EZB-Käufe werfen Schatten voraus
Das Kaufprogramm für Unternehmensanleihen, das die Europäische Zentralbank ab heute startet, hat am Markt bereits seit der Ankündigung im März deutliche Auswirkungen gezeigt. Die Renditen der Bonds haben sich über die Kurve hinweg betrachtet fast halbiert. Die Unternehmen sind bei Emissionen sehr aktiv. Der Markt steuert Rekordkurs. Investoren haben sich für die EZB-Käufe positioniert.Von Kai Johannsen, FrankfurtAm europäischen Markt für Unternehmensanleihen bricht heute eine neue Ära an, denn nun wird auch die Europäische Zentralbank (EZB) in diesem Segment als Käufer auftreten. Heute beginnen die effektiven Käufe im Rahmen des Corporate Sector Purchase Programme (CSPP) am Primär- und Sekundärmarkt. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es bereits spannende Zeiten für den Primärmarkt, die zum größten Teil auch von diesem Anleihekaufprogramm der EZB geprägt waren. Zunächst erlebte der Markt einen schwachen Start, den schwächsten Januar seit Einführung des Euro. Im weiteren Verlauf normalisierte sich dann aber das Emissionsgeschehen. Mittlerweile ist der Markt auf den gleichen Volumina (Year to Date) angekommen wie im Vorjahr, und zwar bei rund 145 Mrd. Euro (in Euro denominierte Corporate Bonds weltweit, unabhängig vom Sitz des Unternehmens). 2015 war für den Unternehmensanleihemarkt emissionsseitig ein Rekordjahr. Joachim Heppe, der bei der Commerzbank das Syndikat für Anleiheemissionen leitet, ordnet im Gespräch mit der Börsen-Zeitung die gegenwärtige Lage am Markt ein. Sprunghafter Anstieg”Über weite Strecken des ersten Quartals haben der deutlich rückläufige Ölpreis und die Sorgen über das Wirtschaftswachstum in China die Emissionstätigkeit belastet. Die Emittenten haben sich zurückgehalten. Der Druck auf den Markt hat sich zwar inzwischen abgeschwächt. Wir gehen aber davon aus, dass die beiden Faktoren auch in den kommenden Monaten noch für Volatilität sorgen werden”, sagt Heppe. Die Unternehmensanleihen haben mit der Ankündigung des Kaufprogramms der EZB am 10. März den Turnaround geschafft, die Emissionstätigkeit kam sprunghaft in Gang. “Nach der Ankündigung des Kaufprogramms gab es viele Neuemissionen. Die Spreads engten sich stark ein. Der Kaufeffekt der EZB wurde am Markt vorweggenommen, so wie wir das in den anderen Segmenten, in denen die EZB bereits mit Käufen aktiv ist, schon gesehen haben”, sagt er.Nach 5 Mrd. Euro Volumen im Januar zog das Emissionsvolumen im März schon auf mehr als 50 Mrd. Euro an. Der Beschleunigungseffekt war laut Heppe sofort zu spüren. Die Emissionen waren im Januar im Schnitt zweifach überzeichnet, d. h., bei einem Emissionsvolumen von 1 Mrd. Euro einer Anleihe lagen dann 2 Mrd. Euro an Orders von Investoren vor. Im April waren laut Heppe fünffache Überzeichnungen an der Tagesordnung. Im Mai habe sich das wieder auf 3 bis 3,5-fache Überzeichnungen zurückgebildet. Für die Investoren wurde es im Laufe der Monate immer schwerer, noch eine auskömmliche Rendite zu erzielen. Im Staatsanleihebereich ist die Kurve des Bundes beispielsweise bis hin zu neun Jahren Laufzeit im negativen Bereich. Die zehnjährige Bundesanleihe liegt derzeit noch knapp im positiven Renditebereich. Auch in anderen Segmenten wie etwa Covered Bonds oder Agency-Papieren (Anleihen halbstaatlicher Emittenten) oder supranationaler Adressen liegen die Renditen der Anleihen ebenfalls im Nullbereich oder sind negativ. Im Swapbereich ist bis fünf Jahre Laufzeit alles im negativen Bereich. Und so brachten auch Unternehmen bereits Anleihen mit Nullzins. Unilever kam mit einem vierjährigen Bond über 300 Mill. Euro mit einem Kupon von 0 %. Bei Sanofi-Aventis wurde ein dreijähriger Titel über 500 Mill. Euro mit einem Kupon von 0 % ausgestattet.”Für Investoren, die Cash parken müssen und dabei einen negativen Zins haben, also etwas fürs Geldparken bezahlen, haben solche Anleihen, bei denen man nichts mehr bekommt, insofern eine gewisse Attraktivität”, sagt Heppe. Die Neuemissionsprämien, d.h. Aufschläge über ausstehenden Anleihen des Emittenten, sind deutlich geringer geworden. “Mancher Emittent konnte seine neuen Anleihen sogar zu besseren Konditionen als bei seinen ausstehenden Anleihen am Markt unterbringen. Er zahlte Renditen unterhalb der für ihn geltenden Marktniveaus”, hält Heppe fest. Das habe sich in den vergangenen Wochen aber wieder etwas gewandelt. Da die Investoren etwas zurückhaltender wurden, hätten sich die Spreads wieder ein wenig ausgeweitet. Über die Kurve hinweg betrachtet liegt der Neuemissionsspread für einen Emittenten mit Single-A-Rating laut Heppe in einer Spanne von 0 bis 10 Basispunkten (BP), im Schnitt also bei 5 BP. Für BBB-Namen gibt Heppe die Spanne mit 10 bis 15 BP gegenüber den jeweiligen ausstehenden Bonds an. US-Adressen sehr interessiertEin weiterer Faktor, der derzeit am europäischen Primärmarkt eine Rolle spielt, sind die Auftritte von US-Unternehmen. Drei Gründe gibt der Experte für diese Auftritte der US-Adressen an. “Entweder haben die jeweiligen Firmen einen Bedarf an Euro, der sich aus ihrer Geschäftstätigkeit zum Beispiel in der Eurozone ableitet. Oder sie treten rein opportunistisch im Euro auf, weil es für sie günstiger als im Dollar ist, und tauschen den Euro-Emissionsbetrag dann in Dollar zurück. Der dritte Grund ist eine Diversifikation der Investorenschaft, so wie wir es bei der 13 Mrd. Euro schweren Transaktion von AB Inbev gesehen haben”, sagt er. Entsprechende Deals von US-Unternehmen kamen daneben von McDonald’s, Fedex und Unilever. “Wir erwarten, dass sich das in den nächsten Monaten fortsetzt.” 2015 kam ein Drittel aller Emissionen im Euro von US-Firmen. Derzeit befinde man sich in etwa auf diesem Niveau. Durch das EZB-Kaufprogramm seien große Volumina bei den Emissionen möglich, und die Emittenten könnten in den sehr langen Laufzeitenbereich gehen. 15-jährige Bonds kamen zum Beispiel in diesem Jahr von 3M oder Airbus. AB Inbev und RTE (Energie, Frankreich) brachten sogar 20-jährige Titel. Renditen sinken deutlichEine Auswirkung des Kaufprogramms der EZB ist, dass die Renditen der Anleihen deutlich gesunken sind. Wurden über die Laufzeitenkurve hinweg betrachtet im Investment-Grade-Bereich im Vorjahr im Schnitt Renditen von um die 3,1 % gemessen, sind es in diesem Jahr noch um die 1,7 %, die bislang im Schnitt bezahlt wurden. Das ist für Heppe eine deutliche Senkung. Die durchschnittlichen Laufzeiten sind in dieser Zeit aber heruntergegangen, und zwar von im Schnitt neun Jahren auf nunmehr gute sechs Jahre. Das begründet der Experte in erster Linie mit der Unsicherheit, die zu Jahresanfang am Markt herrschte. “Es wurden geringere Laufzeiten gewählt, weil viele Anleger in dem damaligen Umfeld nicht so lang investieren wollten. Es gab Unsicherheiten bezüglich des weiteren Verlaufs in der US-Zinspolitik. Es wurden Diskussionen darüber geführt, wie schnell die Fed auf dem Weg der Normalisierung voranschreiten würde. Da wollten viele Anleger keine hohe Duration, also eine lange Kapitalbindungsdauer, die bei einer tatsächlichen Zinswende entsprechende Verluste produzieren würde. Es gab auch Emittenten, denen die langen Laufzeiten nicht ins Geschäftsmodell passten und die dann lieber kürzer emittiert haben”, führt Heppe aus.Kaum eine Rolle spielt in diesem Jahr der Bereich der unbenoteten Emittenten (Unrated-Segment). Kamen 2015 insgesamt noch 29 Deals über 11 Mrd. Euro, waren es in diesem Jahr laut der Commerzbank bislang nur drei Transaktionen über 1,2 Mrd. Euro. Es waren die Unternehmen Lagardère, Ferrari und Sanoma (Medien, Finnland). “Dass weniger Unrated-Namen auftraten, ist auf die Volatilität des Marktes zurückzuführen”, sagt er. High-Yield-Markt bricht einDer High-Yield-Markt (hochverzinsliche Anleihen) sei dieses Jahr emissionsseitig unter Druck gekommen. Um über 60 % sei das Emissionsvolumen eingebrochen. Auch hierbei habe die Verunsicherung am Anfang des Jahres eine erhebliche Rolle gespielt. “Wir konnten noch keinen Aufholungseffekt feststellen. In den kommenden Monaten sollte in diesem Segment aber mehr passieren. Der Markt sollte Stabilisierungsansätze finden”, so der Experte.Ein weiterer Aspekt, der das Marktgeschehen beeinflusst, ist das Liability-Management der Unternehmen, also die Steuerung der Refinanzierungsseite. Es gebe viele Tender für Rückkäufe von ausstehenden Anleihen. In diesem Jahr habe man schon 13 Tender gesehen. Oft umfassen diese viele Tranchen von Anleihen. “Viele Unternehmen wissen schon bald nicht mehr, was sie mit ihren sehr hohen Cash-Positionen anfangen sollen. Dann werden eigene Anleihen zurückgekauft, um die Schuldenlast und die Refinanzierungskosten zu senken”, sagt der Experte. Er sieht darin auch eine gute Mittelverwendung. Viele Unternehmen bekämen von den Banken derzeit auch gesagt, dass sie die Cash-Positionen auf den Konten bei den Banken zurückfahren sollen. Das sei wegen des negativen Einlagensatzes zu teuer. “Dann fangen die Firmen an, nach Alternativen zu suchen, und investieren in eigene Bonds, anstatt den negativen Einlagensatz berechnet zu bekommen”, sagt Heppe. Hybride legen Pause einBei den Hybrid-Anleihen hat es in den vergangenen Monaten eine lange Pause gegeben. Von Mitte November bis Mitte März habe es keine nennenswerten Emissionen in diesem Segment mehr gegeben. “Ursache waren die bereits genannten Unsicherheiten, die die Investoren verschreckten. Deshalb gab es gut fünf Monate Funkstille”, sagt er. Total habe den Markt dann aber mit einer 1,75 Mrd. Euro schweren Transaktion im Mai geöffnet. “Wir erwarten in den nächsten Wochen und Monaten aber wieder eine Normalisierung bei den Hybrid-Emissionen und damit eine stärkere Aktivität.”Als ein spannendes Thema stuft Heppe die nachhaltigen Anleihen oder sogenannte Green Bonds ein. Hier gab es in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum. 2015 lag das weltweite Emissionsvolumen nach Angaben der Commerzbank bei umgerechnet 40 Mrd. Euro. Das war mehr als jemals zuvor. 2016 seien bereits grüne Anleihen im Umfang von 23,6 Mrd. Euro auf den Markt gekommen. Die nachhaltigen Anleihen seien damit auf Rekordkurs. “Diese Art der Refinanzierung ist zwar nicht günstiger als die über herkömmliche Anleihen. Aktuell müssen die Emittenten noch gleich viel wie bei klassischen Bonds bezahlen. Aber vielen Unternehmen werden diese Bondformen wichtiger. Auch achten Emittenten vermehrt bei der Auswahl des Konsortiums darauf, welche Banken auf grün setzen. Gleichzeitig sehen Investoren zunehmend auf den Aspekt, ob sich ein Unternehmen diesem Trend verpflichtet fühlt und auch bei der Refinanzierung auf den Aspekt grün setzt”, sagt Heppe. Das würde bei weiten Anlegerkreisen einen immer höheren Stellenwert einnehmen. Des Weiteren stellt Heppe fest, dass auch viele Fonds aufgelegt werden, die in grüne Anleihen investieren bzw. diese Bonds als strikte Vorgabe für die Investition haben. “Das ist ein Thema, das auch künftig stärker präsent sein wird”, sagt er.