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Fiat-Bonds bieten Chance für Neupositionierung

Von Gerhard Wolf *) Börsen-Zeitung, 16.7.2015 Die Schlagzeilen, die Sergio Marchionne in den vorigen Wochen durch seine Annäherungsversuche bei Wettbewerbern verursacht hat, sind nicht spurlos an den Bond-Spreads vorübergegangen. So entwickelten...

Fiat-Bonds bieten Chance für Neupositionierung

Von Gerhard Wolf *)Die Schlagzeilen, die Sergio Marchionne in den vorigen Wochen durch seine Annäherungsversuche bei Wettbewerbern verursacht hat, sind nicht spurlos an den Bond-Spreads vorübergegangen. So entwickelten sich die Anleihen von FCA (die neue Konzernobergesellschaft von Fiat und Chrysler) in den vergangenen Monaten deutlich schlechter als der Gesamtmarkt. Seit Mitte März weisen die Bond-Spreads (gemessen als Risikoaufschlag gegenüber dem Asset Swap) eine deutlich schwächere Entwicklung auf als der Gesamtmarkt. Das gilt für die gesamte Bond-Kurve von Fiat, wobei insbesondere am langen Ende die Spreads derzeit teils über 100 Basispunkte (BP) höher sind. Aber auch das kurze Ende im Bereich von ein bis zwei Jahren musste mit ca. 70 bis 80 BP deutlich Federn lassen. Zwar hat der Gesamtmarkt (Bank of America Merrill Lynch Euro Non-Financial High Yield Index) seit Anfang März, und damit bereits vor der Zinswende der Bundesanleihen, gedreht. Allerdings war die Spreadausweitung mit rund 50 BP deutlich geringer. Es muss also ein Fiat-spezifisches Thema ursächlich für diese Entwicklung sein.Dabei waren Fiat-Bonds in den vergangenen zwölf Monaten noch ein lohnendes Investment. Seit Mitte 2014 bis März 2015 engten sich die Spreads im Mittel um rund 150 BP ein. Hinzu kam die zinsgetriebene Einengung, die in Summe für eine schöne Gesamtperformance sorgte. Der Markt kaufte Marchionnes Story von den Vorteilen des transatlantischen Autokonzerns aus Fiat und Chrysler ab. Im selben Zeitraum blieben die Spreads am Gesamtmarkt dagegen nahezu unverändert auf gleichem Niveau. Warum hat sich nach dieser Outperformance der Markt so deutlich von FCA abgewendet? Ein Erklärungsansatz ist sicherlich, dass nach der starken Spread-Einengung nun eine gewisse Normalisierung und Ernüchterung eingekehrt ist. Ferner gab es in diesem Frühjahr interessante Investmentalternativen im Bondmarkt. Weitere Unternehmen aus dem Automotive-Sektor wie der etablierte Daueremittent Schaeffler oder Debütemittenten wie ZF Friedrichshafen kamen auf den Markt. In einem Umfeld mit geringer Liquidität im Sekundärmarkt beleben Neuemissionen das Geschäft und beeinträchtigen daher die Spreads am Sekundärmarkt eher negativ. Aber auch Anleihen von Peugeot, die schon länger aufgrund der Restrukturierung und der in der Vergangenheit gesicherten Liquidität keine neuen Anleihen mehr begeben, haben sich zuletzt besser entwickelt. Gemischte GefühleNeben diesen markt- und liquiditätsgetriebenen Einflüssen kamen neue fundamentale Themen auf, die Einfluss auf das künftige Geschäftsrisikoprofil von FCA haben. Der Autoabsatz in Brasilien, wo FCA Marktführer ist, entwickelt sich deutlich und nachhaltig schlechter als zuvor erwartet. Hinzu kommen die zuletzt sehr offensiv einsetzenden Annäherungsversuche von FCA-CEO Sergio Marchionne, der – so scheint es – sich mit aller Gewalt mit einem Wettbewerber zusammentun will. Er soll dabei recht unkonventionelle Wege eingeschlagen haben. Neben direkten Mails an die Unternehmenschefs von GM und Ford soll Marchionne auch den direkten Kontakt zu wichtigen und einflussreichen Aktionären gesucht haben. Die Argumente für seine Konsolidierungsbemühungen – Verbesserung der Auslastung, Kostensenkungen, Skaleneffekte – sind durchaus schlüssig und nicht von der Hand zu weisen. Doch der Markt sieht diese Versuche mit gemischten Gefühlen. Zum einen sind frühere Versuche einer Marktbereinigung gescheitert. Die hochgesteckten Erwartungen an Kosteneinsparungen scheitern zumeist oder werden erst sehr viel später erreicht.Zudem wirken die Bemühungen wie ein Akt der Verzweiflung und erzeugen die Frage, warum FCA dies nötig hat? Wie steht es wirklich um das Unternehmen? All dies erzeugt Unsicherheit und sorgt für Spread-Volatilität und Ausweitungstendenzen, zumal der Gesamtmarkt selbst seit März etwas unter Druck steht. Dabei kann der Stratege Marchionne nicht nur Erfolge aus der Vergangenheit, sondern auch aktuell positive Nachrichten vermelden. In den USA läuft das Geschäft für Chrysler gut. Innerhalb der Top 5 wächst FCA am stärksten. Europa entwickelt sich langsam aus dem Tief heraus, auch hier profitiert Fiat stärker als die Wettbewerber. Eine starke Performance zeigt FCA auch im Ausbau seiner heute noch geringen Marktanteile in China, trotz der dort steigenden Risiken aus Wachstumsabschwächung und steigender Wettbewerbsintensität. Viel Geld in der KasseNach der Fusion befindet sich FCA nun im Transformationsprozess seiner Gruppen- und Finanzstruktur. Modelle, Plattformen, Geschäftsprozesse müssen neu definiert und optimiert werden. Der Börsengang von Ferrari steht offensichtlich kurz bevor und dürfte für frisches Geld in der Kasse sorgen. Für die Finanzstruktur und damit auch für Bondinvestoren besonders bedeutsam ist jedoch die Refinanzierung der Chrysler-Schulden. So weist FCA als Konzern eine rekordhohe Kassenposition von aktuell rund 21 Mrd. Euro bei rund 33 Mrd. Euro Schulden aus. Ein Großteil der flüssigen Mittel liegt jedoch bei Chrysler und steht den Schwestergesellschaften und der Holding nicht zur Verfügung. Grund sind Restriktionen in den Kreditverträgen und der Bonddokumentation von Chrysler. Der große Hebel ist daher die frühzeitige Refinanzierung dieser Chrysler-Schulden, um die Restriktionen aufzuheben. Im ersten Schritt wurde bereits ein neuer Konsortialkredit gesichert und der erste von zwei Chrysler-Bonds gekündigt. Der letzte Bond steht im Juni 2016 zur Kündigung an. Danach ist der Weg frei, die bestehenden Kassenmittel der Gesamtgruppe zur Verfügung zu stellen, u.a. für die geplanten hohen Investitionen.Ebenfalls ganz entscheidend für die weitere Risikobeurteilung des Marktes wird die Entwicklung der Profitabilität sein. Eine steigende Auslastung unterstützt dabei, weitere Schritte im Rahmen der Prozessoptimierung sind jedoch nötig. FCA hat in diesem Jahr noch keine Euro-Benchmarkanleihe emittiert. Stattdessen wurden 3 Mrd. Dollar zur Ablösung von Chrysler-Fälligkeiten aufgenommen. Der bislang letzte Euro-Bond wurde im Juli 2014 mit acht Jahren Laufzeit emittiert. Angesichts der bestehenden Finanzverbindlichkeiten in Höhe von ca. 33 Mrd. Euro ist FCA dringend auf den Kapitalmarkt angewiesen. Rund 19 Mrd. Euro werden über Anleihen dargestellt, der wesentliche Rest erfolgt über Bankkredite. Währungsseitig nimmt FCA knapp die Hälfte in Euro auf (ca. 15 Mrd. EUR), rund 11 Mrd. in Dollar und mit deutlichem Abstand rund 4 Mrd. im brasilianischen Real. Die oben genannten Geschäftsrisiken global, branchenseitig und aus der Fusion heraus sehen wir im Vergleich mit allen ausstehenden Anleihen in der Ratingkategorie “BB-“/”B+” als fair bepreist an. Demgegenüber stehen die Chancen aus der Optimierung der Finanzierungsstruktur. Ratingdruck sehen wir kurzfristig nicht. Daher ist die jüngste Schwäche der Bond-Spreads eine Chance für Investoren zur Neupositionierung.—-*) Gerhard Wolf ist Leiter der Gruppe Automotive/Maschinenbau im Corporate Research der Landesbank Baden-Württemberg