Frenetischer Auftakt für Tech-Titel
Am neuen Technologiesegment der Börse Schanghai haben am ersten Handelstag die 25 neuen Titel durchweg mit Kursgewinnen zwischen 84 und 400 % geschlossen. Die Resonanz der Anleger ist noch weit höher als erwartet ausgefallen. Nun drohen empfindliche Kurskorrekturen nach der ersten Euphorie. nh Schanghai – Der erste Handelstag an Chinas neuem Technologiebörsensegment Star Market hat alle Erwartungen übertroffen. Die Begeisterung der chinesischen Anleger für die ersten Werte auf der neuen Plattform für Initial Public Offerings (IPOs) scheint keine Grenzen zu kennen. Fast alle 25 chinesischen Debütanten, die am Montag an den Start gekommen waren, sahen ihre Kurse nach dem ersten Handelstag mehr als verdoppelt. Im Durchschnitt schossen die Kurse der 25 Werte um 140 % über den Emissionspreis hinaus. Dies entspreche einem kombinierten Marktwert von umgerechnet rund 39 Mrd. Euro.Als Shooting Star erwies sich Anji Microelectronics Technology, deren Titel in der Spitze um 520 % zulegten und den ersten Handelstag mit einem Plus von 440 % beendeten. Dementsprechend kommt die Gesellschaft nun auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 242 auf Basis der im Jahr 2018 erzielten Gewinne. Am anderen Ende des Spektrums stürzte der Kurs von Suzhou Harmontronics anfänglich zwar um 30 % ab, ging schließlich aber knapp 95 % über dem Emissionspreis aus dem Handel. Die schwächste Performance unter den 25 Werten erlebte Harbin Xinguang Optic-Electronics mit einem Plus von noch immer 84 %. Test für IPO-ReformDer Star Market ist eine neue Handelsplattform, über die chinesische Technologieunternehmen unter vereinfachten Regularien und Zugangsvoraussetzungen an die Börse gehen können. Das neue Marktsegment gilt als ein Test für ein neues IPO-Regime im Reich der Mitte. Erstmals wird auf das an westlichen Börsen übliche sogenannte Registrierungsverfahren abgestützt, bei dem IPO-Kandidaten im Abgleich mit Emissionsbegleitern und mit der Anlegernachfrage die Preissetzung frei bestimmen können. Damit findet sich ein starker Kontrast zu den herkömmlichen IPO-Usancen an Chinas Festlandbörsen, wo die Regulatoren aus Aspekten des Anlegerschutzes wie auch der Marktschonung heraus Börsengänge nur sehr selektiv zulassen und das Preissetzungsverfahren stark überformen.So dürfen Börsenneulinge an den herkömmlichen Marktsegmenten in Schanghai und Shenzhen nur mit einem maximalen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 23 an den Start. Da Initial Public Offerings an den Festlandbörsen knappe Ware sind und die Anleger mit einer von oben verordneten Unterbewertung rechnen, sind auch bislang hohe Kursschübe für Neuemittenten gang und gäbe gewesen. Allerdings gilt bei herkömmlichen IPOs eine Begrenzung für den Kursanstieg am ersten Handelstag von 44 %. Danach gilt dann das an den Festlandbörsen übliche Limit für tägliche Kursausschläge von 10 %. Größere ToleranzBeim Star Market hingegen dürfen die Kurse am ersten Handelstag frei schwanken, allerdings kommt es jeweils zu einer zehnminütigen Aussetzung, falls Werte um mehr als 30 % vom Eröffnungskurs abweichen oder sich intraday um mehr als 60 % bewegen. Für den regulären Handel gilt nun ein tägliches Limit für Kursbewegungen von 20 %, also einer im Vergleich zum Hauptmarkt in Schanghai und Shenzhen verdoppelten Schwankungsbreite.Während die Experten mit einer starken Resonanz der chinesischen Anleger auf die neuen Tech-Sektor-IPOs gerechnet hatten, übertrifft das Kursfeuerwerk am ersten Handelstag die Erwartungen. So hatten Analysten den durchschnittlichen Kursanstieg für die 25 Werte auf eine Größenordnung zwischen 30 % und 60 % veranschlagt und auch damit gerechnet, dass einige Emittenten für besonders ambitiöse Preissetzungen beziehungsweise hohe Bewertungsrelationen abgestraft wurden.Auch hier sieht man sich zunächst allerdings getäuscht. So hatte beispielsweise Advanced Micro-Fabrication Equipment, ein Ausrüster, der Testgeräte für die Halbleiterindustrie herstellt, den Emissionspreis auf ein KGV vom 171 bezogen auf den erzielten Gewinn ausgerichtet, was eindeutig nach “overpricing” riecht. Das hinderte die Aktie aber nicht daran, am ersten Handelstag in der Spitze um bis zu 331 % zuzulegen. Extrem hohe ÜberzeichnungDie große Frage ist nun, inwieweit sich die Begeisterung für die neuen heimischen Technologiewerte in den nächsten Tagen und Wochen nivelliert. Angesichts einer durchschnittlichen Überzeichnungsrate der 25 Emissionen um das 1700-fache Volumen scheint es grenzenlose Nachfrage für die Börsenneulinge zu geben, andererseits dürften rasch Gewinnmitnahmeeffekte einsetzen. Für die kommenden Tage rechnen die Experten entsprechend mit einem sehr volatilen Handel und auch stärkeren Korrekturen bei einigen Werten.Für die chinesischen Regulatoren ist die euphorische Resonanz der heimischen Anleger auf die neue IPO-Plattform eine große Genugtuung. Doch dürfte nun auch die Sorge vor einem extrem volatilen Markt und wilden Spekulationsschüben umgehen. Angesichts der Anfälligkeit der chinesischen Aktienmärkte für Panikwellen gilt es einen regelrechten Absturz des Marktes zu verhindern und den Weg für weitere Emittenten zu ebnen. So gibt es bereits 120 weitere chinesische Tech-Unternehmen, die ihr Interesse an einem Listing im Star Market angemeldet haben, von denen Dutzende im Lauf der zweiten Jahreshälfte in den Handel kommen dürften.