Franklin Templeton: Renditen der US-Staatsanleihen steigen

Erhöhter Kreditbedarf, Rückgang der Staatsanleihekäufe und steigende Inflation als Treiber angesehen - Protektionismus und Nationalismus im Blick

Franklin Templeton: Renditen der US-Staatsanleihen steigen

kjo Frankfurt – Ein Jahrzehnt nach dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Finanzmärkte gerade erst begonnen, die durch das massive quantitative Lockerungsprogramm (QE) der US-Notenbank (Fed) verursachten Verzerrungen der Vermögenspreise zu korrigieren. Das QE-Programm war ursprünglich eingeführt worden, um die Finanzmärkte während der Krise zu stabilisieren. Was jedoch als begrenzter Eingriff zur Stützung der Märkte begann, wurde immer mehr erweitert und entwickelte sich so zu einem fortlaufenden Unterfangen. Hierdurch gelang es, die Anleiherenditen zu drücken und die Kurse von Vermögenswerten in die Höhe zu treiben. Zahlreiche Anleger wurden in risikoreichere Anlagen umgelenkt, während gleichzeitig die Kapitalkosten künstlich niedrig gehalten wurden. Die fortgesetzte quantitative Lockerung hatte jedoch ebenfalls kontinuierliche Preisverzerrungen bei Anleihen und Aktien zur Folge, während gleichzeitig Anreize für eine Hebelung gesetzt wurden. Die Selbstzufriedenheit von Anlegern, die die anhaltend niedrigen Renditen und die Funktion der Fed als “Käufer der letzten Instanz” als dauerhafte Lösung zu betrachten schienen, wurde belohnt. Erhebliche AuswirkungenDiese Bedingungen sind nach Einschätzung von Michael Hasenstab, Chief Investment Officer und Portfoliomanager bei Franklin Templeton Investments, jedoch weder normal noch dauerhaft. “Wir gehen davon aus, dass die Abkehr von QE im kommenden Jahr erhebliche Auswirkungen auf sowohl Renten- als auch Aktienmärkte haben dürfte. Erst im Oktober 2018 konnten wir beobachten, wie die Renten- und Aktienmärkte gleichzeitig in die Knie gingen, während die Zinsen stiegen. Dies mag auf den ersten Blick wie eine Anomalie erscheinen. Da Anleihen und Aktien jedoch gleichermaßen durch die Eingriffe der Fed gestützt wurden, sind sie im Zuge der geldpolitischen Kehrtwende der Fed gegenläufigen Effekten gegenüber auch gleichermaßen anfällig”, führt Hasenstab aus. Dies seien die Arten von Bewertungskorrekturen, die zu erwarten seien, während die künstlichen Effekte einer ausgedehnten geldpolitischen Lockerung abgebaut werden. Anleger, die nicht auf gleichzeitige Kurskorrekturen bei US-Staatsanleihen und anderen Anlageklassen im Jahr 2019 vorbereitet seien, könnten unbeabsichtigten Risiken ausgesetzt sein.Drei Schlüsselfaktoren führen nach Einschätzung von Hasenstab in ihrer Kombination dazu, dass die Renditen auf US-Staatsanleihen ansteigen dürften: der erhöhte Kreditbedarf der US-Regierung, ein Rückgang der Staatsanleihenkäufe durch die Fed und ausländische Regierungen sowie steigender Inflationsdruck. “Der erste Sturm, der sich am Horizont bereits zusammenbraut, ist das wachsende US-Haushaltsdefizit. Unserer Analyse zufolge wird das Haushaltsdefizit aufgrund der erhöhten Ausgaben der Trump-Regierung, kombiniert mit Steuersenkungen und laufenden obligatorischen Ausgaben, voraussichtlich auf die Marke von 5 % des Bruttoinlandsprodukts zusteuern. Hierdurch steigt der bereits hohe Kreditbedarf der Regierung”, sagt Hasenstab.Der zweite Sturm betreffe die rückläufige offizielle Kaufnachfrage – sowohl im Inland der USA durch die Fed, während diese ihr QE-Programm abwickele, als auch durch ausländische Regierungen. Hierdurch tue sich eine große Finanzierungslücke auf, die durch preisempfindliche Anleger geschlossen werden müsse. Um die Differenz zu überbrücken, müssten diese ihre Käufe gegenüber dem aktuellen Niveau ungefähr verdreifachen. Geringere Kaufvolumina und ein höheres Angebot würden bedeuten, dass die Renditen steigen müssen, um ein neues Gleichgewichtsniveau zu erreichen. Lohndruck nimmt zu”Diese beiden Faktoren allein wären wahrscheinlich schon ausreichend, um die Renditen in die Höhe zu treiben. Allerdings zieht noch ein dritter Sturm in der Form von Inflation auf”, ergänzt der Experte. Der Lohndruck nehme aufgrund der außerordentlichen Stärke des US-Arbeitsmarkts und des Mangels an sowohl qualifizierten als auch unqualifizierten Arbeitskräften in bestimmten Sektoren zu. Zusätzlich beschränkt werde das Angebot an verfügbaren Arbeitskräften durch die von der Trump-Regierung eingeführten Beschränkungen für sowohl die legale als auch die illegale Einwanderung. “Darüber hinaus wurde mit spätzyklischen fiskalpolitischen Konjunkturmaßnahmen, Deregulierung und Steuersenkungen die bereits starke Wirtschaft weiter angeregt. Zudem dürften sektorspezifische Zölle die Kosten für Verbraucher erhöhen. All diese Bedingungen werden unserer Einschätzung nach inflationäre Folgen haben. In Anbetracht des aktuellen Umfelds dürfte die Fed ihre Zinserhöhungen fortsetzen und 2019 den neutralen Satz erreichen”, sagt Hasenstab. Zusammengenommen würden alle vorstehend genannten Faktoren einen perfekten Zinsdrucksturm bilden, der laut Hasenstab im kommenden Jahr für steigende Renditen bei US-Staatsanleihen sorgen sollte. Politische RisikenEin weiteres Risiko, das Anleger womöglich übersehen, betreffe die zunehmenden politischen und strukturellen Risiken in Europa. “Noch vor fünf Jahren konzentrierten sich europäische Wähler vor allem auf traditionelle Themen wie die Wirtschaft, Haushaltsausgaben und die Arbeitslosigkeit. Heute deuten Umfragen der Europäischen Kommission darauf hin, dass sich Wähler sehr viel größere Sorgen um Themen wie Immigration und Terrorismus machen. Diese Schwerpunktverschiebung spiegelt sich auch in der politischen Landschaft wider. Die Unterstützung für rechtsextreme nationalistische Parteien hat in mehreren Ländern der Eurozone zugenommen, insbesondere in Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich”, führt der Experte aus.Außerhalb des Euroraums seien Länder wie Ungarn, Polen und die Tschechische Republik noch weiter in Richtung Protektionismus und rechtsextremer Nationalismus abgeglitten. Sie errichteten Barrieren und orientierten sich in ihrer Regierungsführung eher am russischen Vorbild als am Ansatz der Europäischen Union (EU). Dies sei im Hinblick auf die europäische Integration ein besorgniserregender Trend, da bei stärker nach innen gerichteten Regierungen eine enge zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Krisenzeiten weniger wahrscheinlich werde. “Derzeit lassen sich die politischen und strukturellen Risiken in Europa vor allem in Italien beobachten, wo die sehr gegensätzlichen politischen Parteien, die die Regierungskoalition bilden, in Bereichen wie Euroskeptizismus, Protektionismus und Erhöhung der Haushaltsausgaben eine gemeinsame Basis gefunden haben. Die größte Sorge für Europa betrifft das Risiko, dass sich italienische Schuldtitel unserer Analyse zufolge bei einer Rendite von ca. 3,6 % auf zehnjährige Papiere als nicht länger haltbar erweisen dürften. Auch wenn keine Krise unmittelbar bevorsteht, erscheint es sehr viel weniger wahrscheinlich, dass die EU Italien mit vereinten Kräften rettet, so wie es 2011 im Zuge der Griechenlandkrise der Fall war”, meint Hasenstab. Weniger Zusammenhalt2011 habe der politische Zusammenhalt gerade noch ausgereicht, um die Union vor einem Auseinanderbrechen zu bewahren. Damals aber seien die Staats- und Regierungschefs vor allem auf das größere Wohl bedacht gewesen. Heute hingegen würden sehr viel weniger Machtinhaber diese Denkweise teilen. “Alles in allem ist es unserer Einschätzung nach durchaus möglich, dass Anleger das volle Ausmaß der potenziellen Risiken in Europa unterschätzen. Wir gehen davon aus, dass der Euro im kommenden Jahr auch weiterhin gegenüber ungeklärten strukturellen und politischen Risiken anfällig sein wird”, sagt er.