"Für 2019 sind wir zuversichtlich"
Martin Stürner ist von den Vorteilen aktiven Managements überzeugt. Mit seinem Ansatz hat der Fondsmanager und Vorstandsvorsitzende der PEH Wertpapier AG in diesem Jahr einen Ertrag von 6,5 % erzielt. Dazu hat beigetragen, dass er problembeladene Sektoren wie derzeit Autos und Banken meidet. – Herr Stürner, ist die Stimmung an den Aktienmärkten derzeit schlechter als die Lage?Ich würde eher sagen, dass die Stimmung besser als die Lage ist. Endlich gibt es wieder einen Markt, in dem man gut Chancen und Risiken erkennen kann. In diesem Jahr gab es gute Möglichkeiten, über aktives Management überdurchschnittliche Erträge zu erzielen. Die Performance-Unterschiede sind extrem. Wer in der Lage war, Branchen mit negativer Entwicklung zu meiden und solche mit positiver Entwicklung zu identifizieren, konnte gute Ergebnisse erzielen. Selbst eine Wirecard, die von ihrem Hoch aus 35 % eingebüßt hat, liegt im Vergleich zum Jahresbeginn noch im Plus. Große Probleme hatten der Automobil- und der Bankensektor oder auch Bayer. Auch in den USA sehen wir diese großen Unterschiede. So hat General Motors im laufenden Jahr nochmals 40 % eingebüßt, während eine Amazon noch gut im Plus liegt.- Wie fällen Sie Anlageentscheidungen?Wir arbeiten datengestützt. Dabei schauen wir sowohl auf Makro- als auch auf Mikrodaten. Für unsere Anlageentscheidungen haben wir ein Indikatorensystem. Wir betreiben Stock Picking und steuern die Portfolios auch über die Aktienquote. Unser System zeigte recht früh im Jahr die Underperformance Europas an. In unseren internationalen Portfolios war der Europa-Anteil über weite Strecken bei null und maximal bei 8 %. Die Region hat schwere strukturelle Probleme, unter anderem in der Bankenlandschaft.- Wo liegt hier das Hauptproblem?Die europäischen Banken sind seit der Finanzkrise von 2008 nicht mehr richtig auf die Füße gekommen. Das Drama geht von der Zinsseite aus, dem bei -0,40 % liegenden Minuszins. Wenn sie Kundengelder im Volumen von 100 Mrd. Euro haben und sich nicht trauen, den Minuszins weiterzugeben, haben sie bereits ein Minus von 400 Mill. Euro. Die Banken sind der Verlierer der Niedrigzinsen. Es ist schwer, aus diesem Dilemma rauszukommen.- Besteht denn hier nicht berechtigte Hoffnung auf Besserung?Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die kurzen Zinsen nachhaltig steigen werden. Wir werden 2019 allenfalls die Null im Einlagensatz sehen. Ich sehe nicht, dass sich der Euroraum bei den Zinsen dem US-Niveau annähern wird. Es wird hier keine Normalisierung geben. Die Schuldenthematik steht dem einfach im Wege. Wir werden noch jahrelang extrem tiefe Zinsen haben. Daher finden europäische Banken in unseren Portfolios auch nicht statt. In den USA haben wir positive Themen. Die Banken dort bewegen sich in einem ganz anderen Zinsumfeld. J.P. Morgan erwirtschaftet einen Jahresgewinn, der die Marktkapitalisierung der Deutschen Bank übersteigt.- Welche Ergebnisse haben Sie in diesem Jahr erzielt?Mit unserer internationalen Strategie haben wir einen Ertrag von rund 6,5 % erzielt. Aktien haben wir vor ungefähr sechs Wochen auf null runtergefahren. Das hatten wir zuvor schon im Frühjahr und im Sommer getan. Unsere Indikatoren zeigten eine Korrektur in den USA an. Sie hat sich hinausgezogen, kommt jetzt aber mit Wucht. Auch der Dow ist jetzt im Minus. Wie in Deutschland ist auch in den USA eine gute Rotation zu sehen. Es läuft nicht alles gut, aber auch nicht alles schlecht. So hat die Aktie des Healthcare-Konzerns Johnson & Johnson kürzlich ein Allzeithoch erreicht. In Deutschland liegen Deutsche Telekom und SAP im Plus. Der Performance-Unterschied zwischen dem stärksten und dem schwächsten Dax-Wert beträgt 50 Prozentpunkte. Das zeigt, dass der Markt wieder funktioniert. Negative Zahlen werden abgestraft, und nur sehr gute Zahlen ziehen eine positive Kursreaktion nach sich.- Wirecard ist aber doch trotz sehr guter Zahlen und einer Prognoseanhebung eingebrochen.Das zeigt die Stimmungslage, die wir derzeit haben. Selbst wenn Zahlen gut sind, reicht das nicht. Zahlen müssen über den Erwartungen sein. Risikoaversion wird derzeit groß geschrieben. Deswegen sind Aktien bei uns auch bei null. Wir wissen nicht, wann es enden wird. Die Indikatoren sind nun allerdings deutlich im positiven Bereich. Für 2019 sind wir zuversichtlich. Kunden fragen, wann der große Crash kommt. Wir haben ihn in vielen Titeln schon gesehen.- Was genau erwarten Sie für 2019? Durch was kann der Markt denn drehen?Wir sind zuversichtlich, dass wir mit internationalen Aktien einen Ertrag in einer Größenordnung zwischen 7 und 10 % erzielen können, wenn es gut läuft, vielleicht auch 15 %. An den Aktienmärkten hat es teilweise schon extreme Abschläge gegeben. Wenn die Zahlen der Unternehmen zum Gesamtjahr und zum vierten Quartal sowie die darauf folgenden Quartale nicht so negativ ausfallen, wie das in den gesunkenen Kursen bereits ausgedrückt ist, ergibt sich erhebliches Kurspotenzial. Entscheidend wird das vierte Quartal. Die makroökonomischen Daten deuten nicht darauf hin, dass es das Horrorquartal wird, das der Markt einpreist. Wenn das so eintritt, werden wir zügig zu einer hohen Aktienquote zurückkehren.- Der Markt liegt also falsch.Insgesamt sicher nicht, aber es gibt einiges, das der Markt nicht einpreist, so etwa die Währungsentwicklung. Wir sind positiv für den US-Dollar, die Euro-Dollar-Parität liegt nach unserer Einschätzung im Bereich des Möglichen. Dafür sprechen die Zinsdifferenz sowie für den Euro negative Faktoren wie die italienische Haushaltspolitik und der Brexit. Auch gehen wir davon aus, dass die Europäische Zentralbank eher zögerlich sein wird, was Leitzinsanhebungen betrifft. Wir gehen nicht davon aus, dass sie die Zinsen in einem ähnlichen Ausmaß erhöhen wird wie die Fed.- Auf welche Branchen setzen Sie?Wir sind zuversichtlich für den Technologiesektor, für Unternehmen, die Themen rund um die Innovationsführer Amazon, Google und Microsoft spielen. Interessant ist ferner das Segment autonomes Fahren. Auch das ist ein Thema, das bleiben wird. Chancen bieten ferner Pharma und Biotech. Auch in den kommenden Jahren werden diese Branchen und Unternehmen reüssieren, die in sich beträchtliches Wachstum versprechen.- Zu welchen Bereichen sind Sie eher skeptisch eingestellt?In den Branchen Banken und Finanzen sowie Konsum sehen wir keine nennenswerten Wachstumschancen. Sie sind zumeist einem harten Verdrängungswettbewerb ausgesetzt. Das kann allerdings dazu führen, dass, wenn der Markt übertreibt, hier und da die Bewertungen attraktiv werden. Ein Beispiel dafür ist Bayer. Wenn sich eine Lösung in der Glyphosat-Angelegenheit andeutet, kann die Aktie deutlich attraktiver werden. Schließlich ist das Unternehmen in den wachstumsstarken Themen Gesundheit und lange Lebenszeit unterwegs.- Wie beurteilen Sie die Aussichten der Automobilbranche?Ein Problem für die deutschen Automobilhersteller ist die hohe Abhängigkeit vom China-Geschäft. Wir gehen nicht davon aus, dass die Dynamik der zurückliegenden Jahre durchzuhalten ist. Hinzu kommt noch der Dieselskandal. Wir haben es hier mit einer Branche zu tun, die tendenziell mit strukturellen Problemen zu kämpfen hat. Sie wird in unseren Portfolios auch aktiv ausgeblendet. Wir halten global keine Autohersteller. Interessant sind allerdings aufgrund des Themas autonomes Fahren Unternehmen im Bereich Sensorik wie Nvidia.- Was erwarten Sie für Anleihen?Unsere Rentenquote liegt bei null. Wir haben Minuszinsen, und es gibt kaum eine Chance, dass die Zinsen noch stärker in den Minusbereich sinken. Schon wenn die Renditen nur ein wenig steigen, fahren Anleihen einen Verlust ein. Das Chance-Risiko-Verhältnis von Anleihen ist extrem negativ.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.