Gasehersteller als große Gewinner

Morgan Stanley erwartet Durchbruch der Wasserstofftechnologie - Potenzial für Linde und Co.

Gasehersteller als große Gewinner

Bislang ist die umweltfreundliche Energiegewinnung aus Wasserstoff noch teuer. Morgan Stanley geht aber davon aus, dass die Kosten deutlich fallen werden und der Trend zum Wasserstoff als Energieträger an Fahrt gewinnen wird.amb Frankfurt – Nach Ansicht von Morgan Stanley gehört die Zukunft dem Wasserstoff – zum Vorteil der großen Industriegasehersteller wie Air Liquide, Linde und Air Products. Die US-Bank hat die Aussichten für die Wasserstoffindustrie in einer Studie untersucht und zitiert den Industrieverband Hydrogen Council, der für die weltweite Wasserstoffindustrie 2050 einen Umsatz von 2,5 Bill. US-Dollar prognostiziert. Air Liquide, Linde und Air Products würden schon in den kommenden Jahren profitieren, heißt es in der Studie, Energieversorger wie Engie, National Grid und Enagas erst längerfristig. Konkrete Kaufempfehlungen für die Aktien der Unternehmen werden nicht ausgesprochen. Hohe WachstumsratenDen Analysten zufolge erzielen die Wasserstoffanbieter derzeit noch einen Umsatz von 130 Mrd. US-Dollar, vor allem durch den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie. Morgan Stanley geht von hohen Wachstumsraten und einer Ausweitung der Nutzung über die Industrie hinaus aus. Für die Industriegaseanbieter erwüchsen dadurch nicht nur Chancen bezüglich der eigentlichen Produktion, sondern auch beim Aufbau der Infrastruktur. Aktuell ist in Europa die französische Air Liquide mit einem Marktanteil von 48 % die Nummer 1 unter den Wasserstoffproduzenten, gefolgt vom Münchner Linde-Konzern (22 %) und den beiden US-Unternehmen Air Products (21 %) und Praxair (8 %). Wasserstoff gilt als Energieträger mit viel Potenzial, denn Wasserstoff verursacht keine schädlichen Emissionen – jedenfalls dann, wenn er aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Derzeit erfolgt die Produktion allerdings noch fast ausschließlich aus fossilen Energien, vor allem aus Erdgas. Die umweltfreundliche Herstellung ist zwei- bis dreimal so teuer wie die konventionelle. Verzehnfachte NachfrageDie im Januar 2017 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gegründete Wasserstoff-Initiative Hydrogen Council will der Wasserstofftechnologie und dem Brennstoffzellenantrieb zum Durchbruch verhelfen. Die Vision ist, dass 2050 18 % der weltweiten Endnachfrage nach Energie durch Wasserstoff abgedeckt werden, damit würde sich die Nachfrage nach Wasserstoff auf 550 Mill. Tonnen im Jahr verzehnfachen und der Branche einen Umsatz von 2,5 Bill. US-Dollar bescheren. Zu den Gründungsmitgliedern des Hydrogen Council gehören auch die Industriegasehersteller Air Liquide und Linde, aber auch Unternehmen aus anderen Branchen wie Alstom, Anglo American, BMW, Daimler, Engie, Honda, Hyundai, Kawasaki, Shell, Total und Toyota. Die Morgan-Stanley-Analysten sind davon überzeugt, dass die Kosten für die Wasserstoffproduktion fallen werden, da immer mehr Länder auf den Klimawandel reagieren und sich eine CO2-Reduzierung auf die Fahnen geschrieben haben. So gehen sie davon aus, dass die “grüne” Herstellung 2030 so günstig sein wird wie die Produktion aus Erdgas. Weniger CO2-EmissionenLaut Morgan Stanley schafft der “grüne Wasserstoff” zum einen Chancen für die Industrie, konkret könnten die CO2-Emissionen in der Chemie-, Energie-, Bergbau- und Nahrungsmittelbranche deutlich fallen. Potenzial wird aber auch im Verkehrsbereich gesehen mit dem Wandel hin zu brennstoffzellenbetriebenen Pkw, Lkw, Bussen und Schiffen. Die Autoexperten von Morgan Stanley prognostizieren, dass Autos mit Wasserstoffantrieb 2030 3 % der Neuwagen ausmachen werden, 2050 aber schon 35 %. Nicht zuletzt könne Wasserstoff in der Stromversorgung helfen, das Problem der schwankenden Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in den Griff zu bekommen, konkret durch die Umwandlung von überschüssigem regenerativen Strom in Wasserstoff und die Speicherung (“Power to Gas”-Anlagen). Dadurch könne der Anteil von erneuerbaren Energien am Stromverbrauch deutlich steigen, heißt es in der Studie. Als Profiteure sehen die Analysten vor allem Unternehmen wie Air Liquide, Linde und Air Products. Die Investitionen dieser Konzerne in den Bereich Wasserstoff würden am Markt noch unterschätzt, so die Analysten. Den europäischen Versorgern, die sich bereits in diesem Bereich mit Forschung und Entwicklung beziehungsweise Pilotprojekten engagierten – etwa National Grid, Engie und Enagas – werde der Trend hingegen erst auf längere Sicht zugutekommen. Staatliche Hilfe benötigtDie US-Bank verweist aber auch auf Risiken: Benötigt werde in jedem Fall staatliche Schützenhilfe, etwa über die Befreiung von Netzentgelten beziehungsweise Rabatte, Subventionen für den Aufbau der Infrastruktur, also etwa Ladestationen, sowie strengere Umweltauflagen. Erste Ansätze sehen die Analysten bereits in Europa, Japan, China, USA und Australien. “Ohne staatliche Unterstützung wird es die auf Wasserstoff basierende Wirtschaft wohl eher nicht geben”, heißt es in der Studie.Anfang Juli hatte Morgan Stanley die Einstufung “Overweight” für Air Liquide nach einem Treffen mit Unternehmensvertretern bestätigt und das Kursziel für den französischen Konzern bei 118 (aktuell 108,15 Euro) belassen. Zahlreiche andere Analysten raten ebenfalls zu der Aktie, auch nach der Veröffentlichung der aktuellen Quartalszahlen, etwa J.P. Morgan, Goldman Sachs, Jefferies, die Baader Bank und die Deutsche Bank. Air Liquide hatte im ersten Halbjahr unter ungünstigen Wechselkursen gelitten, Investoren reagierten enttäuscht auf das operative Ergebnis und die operative Marge. J.P. Morgan bestätigte die “Overweight”-Einstufung und das Kursziel von 115 Euro nach den Zahlen. Das bereinigte Wachstum sei erneut gut ausgefallen, hieß es, die Margensteigerung aber unter den Erwartungen geblieben. Goldman Sachs hat das Kursziel für Air Liquide nach den Quartalszahlen von 124 auf 123,50 Euro reduziert, blieb aber bei der Einstufung “Buy”. Eine überraschend schwache Profitabilität des Gasekonzerns habe dessen starkes Wachstum sowie den Auftragsbestand für den Anlagenbau überschattet. Nur mit “Neutral” bzw. “Hold” votieren UBS und Société Générale, Credit Suisse stuft die Aktie sogar auf “Underperform”. Credit Suisse nennt ein Kursziel von nur 100 Euro und verweist auf das zu hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis. Für Linde halten sich Kauf- und Halteempfehlungen in etwa die Waage. Zum Einstieg raten zum Beispiel Jefferies, Kepler Cheuvreux, Baader Bank, UBS und die Deutsche Bank. Kepler Cheuvreux ließ die Einstufung für Linde nach Bekanntgabe der Quartalszahlen auf “Buy” mit einem Kursziel von 208 (aktuell 210,20 Euro). Angetrieben von der Gasesparte sei das zweite Quartal klar besser als erwartet ausgefallen, hieß es. Das Analysehaus Jefferies bestätigte die Kaufempfehlung und das Kursziel von 235 Euro. Das zweite Quartal sei solide ausgefallen, schrieben die Analysten, vollere Auftragsbücher und eine gesunde Preisentwicklung an den Gasmärkten seien gute Voraussetzungen für die künftige Gewinnentwicklung. Mit “Neutral” oder “Halten” wird Linde hingegen von Equinet, der Nord/LB, Independent Research und der Commerzbank eingestuft. Equinet bekräftigte das “Neutral”-Votum und das Kursziel von 176 Euro. Insgesamt seien die Wachstumsraten in der Branche im Vergleich zu früheren Jahren merklich gestiegen, hieß es aber. Independent Research hob das Kursziel für Linde nach den besser als erwartet ausgefallenen Zahlen von 185 auf 187 Euro an, beließ die Einstufung allerdings auf “Halten”. An der Börse kamen die am 25. Juli veröffentlichten Linde-Quartalszahlen gut an. Der Konzern zeigte sich vor der geplanten Fusion mit Praxair mit einem Umsatz- und Ergebnisanstieg im zweiten Quartal in robuster Verfassung.