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EZB-Unterstützung für Firmenbonds nimmt ab

Von Carsten Lüdemann *) Börsen-Zeitung, 30.8.2018 Für Unternehmensanleihen ist die erste Jahreshälfte ungünstig verlaufen. Einerseits litten sie unter dem allgemeinen Zinsanstieg, ausgehend von den großen Zentralbanken, die sich zunehmend vom...

EZB-Unterstützung für Firmenbonds nimmt ab

Von Carsten Lüdemann *)Für Unternehmensanleihen ist die erste Jahreshälfte ungünstig verlaufen. Einerseits litten sie unter dem allgemeinen Zinsanstieg, ausgehend von den großen Zentralbanken, die sich zunehmend vom extrem unterstützenden Pfad verabschiedeten. Andererseits haben Investoren eine vorsichtigere Einstellung zu Risiko-Assets entwickelt, was zu einem Teil ebenfalls auf die Notenbanken zurückgeführt werden kann. Zudem haben politische Risiken immer größeren Raum eingenommen, sei es Präsident Trump mit seinen diversen Handelsstreitigkeiten oder die neue italienische Regierung mit ihrem Euro-kritischen Programm.Besonders aber sorgten sich Anleger darüber, wie wohl die Risikoaufschläge der Unternehmensanleihen auf den bevorstehenden Rückzug der Europäischen Zentralbank (EZB) aus ihrem Ankaufprogramm reagieren werden. Daher sind die Spreads im Frühjahr spürbar angestiegen, obwohl die EZB zusicherte, insbesondere das Segment der Unternehmensanleihen weiter stark unterstützen zu wollen, und zunächst den Anteil von Corporates am Gesamtprogramm sogar deutlich erhöht hat. In den vorigen beiden Monaten haben die Notenbanker allerdings ihre Käufe von Unternehmensanleihen merklich reduziert. Zwar ist dies ein saisonübliches Muster, denn in der Ferienzeit lassen die Marktaktivität und damit auch die Neuemissionstätigkeit deutlich nach. Doch in diesem Sommer fielen die Käufe wesentlich geringer aus als in den beiden Jahren zuvor. Erfolgreicher TestAnscheinend testen die Notenbanker die Widerstandsfähigkeit des Marktes. Wenn dem so ist, war der Test erfolgreich, denn in diesem Zeitraum sind die Risikoaufschläge in den betreffenden Anleihen wieder gesunken, obwohl der Markt gleichzeitig von verschiedenen Stressthemen verunsichert wurde. So sind die Spreads auf italienische Staatsanleihen aufgrund der Euro-kritischen Töne im Land zuletzt massiv angesprungen. Auch hat die Finanzkrise in der Türkei bei Emerging-Market-Ländern tiefe Spuren hinterlassen und dabei auch einige Banktitel aus Italien und Spanien schwer belastet. Nicht direkt betroffene Unternehmensanleihen haben sich zu gleicher Zeit dagegen sogar positiv entwickelt. An dieser Stelle scheint sich das Börsen-Bonmot: “Buy the rumor, sell the fact” ein weiteres Mal zu bestätigen.Schon bei Ankündigung des Kaufprogramms für Unternehmensanleihen im März 2016 haben sich die Risikoaufschläge der Bonds stark verringert, weit bevor das Programm überhaupt gestartet war. Und im Frühjahr 2018, als verstärkt über ein baldiges Ende der Käufe spekuliert wurde, sind die Spreads wieder kräftig angestiegen, obwohl die EZB den Markt weiter nach Kräften unterstützte. Jetzt, da die Stützungskäufe tatsächlich deutlich nachlassen, kehrt sich diese Entwicklung wieder teilweise um. Ein ähnlicher Trend konnte auch schon bei Covered Bonds und dabei insbesondere bei deutschen Pfandbriefen beobachtet werden. Nachdem die Notenbanken im Frühling dieses Jahres verkündet hatten, dass sie künftig bei Neuemissionen nur noch maximal 30 % einer Anleihe auf die Bücher nehmen wollten, anstatt bis zu zwei Drittel wie im Vorjahr, ist diese Lücke überraschend schnell von bis dato verdrängten Investoren aufgefüllt worden, allen voran Treasury-Abteilungen der Banken. Sie nutzten nun die zuvor leicht angestiegenen Renditen, um in dieses Marktsegment zurückzukehren.Aktuell zeichnet sich noch eine weitere interessante Entwicklung ab: Titel aus dem Investment-Grade-Bereich, die bisher eigentlich direkt von den Ankäufen der EZB profitieren, entwickeln sich trotz des Rückzugs der Notenbank relativ besser als Namen, die aufgrund ihrer schwachen Krediteinschätzung nicht von der EZB berücksichtigt wurden. Auch dies ist eine Umkehrung der Erfahrungen aus dem Beginn der Notenbankmaßnahmen. Ehemals sind Anleger aus dem Anleihesegment Investment Grade von der EZB vertrieben worden und haben sich auf hochverzinsliche Adressen konzentriert. Dort drückten sie die Renditen sogar relativ stärker als die aus dem EZB-Universum und haben damit die Kreditkurven stark verflacht. Nun kehren anscheinend einige Anleger in das Segment der Investment-Grade-Anleihen zurück, so dass die Renditen für Adressen mit einer schwachen Krediteinstufung deutlich steigen und sich die Kreditkurve wieder normalisiert. Starke Unterstützung bei der zuletzt wieder freundlichen Tendenz haben die Firmen selbst geliefert. Trotz einiger überraschend schwacher Konjunkturdaten in Euroland sind die Geschäftsberichte europäischer Konzerne überwiegend gut ausgefallen. Positiv stechen dabei Firmen aus dem Energie- und Rohstoffbereich hervor, Versorger haben dagegen eher enttäuscht. Für das Gesamtjahr haben die Analysten daraufhin ihre Schätzungen ein wenig nach oben angepasst.Eine für Bondinvestoren eher negative Tendenz zeichnet sich jedoch bei der Nutzung der erzielten Gewinne ab. Anstatt diese im Unternehmen zu investieren oder für Akquisitionen einzusetzen, wurden die Dividendenquoten stark erhöht. Während die Gewinne großer europäischer Unternehmen in diesem Jahr um etwa 7 % zulegen dürften, sind die Dividenden in der ersten Jahreshälfte um etwa die doppelte Quote gesteigert worden. Allein die 30 Dax-Unternehmen haben die Zuwendungen an ihre Aktionäre im ersten Halbjahr um 15 % auf 36 Mrd. Euro erhöht. Noch stärker ist dieser Trend in den USA, wo viele Unternehmen gar Anleihen begeben, um mit dem aufgenommenen Geld Dividenden oder Aktienrückkäufe zu finanzieren. Auf Dauer können Firmen so ausgeblutet werden. Ausgetrockneter MarktIn der sommerlichen Hitze war der Markt für Neuemissionen fast gänzlich ausgetrocknet. In der vorigen Woche haben Banken dann wieder den Markt geöffnet und erfolgreich eigene Anleihen platziert. Von der guten Marktaufnahme ermutigt kehren nun auch verstärkt Industrieunternehmen mit Finanzierungswünschen auf den Markt zurück. Der September dürfte wie in vorherigen Jahren auch wieder einer der stärksten Emissionsmonate werden. Viele Firmen dürften daran interessiert sein, sich das immer noch sehr niedrige Finanzierungsniveau längerfristig zu sichern. Um eine erfolgreiche Marktaufnahme zu gewährleisten, werden bei diesen Bonds zumeist attraktive Neuemissionsprämien im Vergleich zu ausstehenden Altanleihen am Sekundärmarkt gewährt. Und je mehr neue Bonds aufgelegt werden, umso höhere Anreize müssen den Investoren geboten werden – insbesondere, da sich die EZB als Großinvestor aus diesem Markt zurückziehen wird. Ab Oktober sollen die Gesamtkäufe der Notenbank erneut reduziert und zum Jahresende dann gänzlich eingestellt werden. Somit dürften in den kommenden Wochen die Spreads auf Unternehmensanleihen wieder etwas ansteigen. Die erhöhten Risikoaufschläge für Neuemissionen bieten angesichts der guten Geschäftsaussichten großer europäischer Firmen eine attraktive Einstiegsmöglichkeit in den Markt für Unternehmensanleihen.—-*) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.