten Finanzmarktsegmente vergleichsweise gering. Zwar sind die Risikoaufschläge für Staatsanleihen in der Euro-Peripherie und Frankreich in diesem Zeitraum gestiegen, gleichzeitig verzeichneten die europäischen und globalen Aktien- und Unternehmensanleihenmärkte aber signifikant positive Erträge. Die offensichtliche Divergenz zwischen der gestiegenen politischen Unsicherheit und der im historischen Vergleich weiterhin deutlich unterdurchschnittlichen Volatilität in den meisten Assetklassen deutet auf eine mögliche Selbstzufriedenheit vieler Investoren hin. In der Vergangenheit war Derartiges nicht selten ein Warnzeichen für eine bevorstehende zumindest temporäre Marktkorrektur.Welche Gründe können für die verhaltene Reaktion der Finanzmärkte angeführt werden, und wie sollte sich der Euro in dem geschilderten Spannungsfeld auf Sicht der kommenden Monate entwickeln? Zur Beantwortung dieser Fragen lässt sich zunächst feststellen, dass der handelsgewichtete Euro seit etwa Mitte 2015 nicht mehr nachhaltig negativ auf die verschlechterte politische Nachrichtenlage in der Eurozone reagiert hat. Offensichtlich dominierten nachfolgend andere Faktoren die Wechselkursentwicklung. Neben der Beobachtung, dass der Anstieg der politischen Unsicherheit kein isoliertes europäisches Problem, sondern ein globales Phänomen ist, hat nicht zuletzt die quantitative Lockerungspolitik der EZB zu einer verminderten Anfälligkeit des Euro gegenüber politischen Risiken beigetragen. Mit Aufnahme der Staatsanleihenkäufe im Frühjahr 2015 adressierte die Notenbank unter dem Deckmantel der Geldpolitik auch mehr oder weniger offen wieder verstärkt diskutierte Redenominierungsrisiken. Damit verhinderte sie bislang einen deutlicheren Anstieg der Risikoaufschläge und Renditen für Peripherie-Bonds. Dies wirkte sich neben dem verbesserten Konjunkturumfeld, dem weiter gestiegenen Leistungsbilanzüberschuss in der Eurozone und der moderat attraktiven längerfristigen fundamentalen Bewertung positiv auf den handelsgewichteten Euro aus.Ein Blick auf die bilateralen Wechselkurse offenbart darüber hinaus weitere interessante Aspekte. Erweitert man gängige kurzfristigere Bewertungsmodelle für den Euro/US-Dollar-Wechselkurs auf Basis von Zinsdifferenzen im Geldmarkt, Bilanzvolumina der Notenbanken und relativen Aktienmarkt-Volatilitäten um den politischen Unsicherheitsindex, so zeigt diese Einflussgröße trotz eines zuletzt geringeren Effekts über einen längeren Zeitraum einen signifikanten Erklärungsgehalt. Gemäß diesem zyklischen Bewertungsansatz handelt das Währungspaar aktuell relativ nahe an seinem kurzfristig fairen Wert. Auf Basis dieses Modells würde eine Normalisierung des Unsicherheitsniveaus in Richtung des längerfristigen Durchschnitts für sich genommen zu einem bis zu 6 Cent höheren Euro/US-Dollar-Kurs führen. Trump stützt DollarAuf Sicht der kommenden Monate dürften allerdings die erwarteten Effekte von “Trumponomics” den US-Dollar sowohl auf handelsgewichteter Basis als auch gegenüber dem Euro zunächst weiter stützen. Der Übergang zu einer weniger akkommodierenden Geldpolitik und expansiveren Fiskalpolitik in den Vereinigten Staaten vor dem Hintergrund zunehmend protektionistischer Tendenzen ist tendenziell positiv für die US-Währung. Sollte es im Jahresverlauf aber zu einem nachhaltigeren Abebben der politischen Unsicherheit in der Eurozone kommen, könnte dies zusammen mit verstärkten Erwartungen einer ab 2018 nachlassenden geldpolitischen Divergenz zwischen den USA und der Eurozone zu einer schrittweisen Stabilisierung des Euro gegenüber dem Greenback führen. Das politische Umfeld sollten Investoren aber auch dann nicht aus den Augen verlieren: Mit den Parlamentswahlen in Italien steht spätestens im Frühjahr nächsten Jahres ein weiteres bedeutendes Ereignis vor der Tür.—-*) Martin Hochstein ist Senior Strategist bei Allianz Global Investors.