BUNDRENDITEN AUF REKORDTIEFS - IM INTERVIEW: RAINER GUNTERMANN, COMMERZBANK

"EZB trägt entscheidend zu niedrigen Renditen bei"

Zinsexperte: Anleger müssen ihre mittelfristigen Erwartungen weiter nach unten korrigieren

"EZB trägt entscheidend zu niedrigen Renditen bei"

Nach dem Erreichen des Rekordrenditetiefs bei den zehnjährigen Bundesanleihen geht Rainer Guntermann, Zinsanalyst bei der Commerzbank, im Interview der Börsen-Zeitung auf die weiteren Perspektiven am Markt für Bundesanleihen ein.- Herr Guntermann, welche Faktoren stehen derzeit hauptsächlich hinter dem aktuellen Renditerückgang der Bundesanleihen entlang der Kurve?Die anhaltend schwache Konjunktur und die sehr niedrige Inflation im Euroraum sprechen für strukturell niedrige Renditen. Diese Tendenz wird durch die Vorbereitung der Banken auf die im kommenden Jahr greifenden Liquiditätsstandards verstärkt. Die politischen und militärischen Konflikte in der Ostukraine und im Nahen Osten, Diskussionen über verschärften Sanktionen gegen Russland sowie Sorgen über einen Staatsbankrott Argentiniens haben das Sicherheitsbedürfnis nochmals verstärkt.- Die zehnjährige Bundrendite ist auf einem historischen Tiefpunkt angekommen. Mit den nun erreichten 1,111 % ist sie nicht mehr weit von der Null vor dem Komma entfernt. Wie gut stehen denn die Chancen, dass wir es in Kürze entlang der gesamten Kurve von zwei bis zehn Jahren Laufzeit mit “Nullkommarenditen” zu tun haben werden?Einen nachhaltigen Rückgang der Bundrenditen unter 1 % erwarten wir nicht. Dafür bedarf es einer fundamentalen Neubewertung der Konjunkturrisiken mit deutlich schwächerem Wachstum und höheren Deflationsrisiken sowie breit angelegten Anleihekäufen seitens der Europäischen Zentralbank (EZB). Dieses Szenario zeichnet sich aus unserer Sicht für die zweite Jahreshälfte jedoch nicht ab. Eine Eskalation der geopolitischen Lage könnte allerdings die Renditen kurzfristig weiter drücken.- Das kurze Marktende flirtet schon wieder mit negativen Sätzen. Wie weit kann es hier noch heruntergehen beziehungsweise wie weit kann es entlang der Laufzeitenkurve noch negativ werden?Negative Sätze bei den liquiden zweijährigen Bundesschätzen waren in erster Linie ein Krisenindikator, wie beispielsweise im Sommer 2012, als die Euro-Schuldenkrise Italien und Spanien zusetzte. Durch das Versprechen von EZB-Präsident Mario Draghi – was sich in diesen Tagen zum zweiten Mal jährte – sind diese Krisensorgen abgeklungen, und die Euro-Geldmärkte funktionieren wieder besser. Das kurze Kurvenende dürfte somit bei null einen natürlichen Boden finden. Investoren können auf kurzlaufende Anleihen anderer Euro-Staaten, Gebietskörperschaften oder staatsgarantierter Emittenten ausweichen. Die anstehenden zielgerichteten Tendergeschäfte der EZB schirmen dabei den Horizont bis zu Laufzeiten von vier Jahren ab. Die Renditekurve dürfte sich entsprechend verflachen.- Wo sehen Sie zwei- und zehnjährige Bundrenditen zum Jahresende 2014?Die zweijährigen Bundrenditen dürften sich bis tief ins nächste Jahr hinein nahe null halten. Die zehnjährigen Renditen dürften sich über den Sommer zwischen 1,10 und 1,20 % stabilisieren. Die bald aufkommende Diskussion über Zinserhöhungen in den USA dürfte die Bundrenditen zum Jahresende moderat steigen lassen.- Sind die niedrigen Bundrenditen auch ein Ergebnis der Beteuerungen der EZB? Sie hat den Marktteilnehmern nun schon wiederholt klargemacht, sie sollten sich darauf einstellen, dass die Zinsen in der Eurozone noch geraume Zeit niedrig bleiben werden.Die Nullzinspolitik der EZB trägt entscheidend zum niedrigen Renditeniveau von Bundesanleihen bei. Noch deutlicher schlägt sich der Effekt der Notenbankpolitik aber in der Renditekonvergenz im Euroraum nieder. Die Renditen zehnjähriger spanischer Staatsanleihen sind in dieser Woche ebenfalls auf Rekordtiefstände unter 2,5 % gefallen.- Wo kann ein Anleger heute noch 3 % Rendite bekommen, und wie groß ist das Risiko, das er dafür in Kauf nehmen muss?Mit Bundesanleihen ist eine Rendite von 3 % schon länger nicht mehr zu erreichen; die Rendite dreißigjähriger Bundesanleihen ist gestern sogar unter 2 % gefallen. Selbst Termingeschäfte in Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren, die in zehn Jahren starten, erreichen nur noch eine Rendite von bestenfalls 2,5 %. Anlagen mit längerem Horizont weisen aufgrund der inversen Forward-Kurve sogar einen Renditenachteil auf. Im Bereich von Euro-Staatsanleihen müssten Investoren auf kleinere Länder wie Slowenien oder Portugal ausweichen und dabei Laufzeiten von mindestens zehn Jahren akzeptieren.- Und wo gibt es 4 %?Diese Renditeniveaus lassen sich im Euroraum nur mit griechischen Staatsanleihen und Laufzeiten von mindestens fünf Jahren erzielen. Ansonsten werfen neben Staatsanleihen von Ungarn die Hochzinsländer Island, Türkei oder Südafrika Renditen von deutlich über 4 % ab.- Welche Strategien werden Investoren vermutlich anwenden, wenn es mit den Bundrenditen noch weiter nach unten geht?Anleger müssen ihre mittelfristigen Renditeerwartungen weiter nach unten korrigieren. Gleichzeitig dürften Investoren noch stärker auf längere Laufzeiten und schwächere Bonitäten ausweichen. Dies wird der Renditekonvergenz im Euroraum weiter Vorschub geben.—-Das Interview führte Kai Johannsen.