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EZB-Käufe können Verzerrungen auslösen

Von Carsten Lüdemann *) Börsen-Zeitung, 31.3.2016 Die Europäische Zentralbank (EZB) hat dem Markt für Unternehmensanleihen in Europa mit der Ankündigung ihres neuen Ankaufprogramms einen gehörigen Schrecken eingejagt. Zwar waren die...

EZB-Käufe können Verzerrungen auslösen

Von Carsten Lüdemann *)Die Europäische Zentralbank (EZB) hat dem Markt für Unternehmensanleihen in Europa mit der Ankündigung ihres neuen Ankaufprogramms einen gehörigen Schrecken eingejagt. Zwar waren die Ankündigungseffekte natürlich überaus positiv, doch schwang im Markt sofort auch die Befürchtung mit, dass mit der Verknappung des Materials eine ähnliche Entwicklung einsetzen werde, wie zuvor bereits bei Pfandbriefen und Covered Bonds: Nach einer anfänglich sehr euphorischen Phase hatte die Liquidität dieser Anleihen stark nachgelassen, bisherige Investoren kehrten dem Markt den Rücken, neue Anleihen konnten somit nur noch schwierig platziert werden, so dass schließlich die Risikoaufschläge für die meisten Bonds kräftig anstiegen. Inzwischen sind die Renditen wieder spürbar gefallen.So weit sind wir bei Unternehmensanleihen noch lange nicht, doch die Liquidität hat tatsächlich schlagartig nachgelassen. Denn Inhaber von Euro-Bonds wollen ihre wertvollen Stücke nicht zu billig verlieren, bevor der große, neue Aufkäufer die Preise noch weiter in die Höhe treibt. Die Handelbarkeit von Unternehmensanleihen war in den vergangenen Quartalen ohnehin schon stark rückläufig, da viele Handelshäuser durch die Regulierung gezwungen wurden, ihre Handelsbestände deutlich zu verringern. In der Folge ist der Markt anfällig für starke Preisschwankungen geworden, da Market Making im herkömmlichen Sinn nicht mehr existiert. Diese Situation dürfte sich verschärfen, sobald die EZB mit ihren Käufen beginnt. Damit ist frühestens im Juni zu rechnen, denn die Details des Programms müssen erst noch in technischen Ausschüssen festgelegt werden. Expertise fehltAller Voraussicht nach wird das theoretische Universum passender Anleihen einen Markt mit etwa 500 Mrd. Euro nominal umfassen, also etwa einem Drittel von dem für Covered Bonds. Viele der zugehörigen Anleihen fallen aber vermutlich aus dem Korb wegen zu kurzer oder zu langer Laufzeiten, zu kleiner Emissionsgröße oder zu geringer Liquidität. Eine besondere Schwierigkeit dürfte auch die Bereitschaft zur Risikoübernahme darstellen. Denn während die EZB über die Finanzkraft der von ihr beaufsichtigten Banken sehr detaillierte Kenntnisse hat, fehlt ihr die Expertise zur Beurteilung der Bonität europäischer Unternehmen. Bankanleihen sind vom Kauf ausgeschlossen. Sollte eine von ihr angekaufte Unternehmensanleihe in Zahlungsverzug geraten, wird sie wohl kaum eine Sonderregelung wie im Falle der Umstrukturierung von Griechenlandanleihen im Jahr 2012 für sich durchsetzen können. Daher ist nicht anzunehmen, dass die Notenbanken die Grenze zum Non-Investment-Grade-Bereich bei einem Rating von “Baa 3″/”BBB-” ausreizen wird. Insgesamt dürfte das Euro-Bond-Portfolio der EZB also nicht allzu groß werden können. Der Einfluss auf den Markt bleibt aber trotzdem immens.Kaum hatte Draghi das neue Kaufprogramm umrissen, schon übertrafen sich die Konsortialabteilungen der Banken gegenseitig mit Neuemissionen. Der bisher prominenteste Auftritt eines deutschen Unternehmens kam von der Deutschen Telekom, die erstmals seit drei Jahren wieder am Markt erschien. Über drei Tranchen verteilt nahm der Konzern 4,5 Mrd. Euro zu sehr vorteilhaften Konditionen für sich auf. Denn aufgrund der immensen Nachfrage von über 18 Mrd. Euro konnten die anfänglich ohnehin schon vergleichsweise niedrigen Risikoaufschläge für die Anleihen noch einmal sehr kräftig reduziert werden. Noch erfolgreicher ist der belgische Bierkonzern Anheuser-Busch aufgetreten, der das große Kaufinteresse der Anleger nutzte, um einen Teil der Kosten für die Mega-Übernahme des großen Rivalen SABMiller zu finanzieren. Für neue Euro-Bonds über den Rekordwert von insgesamt 13,25 Mrd. Euro fanden sich Zeichnungswünsche über 31 Mrd. Euro. Dies zeigt, wie viel Geld in Euroland auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten unterwegs ist. Anleger weichen bereits ausBisher ist die EZB noch gar nicht aktiv. Es ist zu erwarten, dass sie ähnlich wie bei Covered Bonds bei Neuemissionen, allein schon die Hälfte der angebotenen Papiere zeichnen wird, so dass die Zuteilung für die übrigen Investoren nochmals deutlich kleiner wird. Bereits jetzt ist zu beobachten, dass die Anleger auf andere, riskantere Anleihen außerhalb des EZB-Universums ausweichen, um ihren Anlagebedarf stillen zu können. Seit der EZB-Sitzung sind die Risikoaufschläge für Unternehmen aus dem Investment-Grade-Bereich um etwa 20 Basispunkte (BP) gefallen und für die riskanteren Namen unterhalb dieser Rating-Grenze sogar um etwa 80 BP. Dies ist eine durchaus von der EZB gewünschte Reaktion. Es ist ihr Anliegen, die Kreditaufnahme für möglichst viele Unternehmen so attraktiv wie möglich zu machen. Banken sollen somit dazu gedrängt werden, Kredite an Unternehmen auszureichen, die keinen so guten Zugang zum Kapitalmarkt haben. Die hierfür notwendige Liquidität können sich die Banken über die neuen, sehr attraktiv ausgestalteten Langfristtender der EZB besorgen. Das erhöhte Risiko in dieser Ausweichgruppe will die Notenbank freilich nicht übernehmen, das sollen Investoren und Banken tragen.In der Erholungsphase nach der heftigen weltweiten Rezession 2008/2009 sind die Ausfallraten von High-Yield-Unternehmen zwar stark auf nur noch rund zwei Prozent gesunken und vermitteln damit ein sehr geringes Anlagerisiko. Doch liegt dies teilweise daran, dass in eben dieser Rezession sehr viele zuvor schon wackelige Firmen in den Konkurs gegangen sind. Die Überlebenden wurden zu harten Konsolidierungs- und Sparmaßnahmen gezwungen, von denen sie nun profitieren. Der von den Notenbanken geschürte billige Zugang zu Kredit verleitet jedoch manche Unternehmen zu Expansionen oder Übernahmen, die unter anderen Bedingungen möglicherweise nicht gewagt worden wären. Besonders bedenklich ist vor allem der Trend bei Aktienunternehmen, Eigenkapital durch billiges Fremdkapital zu ersetzen. Firmenvorstände werden von ihren Aktionären gedrängt, das günstige Zinsfenster zu nutzen, um Dividenden zu erhöhen oder Aktien zurückzukaufen. Spreads bleiben engDer Auftritt eines neuen Käufers am Markt wird seine Wirkung nicht verfehlen und die Risikoaufschläge noch spürbar weiter nach unten treiben. Aber auch die verstärkte Emission von neuen Anleihen wird den Anlagebedarf von EZB und Marktteilnehmern nicht stillen können. In der Folge kann das Preisgefüge am Markt kräftig verzerrt werden und das Rückzahlungsrisiko dieser Anleihen nicht mehr angemessen widerspiegeln. An dieser Stelle kommt bei allen Markteingriffen der Notenbanken der wirtschaftlichen Entwicklung eine hohe Bedeutung zu. Solange die Konjunktur sich – wie zumindest für dieses und das kommende Jahr zu erwarten ist – weiter im Aufschwung befindet, bleiben die Spreads eng. In einer konjunkturellen Abschwungphase können die Rückschläge aufgrund der gesunkenen Liquidität kräftig ausfallen.—-*) Carsten Lüdemann ist im Kapitalmarktresearch der DekaBank tätig.