Fiskalstreit lähmt den Markt
Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtMit der Fiskalblockade, die in rund zehn Tagen theoretisch zum Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten führen könnte, scheinen die Aktienmärkte eine weitere Klippe relativ unbeschadet umschiffen zu können. Das Chaos in Washington sorgte kurz vor dem Start der Quartalsberichtssaison zwar für Lähmung bzw. dafür, dass sich die Märkte nur seitwärts bewegten oder teilweise leicht abbröckelten. Sonderlich beunruhigt sind die Marktteilnehmer aber offensichtlich nicht, wie der als Angstbarometer geltende Volatilitätsindex VDax zeigt, der zwar anzog, mit zuletzt 17,74 Punkten aber auch nicht gerade Krisenhöhen erreichte. Der Dax lag zuletzt bei 8 623 Zählern, was einem Wochenminus von 0,4 % entsprach. “Genügend Käufer”Die diffuse Unsicherheit über die Vorgänge in Washington laste auf der Stimmung der Anleger, so die Landesbank Baden-Württemberg. Obwohl sie grundsätzlich steigende Kurse an den Börsen erwarteten, hielten sich auch viele Profis mit Käufen zurück. Ihre Hoffnungen auf einen stärkeren Rückschlag, der nochmals attraktive Einstiegskurse bieten würde, seien aber zuletzt stets enttäuscht worden. “Daher dürften sie das Kursniveau, das sie für (Nach-)Käufe ins Auge fassen, sukzessive nach oben angepasst haben. Insofern sollten sich in der aktuellen Unsicherheitsphase genügend Käufer finden, die den Aktienmarkt vor stärkeren Rückgängen bewahren.” Die Hausse in der Breite des Marktes sei unverändert intakt. Hierbei hat der lange geschmähte Euro Stoxx 50 sogar die Führungsrolle übernommen: 46 der 50 Titel seien in Aufwärtstrends, das Chance-Risiko-Verhältnis bleibe damit klar positiv. “Ist in Washington der Staatsfinanzierungs-Crash abgewendet, dürfte sich der Dax auf die positiven Konjunkturperspektiven besinnen und zu neuen Kurshöhen aufschwingen. Die nächste Tausender-Stelle kommt dann schnell in Reichweite.” Messlatte nicht sehr hochAuch die Helaba betonte am Freitag, dass es letztlich auf die Fundamentaldaten und nicht auf die politische Entwicklung in den USA ankommt. Der Haushaltsstreit in den USA habe zu einer merklichen Verunsicherung der Anleger geführt und sichtbare Spuren bei US-Aktien hinterlassen. Gegenüber ihren Höchstständen im September hätten der Dow Jones und der S & P 500 zuletzt gut 4 % bzw. rund 3 % verloren. Dax und Euro Stoxx 50 hätten sich deutlich besser gehalten und notieren nur unwesentlich unterhalb ihrer zyklischen Höchststände. Die seit Jahresmitte zu beobachtende Outperformance von Euro-Titeln halte somit an. Während angesichts der Reife des US-Zyklus die Haushaltskapriolen als Wachstumsrisiko gesehen würden, profitierten Euro-Aktien von der Aussicht auf eine Konjunkturerholung. Allerdings sei inzwischen bereits viel Positives eingepreist. Neue Impulse würden möglicherweise von den anstehenden Zwischenergebnissen der Unternehmen ausgehen. Die Schätzungen für den Gewinnzuwachs der S & P 500-Unternehmen im dritten Quartal seien von 5,5 % im Vorjahresvergleich Anfang Juli auf zuletzt 1,8 % geschrumpft. Damit liege die Messlatte nicht sonderlich hoch.Wichtiger für die mittelfristige Kursperspektive sei allerdings die Frage, ob der negative Revisionstrend gestoppt werden könne. Ohne eine Verbesserung der Gewinnperspektive werde die Luft zunehmend dünner. Schließlich hätten US-Aktien mit einem KGV von 14 inzwischen ein Niveau erreicht, das in der jüngeren Vergangenheit nur während der New-Economy-Blase sichtbar übertroffen worden sei. Das künftige Kurspotenzial beschränke sich somit im Wesentlichen auf das Ausmaß der Unternehmensgewinnzuwächse, die im langfristigen Durchschnitt mit rund 7 % stiegen. Etwas besser sähen die Perspektiven für Euro-Aktien aus. Gewinnsteigerungspotenzial ergebe sich im Zuge der Konjunkturerholung sowohl aus einer Belebung der Unternehmensumsätze als auch aus einer Ausweitung der Gewinnmargen. Solange im US-Haushaltsstreit aber kein Kompromiss gefunden sei, würden die fundamentalen Gegebenheiten wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielen. “Weiter seitwärts”Die Commerzbank sieht der Berichtssaison ehe skeptisch entgegen. Nachdem sich der Dax bei über 8 600 Punkten stabilisiert habe, fehlten derzeit die positiven Impulse von Seiten der Umsätze und Erträge, damit die Kurse am deutschen Aktienmarkt trotz der anhaltenden Sorgen um die Emerging Markets wieder an Fahrt gewinnen könnten. Die Erwartungen für die Gewinne der Dax-Unternehmen in diesem und dem kommenden Jahr hätten sich trotz der besseren Ifo-Geschäftserwartungen noch nicht stabilisiert. “Wir gehen allerdings davon aus, dass der Gewinntrend bis Ende des Jahres drehen wird.Die anstehende Berichtssaison für das dritte Quartal dürfte allerdings eher durchwachsen verlaufen und kaum positive Impulse für den deutschen Aktienmarkt liefern. Denn die Abwertung der Währungen einiger Emerging Markets wie Russland und Brasilien dürfte – wie schon bei Adidas – die Ergebnisse einiger Unternehmen belasten. Deshalb dürfte sich der Dax vorerst weiter seitwärts bewegen.” Die Berichtssaison wird am Dienstag vom US-Aluminiumkonzern Alcoa eröffnet.