KREDITWÜRDIG

EZB lässt längere Leine bei Unternehmensbonds

Von Carsten Lüdemann *) Börsen-Zeitung, 17.5.2018 Die Entwicklung von Unternehmensanleihen und Covered Bonds liegt der Europäischen Zentralbank (EZB) besonders am Herzen. Denn bei diesen Anleihen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zu...

EZB lässt längere Leine bei Unternehmensbonds

Von Carsten Lüdemann *)Die Entwicklung von Unternehmensanleihen und Covered Bonds liegt der Europäischen Zentralbank (EZB) besonders am Herzen. Denn bei diesen Anleihen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zu Finanzierungsbedingungen von Unternehmen und damit zur Kreditvergabe. Mit diesem Argument hätten auch Bankanleihen in das Kaufprogramm der Notenbank aufgenommen werden können, doch das würde Interessenkonflikte mit der ebenfalls in der EZB durchgeführten Bankenaufsicht aufwerfen. Zudem genießen Finanzinstitute ohnehin bereits sehr kräftige Schützenhilfe in Form der großzügig ausgestatteten Langfristtender. Für Unternehmensanleihen hatte EZB-Präsident Mario Draghi im vorigen Jahr angekündigt, diese trotz der ab Jahresanfang 2018 halbierten Gesamtkäufe der EZB weiterhin in signifikantem Ausmaß zu unterstützen. In den ersten Monaten dieses Jahres wurden die Käufe von Corporates dann auch tatsächlich in nahezu unveränderter Höhe fortgesetzt, ihr Anteil am Gesamtprogramm stieg also kräftig an. Seit April sind die wöchentlichen Nominale jedoch auffällig deutlich zurückgegangen. Auf der jüngsten EZB-Pressekonferenz betonte Draghi auf entsprechende Rückfrage jedoch, dass dies lediglich saisonale Schwankungen seien, die nicht als beginnender Ausstieg aus der quantitativen Lockerung zu verstehen seien. Die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen haben unter den verringerten Käufen kaum merklich gelitten. Die gegenüber Jahresbeginn gestiegenen Risikoaufschläge gehen auf eine Verunsicherung wegen des eskalierenden Handelsstreits seitens der USA und nachgebender Stimmungsindikatoren zurück. Verstärkte EmissionenIn der vorigen Woche hat die EZB eine Studie veröffentlicht, in der sie die Effekte ihrer Corporate-Käufe (CSPP) auf den Anleihenmarkt sowie die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen untersucht. Mittels ökonometrischer Analysen kommt sie zu dem Schluss, dass ein signifikanter Anteil der seit der Ankündigung des CSPP vor gut zwei Jahren gesunkenen Risikoaufschläge auf die Notenbankmaßnahme zurückzuführen sei. Dies gelte auch für Emissionen, die aufgrund der Programmvorgaben nicht zum Anleiheuniversum gehören, da diese durch den beabsichtigten Portfolio-Balance-Effekt von anderen Investoren verstärkt nachgefragt worden sind. Die niedrigeren Spreads sowie das insgesamt deutlich ermäßigte Zinsniveau hätten eine verstärkte Neuemissionstätigkeit mit sich gebracht, auch habe die Laufzeit der emittierten Bonds zugenommen. Gleichzeitig seien die Finanzierungsbedingungen im Bankensektor verbessert worden. Denn während Unternehmen mit Kapitalmarktzugang vermehrt Anleihen begeben, blieb somit für Banken ein größerer Spielraum für die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen. Diese Erkenntnisse werden auch durch den Bank Lending Survey der EZB belegt, in dem verbesserte Kreditkonditionen und eine erhöhte Bereitschaft zur Kreditvergabe beobachtet wurden. Dazu haben in erheblichem Maße das niedrige Zinsniveau sowie die extrem hohe Liquidität im Markt beigetragen. Überhaupt wird in der Analyse hervorgehoben, wie wichtig das Zusammenspiel all der von der EZB ergriffenen Maßnahmen ist. Als ein großer Erfolg des Gesamtprogramms wird somit auch der Preisauftrieb von zunächst negativen Raten auf nun immerhin etwas erhöhte Anstiege in den Vordergrund gestellt – wenn auch das Inflationsziel der EZB noch weit entfernt ist. Ein häufig genannter Kritikpunkt am Kaufprogramm der EZB soll mit der Studie widerlegt werden: CSPP beinträchtige die Marktfunktionalität und -liquidität. Gemäß EZB-Analyse hätten selbst große Kauftransaktionen die Spreads einzelner Anleihen jeweils nur minimal beeinflusst. Und die Bid-Ask-Spreads wären sogar seit Beginn der Käufe gesunken, im Durchschnitt von etwa 50 bis 60 Basispunkten (BP) auf aktuell 30 bis 35 BP. Bei all diesen vermeintlich oder tatsächlich zuordenbaren Effekten bleibt aber dennoch die Gefahr, dass das Programm am eigenen Erfolg scheitert. Auch die Covered-Bond-Kaufprogramme können als großer Erfolg dargestellt werden, aber der Sekundärmarkt ist nach Jahren der Einflussnahme der EZB kaum noch existent. Anscheinend erkennt die EZB diese Gefahr auch für den Corporate-Markt. Denn in ihrer Studie betont sie, dass sich mit inzwischen mehr als 150 Mrd. Euro gekauften Corporates bisher zwar etwa 17 % des theoretisch lieferbaren Universums in ihren Händen befindet, der restliche Markt aber über ausreichend Liquidität verfüge. Und aufgrund der insgesamt gestiegenen Emissionstätigkeit habe auch der ausstehende Teil in Händen freier Marktteilnehmer in den vorigen Jahren absolut zugelegt. Große FlexibilitätMöglicherweise beginnt die EZB nun tatsächlich damit, sich vorsichtig aus dem Markt für Unternehmensanleihen zurückzuziehen. Mit den dargelegten Erfolgen kann sie erklären, bereits einen Teil ihrer angestrebten Ziele erreicht zu haben, und könnte nunmehr den Markt so langsam wieder sich selbst überlassen. Und mit dem Verweis auf Saisonalität hält sich Draghi jederzeit die Möglichkeit zur Beschleunigung der Käufe offen, denn auch der Hinweis auf die große Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der EZB war ein wichtiger Punkt in der Studie. Aus konjunktureller Sicht sollte der Corporate-Markt einen Rückzug der EZB verkraften können. Die nachgebenden Stimmungsindikatoren sollten als Normalisierung nach einer langen Übertreibungsphase verstanden werden. Und bei den teilweise überraschend schwachen realen Daten im ersten Quartal, insbesondere in Deutschland, dürfte es sich um Ausrutscher handeln, die im Jahresverlauf wieder aufgefangen werden. Die Quartalsberichte großer europäischer Unternehmen sind trotz dieser leichten Rückschläge überwiegend gut ausgefallen. Im ersten Quartal konnten die Gewinne weiter um ein paar Prozentpunkte gesteigert werden, und für das Gesamtjahr wird ein Gewinnanstieg um etwa 8 % erwartet. Ein Grund dafür, dass die Ergebnisse nicht noch besser ausgefallen sind, findet sich in der starken Euro-Entwicklung seit einem Jahr. Viele Firmen beklagten währungsbedingte Umsatzeinbußen um 5 bis 10 %. Die Gewinnmargen wurden dadurch ebenfalls empfindlich gedrückt. Immerhin hat der Euro seit April gegenüber dem Dollar spürbar und gegen andere Währungen etwas nachgegeben, wodurch der weitere Ausblick ein wenig aufpoliert wird. Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen bleiben in diesem Umfeld gut unterstützt. Zusätzliche Schützenhilfe durch EZB-Käufe dürfte dabei kaum noch erforderlich sein. Dennoch wird die EZB ihre Käufe bis zum September mit 30 Mrd. Euro monatlich fortsetzen und danach voraussichtlich langsam auslaufen lassen. Und mit Blick auf die Ersatzkäufe für fällig werdende Anleihen erhalten Corporates auch auf längere Sicht noch zusätzlichen Schub von der Notenbank.—-*) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.