LEITARTIKEL

Faktoranlage - der dritte Weg

Welches ist der Algorithmus, sozusagen der Heilige Gral der heutigen Anlagewelt, für eine erfolgreiche Anlagestrategie? Richtig, er ist im Auswahlprozedere zu finden, mit dem Aktien für einen Index zusammengestellt werden. Das unter dem Namen Dax...

Faktoranlage - der dritte Weg

Welches ist der Algorithmus, sozusagen der Heilige Gral der heutigen Anlagewelt, für eine erfolgreiche Anlagestrategie? Richtig, er ist im Auswahlprozedere zu finden, mit dem Aktien für einen Index zusammengestellt werden. Das unter dem Namen Dax komponierte Portfolio deutscher Blue Chips bringt es inklusive Dividende im Mittel etwa auf stolze 9 % Rendite im Jahr. Seit 2016 wird der Dax nur noch auf rein quantitativer Grundlage automatisiert erstellt. Marktkapitalisierung und Handelsvolumen geben den Ausschlag für die Aufnahme in den Index. Früher waren noch über den Arbeitskreis Aktienindizes Menschen im Entscheidungsprozess im Spiel, doch auch dort lief die Entscheidung, wer im Index vertreten war, schon weitgehend regelbasiert und systematisch ab. Es lässt sich also sagen: Indizes sind nichts anderes als durch einen einfachen Algorithmus gebildete Aktienportfolios, die im Mittel eine attraktive Rendite bringen, die selbst mit anderen Assetklassen kaum zu schlagen ist.Viele Untersuchungen belegen, dass es fast unmöglich ist, kapitalisierungsgewichtete Indizes durch aktives Anlagemanagement zu schlagen. Wobei hier eine etwas künstliche Trennlinie zwischen “aktiv” und “passiv” gezogen wird. Niemand wird bestreiten, dass Indizes “aktiv” zusammengestellt werden. Bloß ist die Umschlaghäufigkeit in einem Indexportfolio vermutlich geringer als in “aktiven” Fonds. Das Geheimnis des Anlageerfolgs liegt – vereinfacht gesagt – also darin, ein Portfolio regelbasiert und systematisch zu erstellen und in regelmäßigen, aber nicht zu häufigen Intervallen nach den Kriterien Liquidität und Marktkapitalisierung anzupassen.Kein Wunder, dass sogenannte “passive”, also indexabbildende Anlagen (ETF) seit Jahren einen Boom erfahren. Sie sind viel günstiger als “aktive” Fonds und bieten für den jeweils abgebildeten Marktbereich überzeugende Renditen. Der Investor, der darauf setzt, muss aber – für manchen etwas schmerzhaft -, in Kauf nehmen, dass er stets etwas schlechter abschneiden wird, als der Index, der abgebildet wird. Er wird also nie besser sein. Schlechter als der Durchschnitt! Für die Vermögensverwaltungsbranche fast ein Unwort. In diesem Fall bedeutet dies aber, über die Zeit besser zu sein als die meisten “aktiven” Strategien.Nun ist der ETF-Boom zu Recht in Kritik geraten. Dadurch entsteht eine Fixierung vieler Anleger auf kapitalisierungsgewichtete Indizes und damit ausschließlich auf die Auswahlentscheidung von Indexanbietern. Angesichts der Summe investierter Mittel kann diese Fixierung in gewissen Marktsegmenten oder Regionen zu einer Blasenbildung führen, weil dann immer in Werte investiert wird, die bereits besonders stark im Index gewichtet sind. Die Diversifikation ist hier eindeutig mangelhaft.Deshalb ist eine neue Dimension zwischen “aktiv” und “passiv” hinzugekommen. Sie existiert schon lang, hat aber erst im Schatten des “Passiv”-Booms Kontur gewonnen und Fahrt aufgenommen. Gemeint sind sogenannte Smart-Beta- oder Faktor-Strategien. Vereinfacht gesagt geht es darum, einen dritten Weg in der Anlage zu finden. Ungewollte Risiken, die etwa durch ungenügende Diversifikation entstehen, sollen vermieden werden. Dabei wird nicht auf Basis kapitalisierungsgewichteter Indizes investiert, sondern nach ausgewählten Risikogesichtspunkten. Dafür werden Wertpapiere systematisch nach bestimmten Eigenschaften, den Faktoren, ausgewählt. In ihrer klassischen Form sind Faktoren als Wert, Volatilität oder Momentum wissenschaftlich gut dokumentiert und gelten kapitalisierungsgewichteten Ansätzen grundsätzlich als überlegen. Die hohe Leistung von Datenbank- und Analysesoftware macht es heute für Investoren günstiger, solche Analysen auch nach eigenen Vorstellungen, umsetzen. Die Faktor-Exoten blühen bereits!Dieser dritte Weg ist es wert, genauer als bisher unter die Lupe genommen zu werden. Nicht nur, weil Faktoren eine “Überrendite” zu kapitalisierungsgewichteten Indizes versprechen. Über die Frage, ob Faktor-Portfolios dies tatsächlich erreichen, ist in der Branche heftiger Streit ausgebrochen. Es gibt Hinweise, dass hier unrealistische Erwartungen geschürt werden. Genauso wichtig ist aber die Frage, ob durch die Schaffung von Faktor-Indizes neue Benchmarks geschaffen werden können, die den kapitalisierungsgewichteten Pendants überlegen sind, weil sie etwa durch bessere Diversifikation Risiken besser managen. Anleger sollten Faktor-Strategien ernsthaft prüfen und als Versuch eines besseren Risikomanagements verstehen, nicht aber als Garantie für Überrendite.——–Von Dietegen MüllerAnleger sollten Faktor-Strategien als Versuch eines besseren Risikomanagements verstehen, nicht aber als Garantie für Überrendite.——-