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EZB geht in die nächste Kaufrunde

Von Carsten Lüdemann *) Börsen-Zeitung, 24.10.2019 Ab Ende nächster Woche greift die Europäische Zentralbank (EZB) wieder mit neuen Wertpapierkäufen in die Märkte ein. Für Unternehmensanleihen ist dies die zweite Runde, nachdem das erste Programm...

EZB geht in die nächste Kaufrunde

Von Carsten Lüdemann *)Ab Ende nächster Woche greift die Europäische Zentralbank (EZB) wieder mit neuen Wertpapierkäufen in die Märkte ein. Für Unternehmensanleihen ist dies die zweite Runde, nachdem das erste Programm Ende vorigen Jahres eingestellt wurde. Aktuell sind die Begleitumstände jedoch etwas andere als damals. 2016 hatte Draghi ein verhalten optimistisches Konjunkturbild gezeichnet. In der Eurozone gab es ein Wirtschaftswachstum von knapp 2 % mit leichter Tendenz nach unten. Allerdings drohte die Inflation nach unten abzudriften, und es galt, das Schreckgespenst der Deflation abzuwehren. Daher packte Draghi ein großes Maßnahmenpaket aus, mit dem er die Märkte überraschte.Auf den ersten Blick schien das auch funktioniert zu haben: Die Wachstumsraten beschleunigten sich auf bis zu 3 % bis Ende 2017, und die Inflationserwartungen sprangen an – allerdings nur kurzfristig. Heute wächst die Wirtschaft nur noch müde um 1,2 %, und Deutschland droht aktuell sogar eine technische Rezession. Immerhin aber ist Deflation zurzeit (noch) kein Thema. Dafür liegt das Renditeniveau deutlich niedriger, und selbst viele Unternehmensanleihen handeln mit negativen Renditen. Größeres UniversumDas mögliche Anlageuniversum für die neue EZB-Kaufrunde ist größer als 2016. Während damals zunächst nur etwa 550 Mrd. Euro an möglichen Corporates zur Verfügung standen, besteht der aktuelle Pool aus etwa 1 500 Unternehmensanleihen mit einem Gegenwert von gut 900 Mrd. Euro, von dem die Notenbank allerdings bereits knapp 180 Mrd. Euro auf den Büchern hält. Die nunmehr sehr niedrigen Renditen haben jedoch die Begeisterung über das neue Kaufprogramm ein wenig ausgebremst. 2016 hatte die Ankündigung erstmaliger Corporate-Käufe durch die EZB einen kräftigen Rutsch bei den Risikoaufschlägen ausgelöst, und eine zweite Welle folgte, als die Käufe dann tatsächlich umgesetzt wurden.Als jetzt Draghi am 12. September sein ebenfalls etwas überraschend großes Paket ankündigte, ist die Freude darüber sofort wieder verpufft. Einerseits blieb das Kaufprogramm mit 20 Mrd. Euro monatlich etwas unterhalb der Markterwartungen, auch wenn das offene Ende letztlich wohl zumindest bei Unternehmensanleihen zu mehr Käufen führen wird als zuvor antizipiert. Andererseits hat eine Flutwelle an neuen Anleihen den Markt ein wenig überfordert.Nach der traditionell sehr ruhigen Sommerpause standen ohnehin viele Emittenten in den Startlöchern, um frisches Geld aufzunehmen. Zudem sprangen viele Unternehmen auf den Zug auf und hofften, mit der Aussicht auf einen neuen großen Käufer ihre Bonds besonders günstig platzieren zu können. Zwar wurden die meisten neuen Bonds kräftig überzeichnet und konnten problemlos auch mit vergleichsweise niedrigen Neuemissionsprämien platziert werden. Doch auf dem Sekundärmarkt haben die Neuemissionen zu steigenden Risikoaufschlägen geführt. Anleihen, die in Tauschoperationen auf den Markt geworfen wurden, konnten nur zu deutlich gestiegenen Spreads umgesetzt werden. In der Folge haben diese Unternehmensanleihen inzwischen wieder recht attraktive Spreads aufgebaut.In den kommenden Wochen wird die Neuemissionstätigkeit spürbar zurückgehen, denn jetzt wurde die Berichtssaison für das dritte Quartal eingeläutet, und für viele Firmen beginnt damit die Blackout Period. In diesem Zeitraum dürfen keine neuen Anleihen aufgelegt werden, da die aufgefrischten Geschäftszahlen die Bewertungsgrundlagen verändern könnten. Tatsächlich hat die Konjunkturabschwächung in Europa bei vielen Unternehmen tiefe Spuren hinterlassen, und einige Firmen schreckten ihre Anleger mit heftigen Gewinnwarnungen auf. Aber auch die Analysten haben ihre Erwartungen weiter deutlich nach unten geschraubt. Für den Stoxx 600 wird davon ausgegangen, dass die Gewinne rund 2 % unter dem Niveau vom Vorjahresquartal liegen. Zu Beginn des dritten Quartals ist noch mit einem spürbaren Anstieg gerechnet worden. Die größten Gewinnrückgänge werden in den Sektoren Rohstoffe und bei Öl und Gas erwartet. Dagegen dürften Telekommunikationsunternehmen ihre Gewinne im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigern, und auch bei Konsumgüterproduzenten und Versorgern sollten deutliche Zuwächse möglich sein. Ausblick ist wichtigInsgesamt aber dürften die anstehenden Quartalsergebnisse angesichts der schleppenden Wirtschaftsentwicklung, besonders in Deutschland, noch einige herbe Enttäuschungen bereithalten. Zuletzt hatten jedoch Aktienkurse schärfer auf negative Überraschungen reagiert als die Anleihe-Spreads. Wichtig ist, dass der mittelfristige Ausblick nach oben zeigt und die Ratingagenturen keinen Anlass sehen, ihre Krediteinstufung der Firmen im großen Stil nach unten zu korrigieren. Dieses Jahr sind bisher von den großen Ratingagenturen mehr als doppelt so viele westeuropäische Firmen im Investment-Grade-Bereich im Rating herauf- anstatt heruntergestuft worden, was eine spürbare Verbesserung im Vergleich zu vorherigen Jahren bedeutet. Stimmungsindikatoren und Unsicherheitsfaktoren lassen erwarten, dass auch das laufende vierte Quartal schwach und damit die Unternehmensbilanzen weiter eingetrübt bleiben. Doch das dürfte größtenteils bereits eingepreist sein und für Anfang 2020 steigt die Zuversicht sowohl für die deutsche als auch die europäische Wirtschaftsentwicklung. Dies umso mehr, wenn die belastenden Faktoren Handelsstreit und Brexit-Sorgen zumindest ansatzweise eingedämmt werden können.Im Laufe des ersten Corporate-Kaufprogramms hat die EZB den Anteil von Unternehmensanleihen am gesamten Kaufprogramm von anfangs etwa 7 auf über 15 % gegen Ende der Käufe gesteigert. Ein wichtiger Grund hierfür war, dass bei Staatsanleihen aus Deutschland und anderen Kernländern die von der EZB selbst gesteckte Grenze von maximal 33 % einer jeden Anleihe erreicht wurde. An dieser Situation hat sich auch jetzt nicht viel geändert, und offensichtlich konnte in der Notenbank kein Konsens gefunden werden, diese Grenze zu erhöhen. Daher ist anzunehmen, dass der Anteil von Unternehmensanleihen und Covered Bonds eher noch ausgeweitet wird. Somit dürften monatlich Corporates im Volumen von 3 bis 3,5 Mrd. Euro netto gekauft werden. Hinzu kommen die nun ständig steigenden Fälligkeiten aus dem ersten Programm. Bis Ende September 2020 sind dies 13,3 Mrd. Euro, also knapp 1,5 Mrd. Euro monatlich. Trotz des vergleichsweise nur geringen Gesamtprogramms von monatlich 20 Mrd. Euro werden im kommenden Jahr voraussichtlich bis zu 60 Mrd. Euro an Unternehmensanleihen im EZB-Portfolio eingebucht werden. Das sind mehr als ein Drittel aller zu erwartenden EZB-fähigen Neuemissionen gemessen an den vorigen beiden Jahren. Angesichts der ohnehin schon sehr hohen Kaufbereitschaft der Investoren bei Neuemissionen dürften Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen wohl weiterhin gering bleiben und sogar noch weiter sinken. *) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.