Flaute setzt Börsenbetreiberaktien zu

Schuldenkrise und niedrige Volatilität lassen Handelsvolumina schmelzen - Deutsche Börse günstig bewertet

Flaute setzt Börsenbetreiberaktien zu

Börsenbetreiberaktien haben die Investoren im laufenden Jahr zum Teil stark enttäuscht. Nach einem sehr festen Start sind ihre Notierungen seit dem Frühjahr deutlich zurückgefallen. Hauptursache ist die Verunsicherung durch die Staatsschuldenkrise, welche zu deutlich gesunkenen Handelsumsätzen geführt hat.Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtMit deutlich steigenden Kursen haben die Aktien der Börsenbetreiber auf die am Donnerstag von der Europäischen Zentralbank (EZB) angekündigten Staatsanleihekäufe reagiert. Gemessen am Dow Jones Global Exchanges haben sie seither um bis zu 4 % zugelegt. Treiber der Entwicklung ist die Hoffnung auf eine Entspannung in der Schuldenkrise bzw. darauf, dass sich nun der Börsenhandel aus der seit Monaten anhaltenden Flaute befreien kann. Den Aufschwung können die Börsenaktien gut gebrauchen. Denn im bisherigen Jahresverlauf haben sie ihre Halter zumeist enttäuscht. Nach einem starken Start und einem Anstieg von bis zu 19 % sackte der Branchenindex im Frühjahr ab. Vor der Ankündigung der EZB wies er ein Plus von nur noch 3 % auf.Die Aktien leiden unter einer ausgeprägten Handelsflaute. Zum einen halten sich die Marktteilnehmer aufgrund der Staatsschuldenkrise mit Engagements zurück, zum anderen ist auch noch die Volatilität deutlich geringer als im Vorjahr. Im August erreichten die Handelsumsätze mit kräftigen Einbrüchen im Vorjahresvergleich einen weiteren Tiefpunkt. So war das Volumen im Xetra-Handel im Vergleich zum August 2011 um 54 % niedriger, was zum Teil aber auch durch die Verschärfung der Schuldenkrise vor einem Jahr bzw. die dadurch bedingte Volatilität, die die Umsätze aufblähte, zu erklären ist. Ähnlich sieht die Entwicklung bei anderen Börsen weltweit aus. Beim Chicagoer Derivateriesen CME ist das Volumen gegenüber dem Vorjahr um 40 % gefallen, bei der SIX Swiss Exchange um 47 % und bei der Australian Securities Exchange um 38 %. In den Zahlen der Börsenbetreiber hinterlässt die Flaute tiefe Spuren. So wiesen die CME Group und Nyse Euronext für das erste Halbjahr um 13 % bzw. 21 % gesunkene operative Ergebnisse aus. Das Ebit (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) der Deutschen Börse sank um 10 % auf 539 Mill. Euro, was den Frankfurter Marktbetreiber zu der Erklärung veranlasste, dass er möglicherweise sein Jahresziel von 1,2 Mrd. bis 1,35 Mrd. Euro verfehlen wird. Nach den sehr schwachen Handelsumsätzen von Juli und August wird das wohl nicht mehr zu verhindern sein. Harter WettbewerbDie Flaute trifft eine Branche, die ohnehin schon mit Problemen zu kämpfen hat. So leiden die Aktienbörsen dies- und jenseits des Atlantiks unter einem harten Wettbewerb seitens neuer, alternativer Handelsplattformen, die ihnen Marktanteile entrissen und zudem über erzwungene Preiszugeständnisse auch Druck auf die Margen ausgeübt haben. Hinzu kommt die nach wie vor zunehmende Neigung der Finanzbranche, Transaktionen zu internalisieren und auf außerbörslichen Plattformen zu handeln. Zudem bestehen nur noch geringe Chancen für Übernahmen und Fusionen, wie drei gescheiterte Projekte im zurückliegenden Jahr, darunter der geplante Zusammenschluss von Deutscher Börse und Nyse Euronext, zeigen. Die Übernahme der London Metal Exchange durch Hongkong Exchanges and Clearing wird für lange Zeit eine Ausnahme bleiben. Hoffnungswert RegulierungGroße Hoffnungen knüpfen europäische und US-Börsenbetreiber an regulatorische Veränderungen. So wird z. B. sowohl in den USA als auch in Europa die Verrechnung außerbörslicher Derivatetransaktionen, soweit eine hinreichende Standardisierbarkeit gegeben ist, über zentrale Clearing-Stellen bald Pflicht sein. Allerdings ist dies ein hart umkämpfter Markt, in dem bereits einige Börsen und Clearing-Häuser aktiv sind und weitere Mitspieler noch einsteigen werden. Ob damit das große Geld zu machen ist, ist derzeit alles andere als sicher.Letztlich kann das von regulatorischen Veränderungen ausgehende potenzielle Neugeschäft das Kerngeschäft auch nicht im Ansatz ersetzen, sodass eine Erholung der Ergebnisse der Börsenbetreiber und damit eine positive Kursentwicklung ihrer Aktien eine Wiederbelebung der Handelsumsätze zwingend voraussetzt. Günstig bewertete Titel des Sektors würden dann stark anziehen. Gerade die Deutsche Börse ist in dieser Hinsicht ein vielversprechender Kandidat. Das Unternehmen ist der weltweit am besten diversifizierte Börsenbetreiber und nach Geschäftsumfang die Nummer 1 der Branche, verfügt mit Clearstream und Eurex über zwei globale Standbeine und schlägt die Wettbewerber auch auf der Bewertungsseite. Die Aktie weist das zweitniedrigste Kurs-Gewinn-Verhältnis und außerdem noch die dritthöchste Dividendenrendite des Sektors auf.