GE-Bonds haben noch Potenzial
Von Volker Stoll *)Seit Anfang 2015 haben sich die Spreads der Industriewerte insgesamt wieder leicht ausgeweitet. Auch bei General Electric (GE) waren seit Mitte des ersten Quartals moderate, marktbedingte Spread-Ausweitungen zu verzeichnen, ohne aber den langjährigen Trend der Spread-Einengung bislang zu gefährden. Als spezifische Spread-Treiber sehen wir die operative Ertragsqualität, die Neuausrichtung der Finanztochter General Electric Capital (GECC) sowie des Industriegeschäfts, die Ausschüttungspolitik sowie das künftige Bondangebot.GE ist schon lange der Maßstab im Industriesektor. Um die Strahlkraft des Unternehmens auch längerfristig zu erhalten, repositionierte CEO Jeff Immelt in den vergangenen fünf Jahren das Industriegeschäft mit diversen Akquisitionen umfassend neu und schrumpfte zugleich das Finanzierungsgeschäft von GECC überwiegend durch Anteilsverkäufe erheblich. Die operative Aufstellung konzentriert sich im Zuge des langjährigen Portfolioumbaus immer stärker auf Produkte für die industrielle Infrastruktur. Die unterschiedlichen Produktsegmente sind dabei durch Technologie- und Fertigungssynergien verzahnt. Bedeutende Kompetenzen sind in der Hochleistungskeramik-, Generator- und der Ultraschalltechnologie, im 3-D-Druck sowie in industriellen Internetlösungen zu sehen. Höherer Gewinn angepeiltDer Erfolg des strategischen Umbaus ist auch im Bericht zum zweiten Quartal dokumentiert. So lag das organische Umsatzwachstum trotz eines schwierigen Umfelds bei 5 %. Gut entwickelten sich vor allem die Segmente Power & Water, das Geschäft mit Flugturbinen und Zügen. Bremsend wirkten hingegen Öl & Gas (-15 %) und die Medizintechnik (-3 %). Der bereinigte Gewinn aus den fortgeführten Aktivitäten des Industriegeschäfts stieg um 11 % auf 4,4 Mrd. Dollar. Die Marge des Industriegeschäfts lag bei soliden 16,2 %. Die Amerikaner erwarten in diesem Jahr einen prozentual zweistelligen Gewinnanstieg und ein organisches Wachstum in der Bandbreite von 2 % bis 5 %. Die Gewinn-Guidance für 2015 wurde im zweiten Quartal leicht angehoben. Das Wachstumsniveau des Jahres 2014 kann aber wegen schwierigen Rahmenbedingungen bei Versorgerkunden und im Öl- und Gassektor im laufenden Jahr nicht gehalten werden. Das Margenniveau liegt unseres Erachtens wegen zumeist hoher Marktanteile z. B. bei rotierenden Baugruppen wie Turbinen sowie einer hohen Produktivität deutlich über dem Branchendurchschnitt.Trotz insgesamt überzeugender Berichte zum ersten und zweiten Quartal sowie einer erfreulichen strategischen Entwicklung weitete sich der CDS-Spread im Berichtszwischenzeitraum von 35 auf 60 Basispunkte (BP) aus. Ursache hierfür waren reduzierte Markterwartungen an den Industriesektor wegen fallender Einkaufsmanagerindizes seit etwa April. Operativ steht aber nun die Integration von Alstom im Mittelpunkt. Eine bessere Präsenz in Europa, in den Emerging Markets, in der Stromübertragung ebenso wie in der Kohle- und Wasserkraft ist dadurch zu erwarten. Schließlich gilt es die im Branchenvergleich überdurchschnittliche organische Wachstumsrate auf hohem Niveau zu halten. Zügig eingeführte Innovationen und ein umsetzungsstarkes Kostenmanagement dürften dabei die Marge und den Cash-flow auch bei verhaltenen Marktbedingungen auf hohem Niveau halten.Seit der Finanzmarktkrise 2009 war es ein Ziel, das Geschäftsvolumen von GECC zu verkleinern. Daher sanken die Nettovermögenswerte von GECC von 472 Mrd. Dollar Ende 2009 auf 363 Mrd. Dollar in 2014 und auf 179,3 Mrd. Dollar Ende des 2. Quartals 2015. Zwar ist der Finanzarm ertragsstark, aber die Einzelteile sind am Markt mehr wert, als unter der Führung von GE. Zudem wird nur ein kleiner Teil der Finanzprodukte für das Industrieangebot genutzt. Im Rahmen der am 10. April verkündeten Neuausrichtung sollen die Nettovermögenswerte von GECC bis Ende 2016 unter die Marke von 100 Mrd. Dollar oder 91 % des 2014er Industrieumsatzes sinken. Zum Vergleich: Die Nettovermögenswerte von Siemens Financial Services betragen etwa ein Viertel des Industrieumsatzes. Nach der Neuausrichtung wird nur noch das Kerngeschäft von GE, also Kraftwerke, Züge, Flugturbinen, Medizintechnik oder Ölförderanlagen finanziert. Bei der Absatzfinanzierung ist zudem die Marge attraktiver. Das Geschäft mit Hypotheken oder Konsumentenkrediten wird dagegen vollständig veräußert. GECC dürfte in der künftigen Größe nicht mehr als systemrelevantes US-Finanzinstitut eingestuft werden. Im Zuge der Neuausrichtung garantiert nun GE für die Bonds von GECC. Ein Teil der beim Verkauf von Geschäftsteilen von GECC frei werdenden Mittel soll im Zeitraum 2015 bis 2018 durch bis zu 90 Mrd. Dollar umfassende Aktienrückkaufprogramme und Dividendenausschüttungen an den Aktionär fließen. Zugleich legt GE auf den Erhalt des seit 2009 gültigen “AA+”-Ratings von S & P großen Wert.Das schrittweise günstiger werdende Finanzrisikoprofil und die auch im 1. Halbjahr 2015 gestiegene Ertragskraft von GE reflektierten sich im Fünf-Jahres-CDS. Seit Anfang 2015 fiel der Spread von 64 auf 43 BP. Zur Ankündigung der weiteren Fokussierung des GECC-Geschäfts engte sich der CDS-Spread im Tagesverlauf um 18 auf 42 BP ein. Im historischen Vergleich befindet sich der CDS aber deutlich unter dem Krisenniveau des Jahres 2009 mit rund 1 000 BP. Die Finanzierung über Anleihen erfolgt bei GE überwiegend über Dollar, aber auch über den Euro-Bond-Markt. Derzeit hat das Unternehmen 20 Bonds mit Volumina von jeweils über 500 Mill. Euro am Markt ausstehen, die eine hinreichend hohe Handelsliquidität bieten. GE war bislang häufig am Anleiheprimärmarkt aktiv. Allerdings ist im Rahmen des Liquiditätszuflusses durch die Veräußerung großer Teile des Finanzarms bis zum Jahr 2018 keine nennenswerte Aktivität zu erwarten. Die jüngste Euro-Neuemission erfolgte Mitte Mai 2015. Die Fälligkeiten für das laufende Jahr liegen bei 2,6 Mrd. Euro und sind damit überschaubar. Längere Laufzeiten im BlickDie Bonds notieren zumeist oberhalb des für das GE-Rating relevanten “AA+”-Niveaus. Damit erscheinen sie im relativen Marktvergleich günstig bewertet. Zu berücksichtigen ist aber, dass GE trotz der laufenden Neuausrichtung nach wie vor über ein im Industrievergleich hohes Finanzexposure verfügt. Die Renditen (Yield to Maturity) der von uns als interessant eingestuften GE-Anleihen bewegen sich je nach Laufzeitenband zwischen 0,41 % (Fälligkeit 1/2018) und 1,86 % (Fälligkeit 5/2027). Für einigermaßen attraktive Renditen muss sich der Anleger auf längere Laufzeiten einstellen.Der Abschluss des Desinvestitionsprogramms bei der Finanztochter bis Ende 2016 sollte einen erheblichen Liquiditätszufluss bei zugleich sinkenden Finanzmarktrisiken ermöglichen. Daher sollten sich Chancen auf weiter einengende Spreads bieten. Die operative Geschäftslage lässt dies bereits jetzt zu.—-*) Volker Stoll ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.