Zinswende und verschärfter Wettbewerb

Für Amerikas Terminbörsen ziehen neue Zeiten herauf

Die restriktive Geldpolitik hat der weltgrößten Terminbörse CME einen Boom bei Zins-Futures und Rekorderlöse beschert. Die nahende Lockerung der Fed bedeutet nun eine Belastungsprobe für den Marktbetreiber. Zugleich will ein neuer Konkurrent die Investoren mit niedrigeren Kosten anlocken.

Für Amerikas Terminbörsen ziehen neue Zeiten herauf

Für US-Terminbörsen ziehen neue Zeiten herauf

Nahende geldpolitische Wende stellt Volumenwachstum bei wichtigen Zins-Futures infrage – Neue Wettbewerber machen Druck auf Marktführerin CME

Die restriktive Geldpolitik hat der weltgrößten Terminbörse CME einen Boom bei Zins-Futures und Rekorderlöse beschert. Die nahende Lockerung der Fed bedeutet nun eine Belastungsprobe für den Marktbetreiber. Zugleich will ein neuer Konkurrent die Investoren mit niedrigeren Kosten anlocken.

xaw New York

Für Amerikas Terminbörsen ziehen neue Zeiten herauf. Denn ein Ende der restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve dürfte laut Analysten die Risikomanagement-Bedürfnisse der Marktteilnehmer und damit ihre Nachfrage nach Futures einschneidend verändern. Zugleich versuchen neue Wettbewerber, die angestammten Verhältnisse im Sektor aufzubrechen. Dabei sorgt Howard Lutnick für Aufsehen: Der CEO der Trading-Firma Cantor Fitzgerald will mit der neuen FMX Futures Exchange, der die Derivate-Aufsicht im Februar die Freigabe erteilt hat, ab September den Markt für Zins-Futures umkrempeln.

Eskalierende Unsicherheit

Die CME Group – der Weltmarktführer kontrolliert bisher mehr als 99% der US-Volumina an Zinskontrakten – zeigt sich gegenüber dem neuen Herausforderer kampfbereit. Das Finanzmarkt-Schwergewicht vermeldete für das zweite Quartal einen Rekorderlös von 1,53 Mrd. Dollar, der Nettogewinn zog um 13,6% auf 883,2 Mill. Dollar an. CEO Terrence Duffy verwies dabei auf „eskalierende Unsicherheiten“ an den Märkten.

Tatsächlich haben Volatilitätsindizes der Terminbörse, die den Treasury- und anhand des Interbanken-Referenzzinses Sofr auch den Übernachtmarkt abbilden, zuletzt steile Sprünge hingelegt. Das US-Staatsanleihebarometer, das sich im bisherigen Jahresverlauf zumeist zwischen 50 und 100 Basispunkten bewegte, ist zuletzt in Richtung 200 Basispunkte geschnellt. Der Index für die Schwankungsbreite bei Sofr ist immerhin auf 175 Basispunkte geklettert.

Sprung im Treasury-Handel

Die Entwicklung schlägt im gesamten Finanzmarkt Wellen, das Handelsvolumen und die Zahl der offenen Kontrakte (Open Interest) an der CME sind zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt über alle Assetklassen hinweg gewachsen. Angesichts der Spekulationen um eine geldpolitische Wende der Fed boomt allerdings insbesondere der Handel in Zins- und Anleiheprodukten: Nachdem die durchschnittlichen täglichen Volumina bei Treasury-Futures und -Optionen im abgelaufenen Quartal um 36% auf einen Rekordwert von 8,2 Millionen Kontrakten sprangen, haben sie im Juli weiter angezogen. Hinzu kommt eine deutlich höhere Aktivität bei Termingeschäften, deren Teilnehmer auf die Entwicklung von Sofr oder der Federal Funds Rate setzen.

Doch Anleger befürchten nun, dass der Boom bei Zins-Futures bald ein Ende haben könnte. Lag die an der Nasdaq notierte Aktie des Chicagoer Marktbetreibers in den ersten Jahresmonaten steil im Aufwind, steht sie seit Mai erheblich unter Druck und ist sogar unter die Anfang Januar markierten Kursniveaus abgerutscht. Damit hat die CME ihren im Frühjahr erreichten Rang als wertvollste US-Börse wieder eingebüßt – die Marktkapitalisierung liegt Stand Freitagnachmittag bei rund 74 Mrd. Dollar, die Intercontinental Exchange (ICE) als Muttergesellschaft der New York Stock Exchange (Nyse) kommt auf mehr als 88 Mrd. Dollar.

Furcht vor baldiger Ebbe

Denn es geht die Sorge um, dass sich Geschichte wiederholt: In vergangenen geldpolitischen Zyklen lösten Spekulationen auf eine Zinswende zwar wiederholt Trading-Booms aus – doch nachdem die Lockerungen dann Realität wurden, herrschte bei den Futures-Volumina plötzlich Ebbe, was das Gewinnwachstum der CME drückte. Die Analysten von Bernstein Autonomous verweisen darauf, dass es noch nicht einmal einen Einbruch der Handelsaktivität benötigt, um die CME viel Momentum zu kosten, allein eine flache Entwicklung reiche dafür schon aus.

Die Chicagoer haben sich schließlich deutlich stärker als Konkurrenten auf ihren Status als Marktbetreiber konzentriert: Im vergangenen Quartal stammten rund 82% der Erlöse aus Clearing- und Transaktionsgebühren, zeitweise lag der Anteil bei nahezu 90%. Marktdaten- und Informationsangebote nehmen dagegen ein deutlich geringeres Gewicht ein. Bei der ICE, die mit der Nyse die führende Präsenz im Markt für Aktienlistings stellt, kamen zuletzt lediglich 48% der Erlöse über Transaktionsgebühren zustande. Analysten befürchten nun also, dass die CME im Fall einer baldigen Zinswende nicht diversifiziert genug aufgestellt ist.

Tim McCourt, globaler Leiter für Aktien-, Devisenmarkt- und Alternatives-Produkte bei der CME, winkt gegenüber der Börsen-Zeitung ab. Es sei noch immer „jede Menge Risiko im Markt", betont der Manager, der bezüglich der Entwicklung von Handelsvolumina und Open Interest zwar keine Spekulationen anstellen will, aber doch auf eine hohe Nachfrage nach Absicherungslösungen in einem volatilen Umfeld pocht.

Staatsverschuldung als Volatilitätstreiber

Selbst wenn die Fed im September wie erwartet zu einer Zinssenkung greife, seien sich die Marktteilnehmer über den weiteren Kurs uneins. In der laufenden Woche befand sich die Futures-Kurve bei Federal-Funds-Produkten an der CME vollständig im Contango – jeder Monatskontrakt war also immer teurer als der unmittelbar vorhergehende, was auf Erwartungen kontinuierlicher Zinssenkungen hindeutet. Doch über die Höhe der jeweiligen Zinsschritte besteht tatsächlich kein Konsens, was für Terminhändler ausreichend Raum zu Spekulationen bietet.

McCourt verweist zudem darauf, dass sowohl die US-Wahlen als auch langfristigere Entwicklungen die Volatilität treiben dürften. So sei mit anhaltend stark steigenden Staatsausgaben zu rechnen. Zuletzt habe die Treasury diese vor allem durch kurzlaufende Staatsanleihen finanziert, langfristig wolle sie aber aller Wahrscheinlichkeit nach für Balance entlang der Kurve sorgen. „Investoren müssen daher zu dezent erhöhten Zinsniveaus ein Risikomanagement für mehr langlaufende Staatsanleihen betreiben als in früheren Phasen“, führt der Manager aus. Die CME sei dafür gut aufgestellt, weil sich ihre bedeutendsten Produkte auf das lange Ende der Kurve bezögen.

Privatanleger mit verstärktem Engagement

Zugleich sprechen die Chicagoer mit sogenannten Micro Futures, die kleinere Anteile an regulären Aktien-, Anleihe-, Rohstoff-, Devisen- und Krypto-Kontrakten abbilden, seit einigen Jahren auch hoch aktive Retail-Investoren an. Zuletzt haben Micro-Gold und -Kupfer-Produkte beispielsweise Rekordstände beim Open Interest erreicht. Gerade für agilere Investoren sei es von Vorteil, liquide Produkte in allen Assetklassen an der gleichen Börse handeln und nicht ständig den Marktbetreiber wechseln zu müssen, betont McCourt.

CEO Duffy wirbt zudem mit Einsparungen von 20 Mrd. Dollar pro Tag, die Anlegern durch Margin-Offset-Programme an der CME zur Verfügung stünden. Letztere reduzieren durch Verrechnung die Summe der Sicherheiten, die Broker für ihre Kunden beim Clearinghaus hinterlegen müssen. Die Chicagoer verfügen dazu über mehrere Vereinbarungen, zu Jahresbeginn weiteten sie etwa ihre Cross-Margining-Kooperation mit der Depositary Trust & Clearing Corporation als zentraler Institution in der Verrechnung von Staatsanleihegeschäften aus.

Doch Lutnicks neue FMX Futures Exchange tönt bereits, durch ihre Kooperation mit der von der London Stock Exchange kontrollierten LCH, einem der weltgrößten Clearing-Anbieter, noch höhere Margin-Einsparungen bieten zu wollen als die CME. Zudem will die junge Wettbewerberin Anleger durch niedrigere Handelsgebühren anlocken. Die Analysten von Rosenblatt Securities betonen, Marktteilnehmer seien es leid, dass die CME aufgrund ihrer Monopolstellung nahezu beliebig Kosten berechnen könne.

Drang in den Listing-Markt

Während die Konkurrenz im Sektor also anzuziehen droht, drängen Wettbewerber wie CBOE Global Markets seit Jahren in neue Geschäftsfelder. So versucht die vor allem für den Optionshandel bekannte Anbieterin, das Duopol der Nyse und Nasdaq bei Aktienlistings aufzubrechen. Bereits vor sechs Jahren zog die CBOE ihre Aktien von der Nasdaq zurück und listete sie an der eigenen Börse.

McCourt betont indes, dass Nyse und Nasdaq "Schlüsselkomponenten im verzahnten Finanzökosystem, dessen Teil wir alle sind“, darstellten. Der Markt für Aktienlistings funktioniere laut Kunden in seiner aktuellen Form, die CME plane deshalb derzeit keinen Vorstoß in das Geschäft. Allerdings richteten sich die Chicagoer hinsichtlich ihrer Angebote nach „klar artikulierten Kundennachfragen“, so stieß die Börse durch die Übernahme von NEX Markets 2018 auch in den Brokerage-Markt vor. Stimmen aus dem Umfeld des weltgrößten Marktbetreibers halten es entsprechend nicht für ausgeschlossen, dass dieser sich auf die Suche nach weiteren neuen Erlösquellen begibt.

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