IM GESPRÄCH: ROLF SCHÄFFER, LANDESBANK BADEN-WÜRTTEMBERG

EZB könnte High-Yielder antreiben

Markt erholt sich von schwierigem dritten Quartal - Neuemissionspipeline ist aber noch leer

EZB könnte High-Yielder antreiben

Das Bondkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bei den High-Yieldern in Europa deutliche Spuren hinterlassen, auch wenn die EZB hier nicht direkt gekauft hat. Investoren, die noch nach Renditeaufschlägen suchten, wurden in High-Yielder gedrängt, da Staatsanleihen immer weniger abwarfen. Sollte die EZB nun noch stärker im Bondmarkt zugreifen – und diese Markterwartung hat EZB-Chef Mario Draghi gestern noch verfestigt -, könnte das die High-Yielder noch mal kräftig antreiben. Diese Ansicht vertritt Rolf Schäffer, Credit-Experte bei der Landesbank Baden-Württemberg, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Von Kai Johannsen, FrankfurtDer über 230 Mrd. Euro schwere europäische Markt für Hochzinsanleihen (High-Yielder) hat ein schwieriges und unter Renditeaspekten schwaches drittes Quartal erlebt. Im Schnitt wurde eine Spread-Ausweitung von 130 Basispunkten (BP) verzeichnet. Das entspricht rund 3 % Wertverlust gemessen an einem Index wie etwa dem Bank of America Merrill Lynch (BoA ML) Euro Non-Financial High Yield Index.Die Neuemissionsvolumina vom Jahresbeginn wurden zudem bisher nicht wieder erreicht. Die Emissionstätigkeit im High-Yield-Segment wird von Experten weiter als schwach eingestuft, abgesehen von sehr vereinzelten Bond-Emissionen wie etwa von Gazprom Anfang Oktober.Auch die Liquidität des High-Yield-Segments wird als sehr schwach charakterisiert. Rund 50 % der gesehenen Spread-Ausweitungen im September werden von Experten als liquiditätsgetrieben eingestuft. Extreme Spreizungen wurden zum Beispiel bei Oi SA bzw. Portugal Telecom oder Petrobras gesehen. Hier weiteten sich die Spreads zum Teil um mehr als 1 000 Basispunkte (BP) innerhalb von wenigen Wochen aus. Neben unternehmensspezifischen Gründen waren hier insbesondere Sorgen um die Lage in Brasilien und die anhaltende Schwäche der Rohstoffpreise ursächlich.Zu Beginn des vierten Quartals setzte aber eine deutliche Erholung ein. Im Schnitt engten sich die Spreads im High-Yield-Segment um 40 bis 50 BP ein. Der Total Return über die Laufzeitenkurve hinweg betrachtet liegt seit Jahresanfang nun bei um +1 %. Anleger haben damit im Schnitt sogar etwas mehr als den Ertrag von Bundesanleihen erzielt. Sorge um KonjunkturDie konjunkturellen Unsicherheiten beeinflussen den High-Yield-Markt – ebenso wie andere Kapitalmarktsegmente auch. Sorgen bereitet den Anlegern die möglicherweise deutliche Abschwächung der Konjunktur im Reich der Mitte. Aber auch die Risiken in anderen Emerging Markets wie etwa Brasilien oder Russland behalten sie weiter im Blick. Investoren stellen sich darüber hinaus darauf ein, dass das internationale Niedrigzinsumfeld, vor allem in Europa, intakt bleiben wird. Aber auch in den USA wird derzeit mit einer langsameren oder späteren Leitzinserhöhung gerechnet als noch vor einigen Wochen.”In der Eurozone wird eine zeitliche Ausweitung und eine volumenmäßige Erhöhung des Quantitative Easing wahrscheinlicher. Darauf deuten nicht zuletzt auch die jüngsten Aussagen des EZB-Ratsmitgliedes Ewald Nowotny”, sagt Rolf Schäffer, der im Research der LBBW die Gruppe Strategy leitet. Die Konjunktur in der Eurozone befindet sich laut Schäffer derzeit nur auf einem moderaten Erholungspfad. Bei der Wirtschaftsentwicklung in den USA gebe es aktuell noch keine Anzeichen einer ausgeprägten Schwächephase.Das Gros europäischer Firmen und damit auch die High-Yield-Adressen blieben finanziell solide aufgestellt. “Während zwar eine offensivere Herangehensweise im Hinblick auf M & A, Dividendenhöhe und Investitionstätigkeit zu verzeichnen war, blieben Exzesse in diesen Punkten bislang aus. Ein ausgeprägtes Releveraging, also eine deutliche Erhöhung des Verschuldungsgrades auf breiter Front, konnte nicht festgestellt werden.” Zudem können viele Unternehmen seiner Ansicht nach von einem günstigen Wechselkurs und niedrigen Rohstoffpreisen profitieren. Basis für eine RallyDie EZB zeige sich weiterhin äußerst entschlossen in der Umsetzung des Quantitative-Easing-Programms (QE) und habe zuletzt die Möglichkeit einer Ausweitung des Programms betont. Dies stelle einen stützenden Faktor auch für die Credits dar. “Sollte sich die EZB noch in diesem Jahr entschließen, das Programm womöglich auch auf weitere Corporates auszuweiten, könnte das die Basis für eine Erholungs-Rally am Markt sein”, meint Schäffer.Der Anlagedruck für die Investoren bleibe weiterhin hoch. Die Suche nach Rendite, die schon geraume Zeit anhält, setze sich fort. Durch die Risikoaversion würden die Renditen der sicheren Häfen wie etwa bei den Bundesanleihen nach oben hin gedeckelt bleiben. Einen Anstieg der zehnjährigen Bundrendite über die Marke von 1 % erwartet Schäffer auf kurze Sicht nicht. “Nach der Marktbereinigung sollte sich bei den Anlegern nun wieder die Erkenntnis durchsetzen, dass die Suche nach Rendite unabdingbar bleiben wird und Risiken wieder in Kauf genommen werden müssen, insbesondere weil es nun auch wieder deutlich attraktivere Rendite-Risiko-Profile gibt”, sagt der Experte.Die Marktreaktion im dritten Quartal erscheint Schäffer sowohl mit Blick auf die Heftigkeit für die betroffenen Einzelwerte als auch für den Gesamtmarkt übertrieben. Auch wenn es kein High-Yield-Name ist, gilt Volkswagen derzeit am gesamten Credit-Markt als eines der Hauptsorgenkinder. “Gemessen am aktuellen CDS-Spread der Fünfjahreskontrakte errechnet sich für VW eine implizite Default-Wahrscheinlichkeit von knapp 20 %. Bei Glencore, die ebenfalls nicht zum High-Yield-Segment gehören, liegt die implizite Default-Wahrscheinlichkeit sogar bei mehr als 40 %. Bezogen auf den Investment-Grade-Bond-Index von BoA ML sind es momentan rund 9 %, was bislang niemals auch nur ansatzweise erreicht wurde”, hält Schäffer fest.Die historisch maximal erreichte kumulative Ausfallrate in einem Fünfjahreszeitraum betrug Schäffer zufolge im Investment-Grade-Segment 4 %. Auch der längerfristige historische Spread-Verlauf zeige, dass mittlerweile wieder ein Krisenszenario eingepreist ist. “Dieses Krisenszenario wird aber nicht die Ausprägungen erreichen, die wir etwa bei der europäischen Staatsschuldenkrise oder dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang dieses Jahrtausends gesehen haben.”Das Bond-Kaufprogramm der EZB hat am Credit-Markt und damit auch bei den High-Yieldern klare Spuren hinterlassen, auch wenn seitens der europäischen Währungshüter keine High-Yield-Bonds oder Investment-Grade-Corporates direkt gekauft wurden, obwohl von Letzteren einige Namen auf der Liste der von der EZB im Rahmen des Programms erwerbbaren Titel stehen. “Aber wir haben indirekte Auswirkungen gesehen, da sich die relative Attraktivität verbessert hat, denn Staatsanleihen wurden noch teurer. Das hat Investoren wiederum in die schlechteren Bonitäten gedrängt, was dann auch am High-Yield-Markt zu spüren war”, sagt er.Allerdings seien dabei auch viele Sondereffekte zu berücksichtigen, welche die Entwicklungen am Markt überlagert oder verzerrt hätten. Hierzu gehörten etwa die Sorgen um die Emerging Markets, insbesondere um die chinesische Konjunktur, die Griechenland-Krise und jüngst die Entwicklungen um VW und Glencore. “Bis April konnten wir klar den Effekt feststellen, dass Investoren immer stärker in die schlechteren Bonitäten gingen, es herrschte eine eindeutige Risk-on-Stimmung vor. Ab dann wurden weite Anlegerkreise aufgrund der Eintrübung des Umfeldes immer vorsichtiger”, so Schäffer. Grundsätzlich sorge das Niedrigzinsumfeld aber weiterhin für Druck bei den Investoren, sich generell für riskantere Assetklassen zu öffnen. Dezembersitzung im BlickDer Einfluss der EZB auf dieses Marktsegment könnte durchaus erhalten bleiben oder sich noch intensivieren. Denn die Chancen einer QE-Ausweitung sind nach Schäffers Einschätzung definitiv gestiegen. Ein möglicher Termin für die Bekanntgabe eines entsprechenden Beschlusses könnte seiner Ansicht nach die EZB-Sitzung am 3. Dezember sein.In diese Richtung deuteten die jüngsten Äußerungen von EZB-Vertretern, wozu auch diejenigen von Nowotny gehören würden. “EZB-Präsident Mario Draghi ist für größere Schritte gemäß der Devise ,Nicht kleckern, sondern klotzen` bekannt”, sagt Schäffer. Deshalb kann er sich eine Erhöhung des Kaufvolumens um 10 Mrd. Euro pro Monat und eine Verlängerung um neun Monate bis Mitte des Jahres 2017 vorstellen. “Zudem erscheint uns eine Ausweitung der Käufe auf angrenzende Assetklassen, in diesem Fall auf Unternehmensanleihen, denkbar”, so der Experte. Bislang stehen nur ausgewählte Namen mit engem Staatsbezug auf der Kaufliste. Eine Ausweitung auf weitere Infrastrukturunternehmen sei ebenfalls denkbar.Schäffer prognostiziert für den gesamten Markt der in Euro denominierten Corporate-Bonds (Investment Grade und High Yield) in diesem Jahr ein Neuemissionsvolumen von rund 300 Mrd. Euro nach dem Rekordwert von 316 Mrd. Euro im vorigen Jahr. Von diesem Emissionsvolumen sollten seiner Ansicht nach rund 20 % aller Emissionen von den High-Yield-Adressen kommen. Die Pipeline sei derzeit aber noch nicht prall gefüllt. So will Verisure, ein Hersteller von Alarmanlagen, 700 Mill. Euro über einen Bond lockermachen. General Motors Financial hatte im Juni eine Roadshow in Europa durchgeführt, es folgte aber noch keine Euro-Emission. “Lagardere, Solvay und Repsol tragen sich mit dem Gedanken, einen Hybriden am Markt zu platzieren.” Große Fälligkeiten im High-Yield-Segment, die zu refinanzieren wären, stehen ebenfalls nicht an. Nur bei Heidelberg Cement läuft im Dezember noch eine Anleihe über 650 Mill. Euro aus.Schäffer geht davon aus, dass die Unsicherheitsfaktoren, die auch in diesem Jahr das Bild am Credit-Markt insgesamt geprägt haben, nicht auf kurze Sicht von der Bildfläche verschwinden werden. “Die Volatilität wird deshalb an den Märkten hoch bleiben. Für Schwankungen könnte auch die US-Zinswende sorgen, die mehr und mehr Anleger aber erst im Verlauf des kommenden Jahres sehen. Auch hier gab es schon mehrfache Verschiebungen in die Zukunft”, sagt Schäffer. Insgesamt erwartet er für 2016 eine Seitwärtsentwicklung bei den Spreads oder sogar leicht engere Spreads.Die Risiken am Credit-Markt werden seiner Einschätzung nach noch adäquat bepreist. “Es werden spürbar mehr Ausfälle eingepreist, als wir in den kommenden Jahren sehen werden.” Eingepreist werden im High-Yield-Segment gut 30 % Ausfälle über die nächsten fünf Jahre im Vergleich zu Schäffers Prognose eines tatsächlichen Ausfalls von 15 bis 20 %. Die Liquiditätsprämie sei aber spürbar angestiegen. “Investoren müssen Schwankungen in den nächsten Monaten aushalten können. Per paldo sehen wir den High-Yield-Markt aber als attraktiv an und erwarten eine Outperformance gegenüber Investment-Grade-Bonds und auch Bundesanleihen”, sagt er.Das Investorensentiment ist in diesem Jahr Änderungen unterworfen gewesen. Bei Neuemissionen könnte man noch Überzeichnungen feststellen, aber es werden auch hohe Neuemissionsprämien seitens der Unternehmen bezahlt. Bei den neuen Bonds von BHP Billiton habe es eine Nachfrage von umgerechnet 12 Mrd. Dollar für ein Bondvolumen von umgerechnet 6,5 Mrd. Dollar gegeben. Der hohe gebotene Aufschlag habe die Bonds dabei erst interessant gemacht. Insgesamt seien die Investoren aktuell weiter eher vorsichtig. Vor Jahresende erwartet Schäffer keine deutliche Zunahme der Zuflüsse in den High-Yield-Markt. In den vergangenen zwei Monaten seien eher Abflüsse zu beobachten gewesen. Die Nettozuflüsse in diesem Jahr seien aber klar im positiven Bereich. Niedrige AusfallratenAnfang des Jahres sei zudem bei den Investoren und Emittenten ein klarer Trend zu längeren Laufzeiten zu beobachten gewesen. Der Grund war die Suche nach Rendite und damit die Entscheidung vieler Anleger, die Laufzeitenkurve weiter heraufzugehen, um noch den gewünschten Rendite-Pick-up zu bekommen. “Das haben wir bis April feststellen können. Danach hat sich dieser Prozess deutlich zurückgebildet; auch mittlere Laufzeiten und damit die normalen Laufzeitenbänder kamen wieder ins Spiel. Solche Prozesse lassen sich eben nicht ewig ausweiten”, sagt er. Bei den High-Yieldern sieht er in diesem Jahr eine Ausfallrate von gut 2 %, in den nächsten Jahren sollte der Wert Schäffer zufolge im Bereich von 2,5 bis 4,5 % (p. a.) liegen. Insgesamt erwartet er demzufolge eher niedrige Ausfallquoten.Rohstoffunternehmen und Minengesellschaften könnten sich seiner Ansicht nach größeren Ausfallrisiken gegenübersehen. Der Ratingtrend bei High Yield und Investment Grade insgesamt sei aber positiv. Im Jahresverlauf habe man mehr Herauf- als Herunterstufungen von Ratings gesehen. Erst im September habe sich das gedreht, und es habe mehr Herunter- als Heraufstufungen gegeben. “Wir erwarten insgesamt keine dramatische Bonitätsverschlechterung in Europa, sondern eher eine Seitwärtsbewegung im kommenden Jahr.”