KREDITWÜRDIG

Für Frankreich ist es Zeit zu handeln

Von Jan Holthusen *) Börsen-Zeitung, 29.11.2012 Am 19. November hat mit Moody's nun auch die zweite große Ratingagentur ihre Einstufung von "Aaa" auf "Aa 1" zurückgenommen, nachdem schon Mitte Januar Standard & Poor's (S & P) die Bewertung um eine...

Für Frankreich ist es Zeit zu handeln

Von Jan Holthusen *)Am 19. November hat mit Moody’s nun auch die zweite große Ratingagentur ihre Einstufung von “Aaa” auf “Aa 1” zurückgenommen, nachdem schon Mitte Januar Standard & Poor’s (S & P) die Bewertung um eine Stufe reduziert hatte. Frankreich hat damit nur noch bei Fitch die Bestnote von “AAA”, und auch diese Agentur hat angekündigt, das Rating der Grande Nation im kommenden Jahr überprüfen zu wollen. Zudem bleibt sowohl bei Moody’s als auch bei Standard & Poor’s der Ratingausblick für Frankreich negativ.Als Gründe für die jüngste Herabstufung werden neben der schlechten Haushaltslage auch die langfristig schwächeren Wachstumsaussichten genannt. Ursächlich hierfür sind laut Moody’s die zu unflexiblen Arbeits-, Waren- und Dienstleistungsmärkte sowie die nur ungenügenden Bestrebungen, die verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft wieder herzustellen.Die Herabstufung kommt nicht überraschend und war auch von uns erwartet worden. Schon vor gut einem Jahr hatte es Diskussionen hierüber gegeben, und der Schritt von Standard & Poor’s zu Beginn des Jahres setzte ein erstes Ausrufezeichen. Moody’s hatte sich dieser Entscheidung zunächst noch nicht angeschlossen und der neuen Regierung in Paris einige Monate gegeben, die notwendigen Reformen anzugehen. Die nun erfolgte Herabstufung zeigt allerdings, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen aus Sicht der Ratingagenturen nicht ausreichend sind. Regierung am ScheidewegEtwas mehr als ein halbes Jahr nach den Wahlen steht die französische Regierung nun am Scheideweg. Ein Festhalten an den Wahlversprechen würde mittelfristig zu einem weiteren Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führen und nicht nur von Ratingagenturen und Finanzmärkten skeptisch beäugt werden. Trotz der Reformen, die François Hollande zuletzt in Aussicht gestellt hat, fehlt weiterhin ein schlüssiges Gesamtkonzept zur nachhaltigen Verbesserung der Situation. Eine Dämpfung der Arbeitskosten oder ein Abrücken von der staatlich geregelten 35-Stunden-Woche werden bislang nicht thematisiert. Auch die starke Reglementierung der Dienstleistungsberufe erweist sich immer mehr als Wachstumshindernis, und eine glaubwürdige Selbstverpflichtung auf eine langfristig solide Haushaltspolitik ist nicht erkennbar.Bleiben bei diesem Themen entscheidende Fortschritte aus – sei es, weil die Regierung nicht die Kraft aufbringt, gegen ihre im Wahlkampf geäußerten Überzeugungen zu handeln, oder sei es, weil der Widerstand bei Gewerkschaften und Bevölkerung zu groß ist – sind weitere Ratingherabstufungen vorprogrammiert. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die Investoren in den vergangenen Jahren mit den Peripheriestaaten gemacht haben, schließen wir dann auch heftigere Marktreaktionen nicht aus.Dabei hat die Regierung Hollande in den letzten Monaten von der Staatsschuldenkrise sogar profitiert. So sind die Renditen französischer Staatsanleihen im Jahresverlauf auf neue Rekordtiefs gesunken. Die Flucht in den “sicheren Hafen” Bundesanleihen hat hierzulande die Renditen so niedrig werden lassen, dass sich die Investoren verstärkt auf die Suche nach höher verzinslichen Alternativen gemacht haben. Hier bietet sich der französische Rentenmarkt an. Französische Staatstitel hatten zwar schon seit Jahresanfang zumindest bei S & P ihr “AAA”-Rating verloren. Der französische Staatsanleihenmarkt weist aber unter den Kernstaaten der Eurozone neben dem deutschen als einziger eine Tiefe und Liquidität auf, die den Ansprüchen auch sehr großer institutioneller Investoren genügt. Das gilt insbesondere für Staatsfonds und andere Großanleger aus Asien und dem Nahen Osten, die einen Teil ihrer Zuflüsse in Euro investieren müssen und in der Eurozone auf eine gewisse Diversifikation setzen. Diese Nachfrage hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass der Druck der Kapitalmärkte auf die französische Regierung, eine solide und nachhaltige Haushaltspolitik zu betreiben, im Laufe des Jahres wieder nachgelassen hat. Auch von der Schweizer Nationalbank wird vermutet, dass sie einen Teil der Eurobestände, die sie im Rahmen ihrer Interventionspolitik zur Schwächung der eigenen Währung erworben hat, in französischen Staatsanleihen hält. Da die eidgenössische Notenbank aber als bestrebt gilt, die Devisenreserven nur in “AAA”- Titeln zu halten, ist es möglich, dass es hier zu Umschichtungen kommt. Wohlwollen verlorenWie schnell sich das Wohlwollen der Kapitalmärkte ins Gegenteil verkehren kann, hat die Entwicklung in der zweiten Hälfte des letzten Jahres gezeigt, als die Renditedifferenz (Spread) zwischen zehnjährigen französischen Staatsanleihen und ihren deutschen Pendants innerhalb weniger Wochen von 50 auf über 175 Basispunkte angestiegen war. Seitdem hat sich diese Entwicklung zwar wieder umgekehrt, doch sieht die fundamentale Situation Frankreichs zum Ende des Jahres 2012 eher schlechter aus als vor Jahresfrist. Wesentlicher Treiber für die Spread-Einengungen in diesem Jahr war sicherlich nicht die fundamentale Entwicklung in Frankreich, sondern das schon angesprochene Verhalten der Marktteilnehmer, das vor allem als Folge der niedrigen deutschen Renditen anzusehen ist. Außerdem dürfte die durch die Europäische Zentralbank induzierte Liquiditätsschwemme ebenfalls dazu beigetragen haben, das Spreadniveau von französischen Staatsanleihen zu Bunds nach unten zu treiben. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei den Anleihen der Peripheriestaaten zu beobachten. Gefahr eines TeufelskreisesIn der gleichgerichteten Entwicklung von Peripherie- und Frankreich-Spreads zu Bundesanleihen liegt aber auch eine Gefahr. So zeigen unsere Analysen, dass die Korrelation zwischen den Renditeveränderungen deutscher und französischer Staatsanleihen nach nahezu perfektem Gleichlauf noch 2008 inzwischen deutlich abgenommen hat und teilweise sogar leicht negativ geworden ist. Bunds und französische Staatstitel werden damit immer weniger als direkte Substitute angesehen. Wenn sich diese Entwicklung verstärken sollte, läuft Frankreich Gefahr, ähnlich wie die Peripheriestaaten vor einigen Jahren in einen Teufelskreis hineinzugeraten. So haben Ratingherabstufungen dieser Staaten dazu geführt, dass sich die Finanzierungskosten erhöhten und der Marktzugang verschlechterte. Das nahmen dann die Agenturen zum Anlass, ihre Ratingeinschätzungen weiter zurückzunehmen, was sich wiederum nachteilig auf die Finanzierungskosten auswirkte.Die Sensibilität vieler Investoren für derartige Themen hat in den vergangenen Jahren zweifellos zugenommen. Kommt eine Negativspirale erst einmal in Gang, ist es schwierig, wieder aus ihr herauszukommen. Noch hat die Grande Nation ihr Schicksal selbst in der Hand. Sie muss aber handeln, soll das so bleiben.—-*) Jan Holthusen ist Leiter Fixed Income Research der DZ Bank.