Anlagethema im BrennpunktAnleihen

Geeignete Anleihen im aktuellen Kapitalmarktumfeld

Unter der Annahme einer Rezession im zweiten Halbjahr 2023 und dem damit verbundenen Risiko steigender Ausfallraten bzw. Risikoprämien wäre es sinnvoll, bonitätsstarke Unternehmensanleihen und Staatsanleihen überzugewichten.

Geeignete Anleihen im aktuellen Kapitalmarktumfeld

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (281)

Geeignete Anleihen im aktuellen Kapitalmarktumfeld

Die vergangenen zwölf Monate gehörten nach einem der größten Crash-Szenarien an den Anleihemärkten zu den spannendsten seit langer Zeit. Rund um den Globus können Anleger ausgesprochen hohe Nominalrenditen erzielen. Für Anleihen mit guter Qualität sind im Euroraum Renditen von 3 bis 4% je nach Laufzeit möglich, in US-Dollar sogar von bis zu 5%. Bei Risikoanleihen, sogenannten High Yield Bonds, liegen die Werte noch etwas höher: in der Eurozone bei mehr als 6%, in Dollar sogar über 7%. Anleger können somit ihr Portfolio in einer Zeit geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten erweitern. Langfristig helfen Anleihen, die Planungssicherheit sowie Cashflows wirksam zu erhöhen und gleichzeitig die Volatilität eines Portfolios zu reduzieren. Sollte sich die Inflation langfristig wieder auf die Zielrate der Notenbanken von 2% bewegen, wären seit Jahren wieder reale Vermögenszuwächse mit Anleihen möglich.

Im aktuellen geldpolitischen Umfeld kann darüber hinaus potenziell noch ein weiteres Argument für Anleihen sprechen: Sollte das Ende des Zinserhöhungszyklus in den meisten Volkswirtschaften tatsächlich in Kürze erreicht sein, bieten langlaufende Anleihen potenzielle Kursgewinne. Umgekehrt gilt allerdings auch: Sollten die Zinsen doch noch weiter steigen, können weitere Kursverluste drohen.

Schon diese beiden möglichen Szenarien zeigen: Anleihen bieten zwar viele Potenziale, sollten jedoch sehr sorgfältig ausgewählt werden – mit einem systematischen Auswahlprozess. Dieser beginnt mit einer makroökonomischen Betrachtung der aktuellen Wirtschaftsentwicklung und ihrer Auswirkung auf die Kapitalmärkte anhand monetärer, fundamentaler und markttechnischer Kriterien. Diese Analyse bildet in Kombination mit dem jeweiligen Risiko-Rendite-Profil die Grundlage für die Steuerung der Anleihenquote. Auf dieser Basis wird die Verteilung zwischen Unternehmens- und Staatsanleihen festgelegt. Ebenso wird die Allokation der Währungsrisiken der verschiedenen Wirtschaftsräume diskutiert. Eine zentrale Rolle im Kapitalmarktumfeld spielt auch die Durationssteuerung, die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer des Portfolios.

In einer umfangreichen Emittentenanalyse folgt die detaillierte Betrachtung der Bonität anhand der wichtigsten Finanzkennzahlen. Schlüsselkriterien bei Unternehmen sind z.B. die Free Cashflow-Rendite oder der Verschuldungsgrad. Handelt es sich bei den Emittenten um Staaten, geht es um Kriterien wie Wirtschaftswachstum, Verschuldung, Handelsbilanzen oder Arbeitsmarktdaten. Ebenso werden Aspekte im Nachhaltigkeitsengagement des Emittenten berücksichtigt. Im nächsten Schritt empfiehlt sich eine absolute und relative Bewertung der zur Auswahl stehenden Anleihen und ihrer Risikoprämien in Relation zu den Bonds anderer Emittenten mit vergleichbarer Bonitätsbewertung. Bei Corporate Bonds erfolgt zudem ein Vergleich der Risikoprämien über Staatsanleihen und Swap-Märkte. Aktuell sind diesen Kreditrisikoprämien bei Investment-Grade-Anleihen ca. 15 bis 30 % der Gesamtverzinsung zuzurechnen. In Krisenphasen wie der Finanzmarktkrise 2009 oder auch zu Beginn der Pandemie und des Ukraine-Krieges lag der Anteil des Credit Spread an der Gesamtverzinsung je nach Laufzeiten bei bis zu 70 bis 90%.

Ein Aspekt, auf den an dieser Stelle ein deutlich größeres Augenmerk als in der Vergangenheit zu richten ist, besteht in der Liquidität von Anleihen. Studien belegen, dass die aktuell implizierten Handelskosten historisch betrachtet hoch sind. Dies ist ein wichtiges Kriterium im Selektionsprozess. Am liquidesten sind Anleihen von Emittenten, die ein Nominalvolumen ab 500 Mill. Euro/Dollar pro Emission aufweisen. Empfehlenswert sind ebenso Neuemissionen. Sie zeigen in den ersten Monaten eine erhöhte Liquidität auf und bieten eine Prämie gegenüber ausstehenden Anleihen für den Investor.

Unter der Annahme einer möglichen Rezession im zweiten Halbjahr 2023 und dem damit verbundenen Risiko steigender Ausfallraten bzw. Risikoprämien von Unternehmen wäre es sinnvoll, bonitätsstarke Unternehmensanleihen und Staatsanleihen im Portfolio überzugewichten. Sollte sich der aktuelle Zinserhöhungszyklus tatsächlich seinem Ende nähern, sind längere Durationen als noch im Jahr 2022 im Gesamtportfolio angemessen.

Tobias Geishauser

Co-Fondsmanager des DJE – Renten Global I (EUR)