IM GESPRÄCH: NATHAN FABIAN

"Finanzplatz könnte zurückfallen"

Der Direktor des Investorennetzwerks PRI über Deutschlands Umgang mit Nachhaltigkeit

"Finanzplatz könnte zurückfallen"

Nathan Fabian, Direktor bei den Prinzipien für verantwortliches Investieren (PRI), die von den Vereinten Nationen unterstützt wird, warnt davor, dass der deutsche Finanzplatz zurückfallen könnte, wenn es darum geht, nachhaltige Anlagen zu erzeugen. Da stehe viel auf dem Spiel, sagt er im Gespräch.Von Dietegen Müller, Frankfurt”Es ist gut, dass es jetzt einen Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung mit 37 Mitgliedern gibt”, sagt Nathan Fabian, Direktor bei den Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren (PRI). Die globale Investorenvereinigung arbeite in einigen ähnlichen Gremien mit, beispielsweise in Brüssel, Paris, London und Tokio. PRI wolle den deutschen Beirat gerne konstruktiv unterstützen. Allerdings ist PRI nicht Mitglied. “Noch ist unklar, welche konkreten Ziele und Maßnahmen damit verbunden sind und ob diese ambitioniert genug sind angesichts der Herausforderungen, die dem Finanzmarkt im Zusammenhang etwa mit dem Klimawandel bevorstehen.” Berlin will Deutschland zum führenden Standort für Sustainable Finance ausbauen, hieß es Ende Februar (vgl. BZ vom 28. Juni). Weniger Erfahrung vorhandenDer deutsche Finanzmarkt komme bisher mit leichtem Gepäck in Fragen der Nachhaltigkeit daher, sagt Fabian, verglichen mit der mittlerweile langjährigen und substanziellen Arbeit im privaten Sektor in den Niederlanden, Frankreich oder Großbritannien. “Die Aufnahme solcher Themen dauert in Deutschland länger, was auch an der Marktstruktur liegt”, so Fabian. Es gebe weniger große Asset Owner auf der Buyside, und die seien die Haupttriebkräfte für die Nachhaltigkeitsentwicklung. Auch die Position der Versicherer sei wichtig. Die Investoren hier werden aber die gleichen, möglicherweise heftigen Umbrüche in Politik und Markt erfahren wie Investoren in anderen Ländern. “Deutschland fühlt sich vielleicht deswegen nicht so wohl mit den Reformen, weil es mit Umsetzung und Erprobung weniger Erfahrung hat.”Fabian zeichnet ein düsteres Bild für den hiesigen Finanzplatz, falls nicht rasch Fortschritte erzielt würden: “Der deutsche Finanzplatz könnte zurückfallen, Kompetenzen verspätet entwickeln, und Nachzügler sein, wenn es darum geht, nachhaltige Assets zu generieren.” Außerdem würden deutsche Assetmanager dann Vermögenswerte in ihren Portfolios haben, die etwa in Bezug auf den Klimawandel ein höheres Risiko bergen und anfälliger für Marktschwankungen seien. “Da steht viel auf dem Spiel”, so der PRI-Direktor.Mit Blick auf neue Regularien, wie beispielsweise Vorgaben zur Offenlegung und zur besseren Integration von ESG-Kriterien in den Risikomanagementprozess, würden diese hier eher als Belastung betrachtet, während sie in anderen Ländern stärker akzeptiert seien und einfacher umgesetzt würden. “Es wird interessant zu sehen, wie weit die Finanzgemeinde, die im Nachhaltigkeitspanel der Bundesregierung vertreten ist, gehen wird.” Es müssten Lösungen gefunden werden, die außerdem auch für Banken und für Unternehmen funktionieren. In Deutschland gebe es zudem viele betriebliche Pensionsfonds. Wenn diese formal auch unabhängig seien, könnten Nachhaltigkeitsstrategien hier mit Interessenskonflikten einhergehen, sagt Fabian.Weltweit haben 2 500 Investoren mit rund 80 Bill. Dollar Assets under Management die Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren unterzeichnet, “also die Mehrheit des privaten Anlagekapitals auf dieser Welt”. Die von PRI durchgeführten Umfragen unter den Unterzeichnern zeigten, “in welchen Teilen der Welt es mehr Bewegung bei dem Thema gebe und wo weniger”.Kapitalsammelstellen, die unabhängige Trustees haben, oder Treuhänder würden sich langfristig verpflichten und nehmen einen längerfristigen Anlagehorizont ein. “Dieser langfristige Ansatz wird in Deutschland aber viel weniger eingenommen als in anderen Ländern”, so Fabian. Im Bereich der ESG-Aspekte – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – zeige sich in Deutschland “eine Lücke, die größer ist als in anderen Finanzzentren wie Paris oder London”. Dort werde die Bedeutung des Klimawandels für die Finanzstabilität insgesamt ernster genommen und im Anlagemarkt als ein substanzielles Risk-Return-Problem auf mittlere Sicht erkannt. “Weder die eine noch die andere Sichtweise ist bei deutschen Investoren gegenwärtig hinreichend akzeptiert”, sagt Fabian. “Dabei ist dieses Bewusstsein in der Bevölkerung offensichtlich ausgeprägter, wie der jüngste Wahlerfolg der Grünen zeigt.”Fabian zufolge habe beispielsweise die Autoindustrie hierzulande bislang keine überzeugende Antwort gegeben, wie sie in zehn Jahren eine Nullemissionsflotte anbieten wolle. Er verweist auf die gerade veröffentlichte Nachhaltigkeitstaxonomie der Europäischen Union, die hier hilfreich sei. Hier würden Kriterien für verschiedene Industrien formuliert, auch für die Autoindustrie, wie sie konsistent mit den Klimazielen von 2050 sein könne. “Investoren können diese Kriterien aufgreifen und Unternehmen fragen, wie deren Geschäftsmodelle damit aussehen, oder deren Argumente dazu anhören, und so besser entscheiden, welches Niveau an Finanzrisiko damit verbunden ist.” “Müssten noch viel mehr tun”Der Australier verteidigt die Taxonomie gegen Kritik, sie greife in den Markt ein. Es handle sich um eine Offenlegungsverpflichtung, verbunden mit einem Instrumentarium. “Die Marktteilnehmer treffen auf dieser Basis ihre eigenen Entscheidungen. Die Befürchtungen, dass sie dabei eingeschränkt würden, gehen zu weit.” Letztendlich entscheide jeder einzelne in seinem eigenen Ermessensspielraum. Wenn der Markt auf diese Weise Nachhaltigkeitsaspekte internalisiere, brauche es keine harten regulatorischen Interventionen, so Fabian. “Wir denken, wir sind für den Markt und dafür, dass die Investoren die Entscheidung vornehmen, und nicht die Politik”, so Fabian und fügt an: “Die Industrie in Deutschland könnte hier ein Innovationstreiber sein. Aber Investoren und Assetmanager müssten hier noch viel mehr tun, um das zu unterstützen.”