GASTBEITRAG

Fehlende Klarheit über Klima-Regulierung belastet die Investitionsbereitschaft

Börsen-Zeitung, 7.6.2016 Von der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Paris vergangenen Dezember ist ein deutliches Signal ausgegangen, eine neue Dynamik ist entstanden. Zugleich gibt es weiter zahlreiche Hindernisse für einen ausreichenden...

Fehlende Klarheit über Klima-Regulierung belastet die Investitionsbereitschaft

Von der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Paris vergangenen Dezember ist ein deutliches Signal ausgegangen, eine neue Dynamik ist entstanden. Zugleich gibt es weiter zahlreiche Hindernisse für einen ausreichenden Klimaschutz. Nächster Schritt ist die Ratifizierung, die am 22. April begonnen hat. Ohne die USA und China werden die Ratifizierungskriterien kaum zu erfüllen sein, da auch nur beim Ausscheren eines dieser Länder ein Dominoeffekt bei anderen Ländern zu erwarten ist.Gerade die Zustimmung der USA erscheint vor dem Hintergrund des dortigen Wahlkampfes unsicher zu sein. Die von Präsident Obama initiierten Emissionsvorgaben für Kraftwerke wurden im Februar vom Obersten Gerichtshof außer Kraft gesetzt, bis über zahlreiche Klagen entschieden ist. Wann dies endgültig geschieht, ist offen. Die zahlreichen aktuellen Krisenherde, die der Politik weltweit dringlicher erscheinen, drängen das Thema Klimaschutz zusätzlich in den Hintergrund. InterpretationsspielraumAuch wurden die im Pariser Abkommen versprochenen nationalen Emissionsminderungen (Nationally Determined Contributions, NDCs) der Einzelstaaten an vielen Stellen nicht hart definiert. Es bleibt genügend Interpretationsspielraum, hinter dem sich Regierungen verstecken und schnelle Entscheidungen aufschieben können. Dabei sind die NDCs bei weitem noch nicht ausreichend, um wie vereinbart deutlich unterhalb von zwei Grad zu bleiben.Um die Risiken des Klimawandels zu begrenzen, ist dieses Ziel dringend geboten. Allerdings würde es erhebliche strukturelle Umwälzungen auslösen: Einzelne Branchen müssten ihre Emissionen stark vermindern, vor allem in den Industrieländern, mit zunächst gravierenden Folgen für Arbeitsplätze und private Haushalte und entsprechendem politischen Gegenwind. Umgekehrt würden bestimmte Branchen profitieren, möglicherweise aber erst auf längere Sicht und nicht unbedingt im eigenen Land. Kein Szenario, das sich Investoren wünschen, die eine langfristig berechenbare Entwicklung bevorzugen. Mit den wirtschaftlichen Folgen könnten sie dabei noch weitaus besser umgehen, weil sich diese in etwa abschätzen lassen würden. Die politische Unsicherheit hingegen ist Gift für Investitionen.Dabei sieht die Vereinbarung von Paris vor, die Klimaziele einschließlich eventueller Nachschärfungen regelmäßig zu überprüfen, wenn auch erst ab 2023. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Regulierung, die sich auf zahlreiche Branchen auswirken wird. Allein Richtung und Ausmaß der Regulierung sind alles andere als klar und lasten schwer auf der Investitionsbereitschaft. Dies ist vor allem für Versicherungen wichtig, da sie in der Kapitalanlage ihre lang laufenden Zahlungsverpflichtungen aus dem Kerngeschäft (Asset-Liability-Management) bedecken möchten. Angesichts des sehr langen Zeithorizonts haben Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit deshalb zwangsläufig höchste Priorität. Druck auf AnlegerIn diesem Zusammenhang wird von Organisationen und Politikern, die sich für die Begrenzung der Erderwärmung einsetzen, Druck auf Kapitalanleger ausgeübt, sich von Wertpapieren zu trennen, wenn sich die entsprechenden Unternehmen an der Förderung oder Verbrennung fossiler Brennstoffe beteiligen. Dabei wird unterstellt, dass sich die Investoren nur unzureichend mit dem Risiko beschäftigt hätten, da es sich um baldige “Stranded Assets” handeln würde.Diese Sorge ist unbegründet. Viel akuter ist das Problem einer “gestrandeten Investition” für Investoren beispielsweise von erneuerbarer Energie, die in Spanien und Italien leidvolle Erfahrungen gemacht haben, als ihnen rückwirkend die Vergütungen gekürzt worden sind. Wer langfristig mit Investoren aus der Privatwirtschaft plant, der darf sie nicht mit attraktiven Konditionen ins Land locken, die dann nach einem vollzogenen Engagement massiv beschnitten werden.Die UN-Klimakonferenz hat noch einmal deutlich gemacht, dass vor einer verbindlichen Verminderung von klimaschädlichen Emissionen die genaue Erfassung und Zuordnung dieser bei den betroffenen Unternehmen steht. Wir haben es mit einem Transparenzproblem zu tun, das wir sukzessive zu lösen ist, von einer befriedigenden Lösung sind wir aber noch weit entfernt. Analyse-Firmen wie MSCI und Morningstar haben jüngst begonnen, ein breites Universum von Anlagefonds nach Nachhaltigkeitskriterien zu beurteilen. Allerdings stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung. Losgelöst davon zeigen diese Initiativen, dass offenbar ein Markt entsteht. Nach dem ersten Schritt der Erfassung und Beurteilung der Nachhaltigkeit folgt dann der zweite der Verhaltensänderung.Bei der Erfassung börsennotierter Gesellschaften hinsichtlich nachhaltiger Anlagekriterien sind wir schon auf einem sehr guten Weg. Unternehmenstitel aus den großen Börsen-Indizes sind gut erschlossen mit Blick auf die nachhaltige Analyse. Weniger gut aufgearbeitet sind die Schwellenländer, aber auch hier sind die Fortschritte absehbar. Der Weg in die Portfolien großer internationaler institutioneller Anleger führt nur über mehr Transparenz.Dies ist im Übrigen auch ein Plädoyer für eine größere Kapitalmarktorientierung, der Druck von Investoren hat deutlich positive Effekte mit Blick auf klimarelevante Aktivitäten. Außerhalb börsennotierter Gesellschaften ist die Standardisierung zum Teil noch nicht so weit fortgeschritten, in Teilbereichen gibt es aber schon sehr positive Signale. Auch bei Infrastrukturinvestments gilt, dass der langfristige Horizont der Investoren mit Blick auf die Risikosituation ein kräftiger Treiber für mehr Transparenz ist. Bedeutung für PrivatkundenAuch wenn in den vergangenen Jahren das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger geworden ist, es ist bei Privatkunden immer noch ein Nischenthema. Während institutionelle Investoren die nachhaltige Analyse als Teil eines ganzheitlichen Managementprozesses betrachten, mit dem Ziel, langfristig ein akzeptables Risikoniveau sicherzustellen, verbinden private Investoren damit häufig ein “grünes” Thema.In der Praxis führt dies beispielsweise zu Investments in eher kleine und mittlere Unternehmen, die in innovativen Segmenten der Energieerzeugung oder der Müllverwertung unterwegs tätig sind und in ihrem Geschäftszweck als “grün”, aber aufgrund eines einseitigen Geschäftsmodells, einer knappen Finanzausstattung oder der intensiven Wettbewerbssituation riskant und damit weniger nachhaltig sind. Auf Ebene der Privatanleger ist also noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Wer allerdings in Investmentfonds großer Gesellschaften investiert ist, kann daher darauf vertrauen, dass der dem Investment zugrunde liegende Selektionsprozess risikobasiert ist und entsprechend auch nachhaltige Kriterien berücksichtigt.Die doppelte Bedeutung eines nachhaltigen Investments kommt besonders in der Kapitalanlage von Stiftungen zum Tragen. Zum einen sind sichere Erträge bei gleichzeitigem Erhalt des Stiftungskapitals die Prämisse jeder Stiftung. Zum anderen soll die Kapitalanlage explizit nachhaltig erfolgen, um damit einen möglichst hohen Gleichklang mit dem Stiftungszweck zu erzeugen.Schon heute ist die Finanzbranche bei klimafreundlichen Investitionen sehr aktiv. Die nachhaltige Einzeltitelanalyse gehört zum Standardrepertoire institutioneller Investoren, sie ist eingebettet in einen übergreifenden Portfolio- und Risikomanagementprozess. Versicherungsanleger wie die Meag können aus der Kernfunktion ihres Konzerns heraus solche Risiken besonders gut einschätzen. Die Finanzbranche ist darüber hinaus gefordert, sich frühzeitig auf veränderte Marktverhältnisse und Regulierungen einzustellen und aktiv ihre Kompetenzen einzubringen, um Teil der Lösung zu sein. So viel ist klar: Die Veränderungen werden kommen.—-Holger Kerzel, Geschäftsführer Meag