Marktausblick

Freundlicher Sommer – mauer Herbst?

Der ausgebremste Renditeanstieg verhilft Aktien- und Credit-Märkten wohl zu einem angenehmen Sommer. Bis zu den richtungsweisenden Entscheidungen der Fed zum Tapering ihrer Anleihekäufe wird es wohl auch bei stabilen Renditen bleiben....

Freundlicher Sommer – mauer Herbst?

Der ausgebremste Renditeanstieg verhilft Aktien- und Credit-Märkten wohl zu einem angenehmen Sommer. Bis zu den richtungsweisenden Entscheidungen der Fed zum Tapering ihrer Anleihekäufe wird es wohl auch bei stabilen Renditen bleiben. Konjunkturdaten – etwa die Entwicklung am US-Arbeitsmarkt – und Hinweise darauf, ob die Lieferengpässe bei Vorleistungsgütern nachlassen, werden aber in den nächsten Wochen aufmerksam verfolgt werden. Diese bergen somit das Potenzial, den Kapitalmärkten auch im Sommer neue Impulse – nach oben, wie nach unten – zu geben.

Wir gehen davon aus, dass fallende Renditen bei länger laufenden US-Trea­suries nur temporärer Natur sind und rechnen mit erneut steigender Verzinsung spätestens im Herbst. Während sich für Aktien damit das Goldilocks-Szenario über den Sommer hinweg fortsetzt, drohen im Herbst mit höheren Renditen und Zinserwartungen auch größere Rücksetzer.

Suche nach sicheren Häfen

Einzelne enttäuschende Konjunkturdatenpunkte haben zusammen mit dem kleiner als erhofft ausgefallenen dritten Fiskalpaket der Biden-Administration und höheren Corona-Infektionszahlen zuletzt bereits ausgereicht, um am Kapitalmarkt die Suche nach sicheren Häfen in niedrigere Verzinsungen von Bunds und US-Treasuries münden zu lassen. Von 1,65% Mitte Mai fielen die Renditen zehnjähriger Laufzeiten für letztgenannte in den letzten Tagen temporär sogar unter 1,30%. Angesichts immer ambitionierterer Wachstumserwartungen ist die Entwicklung wenig überraschend. In der Tat wurden die BIP-Prognosen für das Jahr 2021 in den letzten Monaten derart in die Höhe geschraubt, dass enttäuschende Datenpunkte die fast schon logische Konsequenz waren. Die US-Wirtschaft wird im zweiten Quartal wohl mit annualisiert mehr als 10% wachsen und im Gesamtjahr mehr als 6% zulegen. China wird gar mehr als 8% wachsen. Dass die Lohnersatzleistungen für US-Beschäftigte die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme reduziert und Unternehmen die Stellenbesetzung erschwert haben, war ebenfalls hinlänglich bekannt. Auch wenn die 567000 Stellen, die in den vergangenen drei Monaten durchschnittlich außerhalb der Landwirtschaft monatlich besetzt wurden, unter den Erwartungen lagen, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass zum einen der US-Arbeitsmarkt weiter im dynamischen Aufwind ist und zum anderen die Unternehmen nach wie vor händeringend neues Personal suchen und mit höheren Löhnen locken. Die Lohn-Preis-Spirale ist in den Vereinigten Staaten längst in Gang gekommen! Da inzwischen die meisten US-Bundesstaaten ihre Zuschüsse zur Arbeitslosenunterstützung reduziert haben, dürften die kommenden Arbeitsmarktberichte für die US-Wirtschaft daher einen deutlich höheren Beschäftigungsaufbau bei gleichzeitig steigenden Löhnen zeigen. Zahlen wie im März, als rund 1 Mill. neue Stellen geschaffen wurden, sollten in den nächsten Wochen wieder erreicht bzw. überschritten werden.

Einen Teil des Renditerückgangs muss aber natürlich auch weiterhin den Anleihekäufen der Fed zugeschrieben werden. Noch immer werden monatlich Staatsanleihen und gedeckte Wertpapiere im Umfang von 120 Mrd. Dollar erworben. Für sich genommen ist das bereits eine substanzielle Summe, trotz der Größe des US-Treasury-Markts! Hinzu kommt, dass das amerikanische Schatzamt in den vergangenen Monaten deutlich weniger Wertpapiere am Markt emittiert hat, als es das umfangreiche Haushaltsdefizit vermuten ließe. Die Folge: Das Guthaben der Regierung bei der Fed sank um gut 1 Bill. Dollar. Die Käufe der Fed hatten somit wohl einen noch höheren Effekt am Markt.

Tapering ab viertem Quartal

Für die weitere Entwicklung der US-Staatsanleihen ist in den nächsten Monaten daher umso wichtiger, ob die Fed ihre Anleihekäufe reduziert und ob sich der Kongress noch zu weiteren, defizitwirksamen Fiskalpaketen wird einigen können. Wir gehen davon aus, dass die im FOMC vertretenen Notenbanker die Bedingungen vorfinden werden, um spätestens im September eine substanzielle Verringerung ihrer Anleihekäufe in Aussicht zu stellen. Die tatsächliche Reduktion der Käufe dürfte dann wohl im vierten Quartal beginnen und auch wenn der Fahrplan regelmäßig überprüft wird, ist davon auszugehen, dass die Käufe innerhalb von zwölf Monaten vollständig auslaufen. Aus heutiger Sicht dürften die Käufe damit wohl etwas früher reduziert und schneller beendet werden, als es derzeit Konsens am Kapitalmarkt ist.

Niedrigere Renditeprognosen

Dennoch haben wir unsere Prognose für die Verzinsung länger laufender US-Treasuries zuletzt etwas zurückgenommen. Für das dritte Quartal liegt unsere Erwartung nunmehr bei „nur“ noch 1,6% für zehnjährige Laufzeiten nach zuvor 1,75%. Zum Jahresende erwarten wir einen Anstieg der Rendite auf etwa 1,8%, gepaart mit erneut aufkommender Debatte darüber, ob die Fed bereits in 2022 zum ersten Mal an der Zinsschraube drehen wird.

Für Aktien- und Credit-Märkte verlängern die gedämpften Renditeerwartungen bei Staatsanleihen unseres Erachtens das derzeitige Goldilocks-Szenario um einige Wochen. Zumal die anstehende Berichtssaison wohl auch in der Tendenz erneut positiv überraschende Unternehmensdaten und in der Folge steigende Gewinnerwartungen mit sich bringen wird. Der von uns bis Herbst prognostizierte Renditeanstieg dürfte am Aktienmarkt daher wohl auch noch keine größeren Sorgen vor fallenden Bewertungsmultiplikatoren aufkommen lassen – im späteren Jahresverlauf könnte sich dies unseres Erachtens dann aber ändern.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.