IM PORTRÄT

Frei wie ein Narr

Bill Gross lässt sich nicht verbiegen. Das führte bei Pimco zu Streit. Bei Janus Capital blüht er auf.

Frei wie ein Narr

Von Jan SchraderEigentlich ist vieles beim Alten geblieben: Einmal im Monat schreibt William (“Bill”) Gross ein launisches Pamphlet zu den Marktaussichten, das er mitunter mit Anekdoten aus seinem Alltag schmückt. Jüngst ließ er die Investorenschar wissen, dass er im Flugzeug bei Turbulenzen niemals bete. Er frage sich, warum der Allmächtige ausgerechnet jenen einen Gefallen tun solle, die besonders intensiv nach ihm rufen, schreibt er da. Dann spannt er den Bogen zu den Gebeten aus seiner Kindheit, als er auch die etwas herb riechende Katze (“Stinky”) seines Bruders in seine Worte an den Herrn mit einschloss. Gross wagt noch einen Umweg über das “Vater unser”, ehe er endlich auf die Märkte eingeht. Nach einem unsicheren Flug durch die Bondmärkte halte er das Lenkrad wieder etwas fester, so wie bei einer Autofahrt nach einem turbulenten Flug. So sei das Leben.Ähnlich viel Narrenfreiheit nahm sich der bekannte Anleihenmanager, der in den Medien etwa schon als “Bondkönig”, “Anleihen-Guru”, “Investmentlegende” und “Starinvestor” überhöht wurde, auch bei Pimco – jener Fondsgesellschaft, die er über viele Jahre geprägt hatte, ehe er vor einem Jahr das US-Unternehmen mit Sitz in Newport Beach in Kalifornien verließ und zur sehr viel kleineren Janus Capital Group wechselte. Schon bei Pimco schrieb er im Investment Outlook nicht nur über Notenbankpolitik und Märkte, sondern streute immer wieder Anekdoten ein. Seine Leserschaft weiß, dass er kein Handy besitzt und lieber die Realität außerhalb eines Computers oder Mobiltelefons kennenlernt. Nun ist auch bekannt, dass Bill Gross Krähen nicht mag, während seine Frau Sue sich vor Insekten fürchtet, insbesondere jenen mit besonders vielen Beinen. Gross mag es zu nießen, er denkt darüber nach, wie andere ihn wohl wahrnehmen, und er schämt sich, mit einem vietnamesischen Taxifahrer, der seine Eltern im Vietnamkrieg verloren hat, über seine eigene Rolle in dem Krieg zu sprechen – Gross war damals als Mitglied der Navy beteiligt. Als Autor nimmt er sich viele Freiheiten. Vielleicht war es die Haltung, vieles tun und lassen zu können, die sein Ende bei Pimco beschleunigt hatte. Der 71-Jährige, der die heutige Allianz-Tochter anno 1971 mitgegründet hatte, war immerhin für ein dreistelliges Milliardenvermögen im “Pimco Total Return” verantwortlich, dem zeitweise weltgrößten Publikumsfonds. Als Co-Investmentchef prägte er die Marktmeinung der Gesellschaft darüber hinaus entscheidend. Weil er in der Vergangenheit erfolgreich war und sich die Pacific Investment Management Company zu einem der größten Bondmanager weltweit mauserte, stieg auch die Bekanntheit von Bill Gross. Kritisch wurde es für den Investmentchef, als der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke im Mai 2013 für die Geldpolitik eine Drosslung der Anleihekäufe ins Spiel brachte. Investoren zogen daraufhin Mittel aus dem “Total Return” ab. Die Abflüsse setzten sich fort, als der damalige Chief Executive Officer und zweite Co-Investmentchef, Mohamed El-Erian, im März 2014 die Gesellschaft verließ, offenbar nach heftigem Streit mit Gross. “I’m tired of cleaning up your shit” habe er vor anderen Mitarbeitern zu Gross gesagt, war damals im “Wall Street Journal” unter Berufung auf beteiligte Mitarbeiter zu lesen. Demnach hatte Gross zuvor damit geprallt, einen 41-jährigen Track Record zu besitzen, der sein außergewöhnliches Talent unter Beweis stelle. “Was hast Du zu bieten?”, raunzte er El-Erian demnach an. Teils willkürlich, teils herablassend habe Gross agiert, wie der Bericht anhand weiterer Beispiele nahelegt. Am 26. September 2014 verließ der Fondsmanager das Unternehmen dann plötzlich. Seither haben Anleger weitere Mittel abgezogen. Der “Pimco Total Return”, im April 2013 noch 293 Mrd. Dollar schwer, brachte Ende August mit 98 Mrd. Dollar nur noch ein Drittel des damaligen Gewichts auf die Waage. Zeit zu gehenZu seinem Weggang hielt sich Gross bedeckt. Langsam und mit großer Verzögerung habe er einsehen müssen, dass es Zeit war zu gehen. Das schrieb er im Oktober 2014 im Vorwort seines ersten Investment Outlook bei Janus Capital. Bis zu seinem “letzten Atemzug” wäre er beim Pimco geblieben, hätte es dafür nur einen vernünftigen Grund gegeben. Pimco sei eine großartige Firma, der Versicherungskonzern Allianz ein feiner Eigentümer, schrieb er weiter. “Lasst uns jetzt über die Zukunft reden.” Im Bericht ließ er wissen, dass seine Frau ihn nach 30 Jahren Ehe erstmals zu einem Tanz aufgefordert habe. Nun sei das Bild ihrer Partnerschaft perfekt. Schade nur, dass es ein solches märchenhaftes Ende nicht auch für die Märkte gebe, schrieb Gross.Dem Manager kam zugute, dass er Dick Weil, den Chef von Janus Capital, gut kannte. Zwei Jahrzehnte währte bereits die Verbindung, ein Jahrzehnt davon habe Weil bei Pimco als Chief Operating Officer verbracht, berichtet Gross. Die Möglichkeit, einen so bekannten Fondsmanager wie Gross an Land zu ziehen, ließ sich Weil nicht entgehen. Mit einem enthusiastischen “Ja” habe er auf die Frage geantwortet, ob Janus Capital einen Platz für ihn habe, berichtet Gross. Nun verwaltet er den “Janus Global Unconstrained Bond Fund” gemeinsam mit einem anderen Fondsmanager. Gerade einmal 1,5 Mrd. Dollar liegen in dem Fonds, ein Klacks im Vergleich zu den Summen, die Gross einst gesteuert hat.Pimco präsentiert sich heute etwas anders: Mit dem Werbespruch “Wir sind Pimco” unterstreicht die Fondsgesellschaft ihren Anspruch, nicht allein mit einzelnen Köpfen assoziiert zu werden, sondern als Gruppe aufzutreten. Mit dem nunmehr ehemaligen Notenbankchef Ben Bernanke, der bei der Fondsgesellschaft als Berater einsteigt, hat Pimco im Frühjahr aber wieder eine namhafte Person finden können. Doch hatte die Gesellschaft seither auch mit weiteren Rückschlägen zu kämpfen, etwa dem Weggang der Aktienchefin Virginie Maisonneuve, die das Geschäft mit aktiven Aktienfonds ausbauen sollte. Vor allem hat die Gesellschaft im Zuge des Gross-Debakels etliche Mittel verloren und ist geschrumpft. Verwaltete die Allianz-Tochter im März 2013 noch 2,04 Bill. Dollar, ist das Vermögen bis Ende Juni dieses Jahres auf 1,52 Bill. Dollar gefallen. Aus Fonds und Mandaten, die der Allianz-Konzern und damit auch Pimco für andere Anleger aufgelegt hat, flossen 2014 unterm Strich umgerechnet 226 Mrd. Euro ab, vor allem nach dem Weggang von Bill Gross. Weil der zweiten Fondsgesellschaft im Konzern, Allianz Global Investors, netto sogar Anlegermittel zuflossen, dürfte das Minus bei den Kaliforniern sogar noch größer gewesen sein. Im laufenden Jahr setzten sich die Abflüsse mit konzernweit netto 62 Mrd. Euro im Startquartal und 23 Mrd. Euro im zweiten Viertel weiter fort. Am 6. November, mit der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal, wird sich zeigen, ob Pimco den Schock endlich überwunden hat, wie die Allianz hofft.All das dürfte Gross nicht mehr allzu stark belasten. Die Einladung von Janus-Chef Weil vergleicht er mit einer Aufforderung zum Tanz – ein Hinweis darauf, dass er sein Schaffen bei Janus als das letzte Puzzlestück ansieht, das das Bild seiner Karriere vollendet.—– 98 Mrd. Dollarlagen Ende August im “Pimco Total Return”, der früher von Fondsmanager Bill Gross geführt wurde. Im April 2013 war der einst weltgrößte Publikumsfonds 293 Mrd. Dollar schwer. Auch die Allianz-Tochter Pimco hat Federn gelassen. Das verwaltete Vermögen sank von 2,04 Bill. Dollar im März 2013 auf 1,52 Bill. Dollar zur Jahresmitte.