GASTBEITRAG

Fünf Argumente für eine strategische Allokation in Emerging-Markets-Anleihen

Börsen-Zeitung, 28.5.2019 2018 war ein schwieriges Jahr für Schwellenländer: Straffere Finanzbedingungen, die höhere Marktvolatilität und die zunehmenden weltwirtschaftlichen Risiken bremsten das bis dahin recht hohe Wachstum. Weil Investoren...

Fünf Argumente für eine strategische Allokation in Emerging-Markets-Anleihen

2018 war ein schwieriges Jahr für Schwellenländer: Straffere Finanzbedingungen, die höhere Marktvolatilität und die zunehmenden weltwirtschaftlichen Risiken bremsten das bis dahin recht hohe Wachstum. Weil Investoren aufgrund dieser Herausforderungen wählerischer wurden, streut die Wertentwicklung jetzt stärker. Das ist gut für Portfoliomanager, die Mehrertrag durch Einzelwertauswahl anstreben. Manche Anleger fragten sich aber auch, ob sie überhaupt weiter in die Assetklasse investieren sollten. Entscheidend für sie ist, ob sich Emerging-Market-Anleihen für eine langfristige strategische Allokation eignen, also als Basisbestandteil eines gut diversifizierten Portfolios. Wir glauben, dass fünf gute Gründe für eine strukturelle Investition in Emerging-Market-Anleihen sprechen.Früher galten Emerging-Market-Anleihen als Satelliteninvestment und nicht als eine strukturelle Kernposition, zumal die Assetklasse noch neu und recht klein war, die Schwächen einzelner Länder für Volatilität sorgten und die Investoren sehr kurzfristig dachten. Diese Taktik bestätigte sich in gewisser Weise selbst: Es kam zu Dominoeffekten mit unterschiedslosen Verkäufen, etwa beim Zahlungsausfall Russlands und dem Debakel von Long-Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998. Für viele Anleger gab es nur zwei Extreme: investieren oder nicht investieren, je nach der aktuellen Risikoeinschätzung.Als sich die Fundamentaldaten verbesserten, verstärkten sich auch die positiven Effekte gegenseitig. Wirtschaftliche Fortschritte führten zu höheren Erträgen, die wiederum mehr und beständigere Investoren anlockten. Die Risikoprämien gingen zurück, und für die Länder und ihre Unternehmen öffneten sich neue Finanzierungsquellen. All dies führte zu mehr Wachstum und steigenden Einkommen – und damit zu mehr Unterstützung für solide Wirtschaftspolitik. Politische Fortschritte, stabile Erträge, wachsendes Investoreninteresse und ein immer größeres Anlageuniversum brachten die Assetklasse nach vorn.Infolgedessen wuchs auch das Interesse institutioneller Investoren, so dass die Volatilität zurückging. Dass institutionelle Investoren eine Assetklasse stabilisieren, hat mehrere Gründe. Dazu zählen: ihr längerer Anlagehorizont, die Genehmigung der strategischen Assetallokation öffentlicher und privater Pensionspläne durch ein Board, die recht seltenen Veränderungen der Assetallokation und die disziplinierte Umschichtung der Portfolios. Vor allem aber haben die besseren Kreditkennziffern, die nachlassende Volatilität und das wachsende Anlageuniversum das Anlegervertrauen gestärkt. Weil die Kursschwankungen nachließen, wurden Emerging-Market-Anleihen immer mehr als strukturelle Portfolioposition akzeptiert.Emerging-Market-Anleihen wurden zu einem immer wichtigeren Teil des internationalen Anlageuniversums. Heute wird stark nach Emittenten, aber auch nach den Anleihearten differenziert. Dies sorgt für eine große Ländervielfalt in vier unterschiedlichen Marktsegmenten: Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Lokalwährungstitel und Währungen. Die Assetklasse bietet auch eine Vielzahl von Kreditqualitäten und Laufzeiten. Wichtig ist dabei die große Vielfalt der Fundamentaldaten, die oft zu einer starken Streuung der Wertentwicklung führt. Wer während des gesamten Marktzyklus in Emerging-Market-Anleihen investiert, kann dem Beta nicht entgehen. Eine sorgfältige Einzelwertauswahl bietet aber die Chance auf Alpha und auf die Begrenzung der Verlustrisiken. Bessere FundamentaldatenSchwellenländeranleihen entwickelten sich zu einer stabileren Assetklasse, da die Kreditkennziffern der Länder – die Indikatoren für Staatsfinanzen und Leistungsbilanzen – zuletzt stabil waren oder sich aufgrund einer klugen Politik sogar verbessert haben. Viele Länder können durch den Wechsel von Währungsanbindungen zu flexiblen Wechselkursen jetzt besser mit Marktverwerfungen umgehen. Eine marktwirtschaftlichere Politik mit flexiblen Wechselkursen hat die Volkswirtschaften stabilisiert. In gewisser Weise sind die Fundamentaldaten der Schwellenländer jetzt attraktiver als die der Industrieländer. So ist das Wirtschaftswachstum höher, die Schuldenstandsquoten sind oft niedriger.Oft haben bessere Kreditkennzahlen das Risiko von Dominoeffekten verringert, also das Risiko umfassender unterschiedsloser Verkäufe bei Problemen in nur einem Land. Zwar führten die Währungskrisen in Argentinien und der Türkei 2018 auch zu begrenzten Verkäufen von Wertpapieren aus anderen Ländern, doch waren sie meist recht gezielt und vernünftig. Die Spreads der krisenanfälligsten Länder weiteten sich am stärksten aus. Unsere Analysen zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen der Spreadausweitung und dem externen Finanzierungsbedarf eines Landes in Relation zu den Währungsreserven. Bei echten Dominoeffekten werden alle Titel unterschiedslos verkauft und die Korrelationen zwischen ihnen nehmen zu. Doch wie bereits gesagt, haben die Erträge der Emerging-Market-Staatsanleihen in dieser Zeit stärker gestreut. Offensichtlich differenzieren die Investoren.Langfristig bleibt das Wirtschaftswachstum der Emerging Markets hoch und die Assetpreise steigen. Das überdurchschnittliche Wachstum kann der Wertentwicklung von Staats- und Unternehmensanleihen helfen. Das führt zu Mittelzuflüssen und weiteren Kursgewinnen. Wir halten den Wachstumsvorsprung der Schwellenländer gegenüber den Industrieländern für nachhaltig. Für Wirtschaftswachstum sorgen sowohl die zunehmende Beschäftigungszahl als auch die steigende Produktivität. Die bessere Demografie hilft den Emerging Markets, und die allmählichen Fortschritte ihrer Corporate Governance sowie wirtschaftsfreundliche Reformen lassen die Produktivität steigen. DiversifikationspotenzialDie Renditen von Emerging-Market-Anleihen waren regelmäßig höher als die von anderen Anleihearten – und das könnte auch in Zukunft so sein. Das Kreditrisiko hat unabhängig vom Zinsumfeld für höhere Renditen gesorgt. Interessant ist die Renditedifferenz aber gerade im aktuellen Umfeld: Wenn, wie wir erwarten, das niedrige Wachstum und die geringe Inflation die Zinsen weiter dämpfen, führt dies zu Finanzierungsrisiken für Pensionspläne mit festen Leistungszusagen. Sie können ihre Zusagen nur dann halten, wenn sie höhere Risiken eingehen. Mit Emerging-Market-Anleihen lässt sich dies recht gut erreichen. Traditionell waren sie zwar volatiler als viele andere Arten von Anleihen, boten langfristig aber auch eine attraktive risikoadjustierte Performance über viele Marktzyklen.Emerging-Market-Anleihen verbessern oft das langfristige Risiko-Ertrags-Profil eines Portfolios und diversifizieren Anlagen in Industrieländer-Staatsanleihen. In den letzten zehn Jahren hätte man den optimalen risikoadjustierten Ertrag dann erreicht, wenn man einem Industrieländer-Staatsanleihen-Portfolio 30 % Emerging-Market-Staatsanleihen beigemischt hätte. Bei lediglich 35 Basispunkten mehr Risiko hätte man 141 Basispunkte mehr Ertrag erzielt.Strategische Anlagen in Emerging-Market-Anleihen sind natürlich nicht ohne Risiko. Wer den ganzen Marktzyklus über in diese Assetklasse investiert, kann aber Schwächephasen ausgleichen. Trotz kürzerer Schwächephasen in der Vergangenheit haben Investoren langfristig meist eine ordentliche Performance erzielt. Ein gutes aktives Management auf Basis eines researchintensiven alphaorientierten Investmentansatzes kann die Volatilität dämpfen.Durch die Entwicklung liquider Teilmärkte lässt sich der strategische Ansatz auch um eine gewisse taktische Assetallokation ergänzen. Unterschiedliche Ertragsfaktoren und die damit einhergehende Streuung der Erträge zwischen Fremd- und Lokalwährungsanleihen bzw. Staats- und Unternehmensanleihen verschaffen langfristigen Emerging-Market-Investoren Chancen auf zusätzliches Alpha und geringere Volatilität – durch Investitionen in Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Lokalwährungstitel und Währungen zum jeweils passenden Zeitpunkt. Möglich wird dies, wenn man seine Investitionen in Emerging-Market-Anleihen einem kompetenten aktiven Manager überträgt, der die gesamte Chancenvielfalt des Marktes nutzt. Robert M. Hall, Institutional Fixed Income Portfolio Manager MFS Investment Management