Geldpolitik stößt an ihre Grenzen
Von Carsten Lüdemann *)Eine wesentliche Erkenntnis der Notenbanker-Konferenz in Jackson Hole war, dass die Geldpolitik in vielen Ländern auf den erreichten niedrigen bzw. negativen Renditeständen an ihre Grenzen stößt. Trotz ständig weiter sinkender Zinsen fielen die Erfolge bei Konjunktur- und Inflationsbelebung immer niedriger aus. Die EZB kann mit ihren Maßnahmen die Konjunktur ebenso wie die Kapitalmärkte kaum noch unterstützen. Es kommen Zweifel auf, ob es ihr darüber hinaus im Falle einer starken wirtschaftlichen Abschwächung überhaupt noch gelingen kann, ausreichend zusätzliche Impulse auszulösen. Bereits die letzten Ankündigungen von EZB-Präsident Draghi von neuen langfristigen Liquiditätstendern, die Hinweise auf weitere Senkungen des Einlagensatzes für Banken sowie eine mögliche Wiederauflage des Wertpapierkaufprogramms bewirkten kaum noch eine Belebung. Tatsächlich wies der nachfolgende Absturz der Bundrenditen am langen Ende der Zinskurve sogar eher darauf hin, dass die Märkte auf lange Zeit ein Erreichen des EZB-Inflationsziels bezweifeln. Diese Einschätzung wird auch von Inflationserwartungen gestützt, die im Markt anhand der 5-Year-5-Year Inflation Swaps gehandelt werden. Dieser Index wird bevorzugt von der EZB beobachtet, da er einen Einblick der Markterwartungen für die mittel- bis langfristige Inflationsentwicklung gibt. Seit vergangenem Herbst verlief der Index trotz aller Bemühungen der Notenbank stark rückläufig. Selbst die Kehrtwende nach Draghis Sintra-Rede bewirkte nur eine kurze Erholung der Inflationserwartungen und seither verlaufen diese auf niedrigem Niveau seitwärts. Daher ist es sehr fraglich, ob noch mehr der gleichen Medizin wirklich eine Besserung bringen kann. Fiskalpolitik muss es richtenEZB-Präsident Draghi hat seit langem auf jeder Pressekonferenz zum Zinsentscheid mantramäßig von den Regierungen der Eurozone gefordert, für die notwendigen Fiskalimpulse und Strukturprogramme zu sorgen, um die Konjunktur wieder in Gang zu bringen. Auch seine designierte Nachfolgerin Christine Lagarde hat diese Tonspur bereits aufgenommen. Die Peripheriestaaten würden dieser Aufforderung auch liebend gerne nachkommen – allen voran die gerade erst gescheiterte italienische Koalition. Dem stehen aber die Maastricht-Kriterien entgegen, die die EU-Kommission unter Führung der EU-Kernländer zu verteidigen sucht. In vielen Regierungen zeichnen sich jedoch Tendenzen zur Aufweichung der strengen Kriterien an, zuletzt sogar in Deutschland, wo nun diskutiert wird, Investitionen für den Klimaschutz aus dem Verschuldungsrahmen für die Maastricht-Kriterien herauszurechnen. Nachdem populistische Parteien in vielen Ländern zunehmend an Einfluss gewinnen, ist abzusehen, dass die EU-Vorgaben auf Sicht tatsächlich gelockert werden. Im Gegensatz zu den USA, wo Präsident Trump die Wirtschaft mit einer großen Steuerreform relativ einfach angefacht hat, herrscht in Euroland eine große Divergenz zwischen den einzelnen Ländern, nicht nur politisch, sondern auch in der konjunkturellen Entwicklung. Tatsächlich ist Deutschland derzeit das einzige Land, das sich aller Voraussicht nach bereits in der Rezession befindet. Italien ist hiervon nicht weit entfernt, dafür haben Spanien und auch Frankreich zuletzt sehr gute Wachstumsbeiträge geliefert. Deutschland leidet aufgrund seiner Exportlastigkeit besonders unter dem Handelskrieg, der die Industrie weltweit zur starken Einschränkung oder gar völligen Einstellung von Investitionen geführt hat. Hiergegen helfen die klassischen staatlichen Investitionsprogramme genauso wenig wie zusätzliche geldpolitische Lockerung. Es bedarf der politischen Annäherung der Kontrahenten. Immerhin deuten die jüngsten Nachrichten diesbezüglich auf kleine Fortschritte in der Gesprächsbereitschaft zwischen China und den USA hin. Die andere große deutsche Baustelle, die strukturell angeschlagene Autoindustrie, ließe sich dagegen noch eher mit Förderprogrammen für klimaneutrale Antriebsarten ausbessern. Insgesamt böten neue Klimaziele sicherlich genügend Raum für staatliche Investitionen. Positiv für CorporatesFür Unternehmensanleihen sind das jedenfalls gute Nachrichten. Sollten sich die Regierungen in den Euro-Ländern auf Förderprogramme – möglicherweise außerhalb der Verschuldungskriterien – einigen können, dürften zumindest einige Branchen von diesen Programmen deutlich profitieren. In den meisten Ländern wären die klassischen Infrastrukturprogramme durchführbar, die in erster Linie die Branchen Bau, Mobilität und Digitalisierung beträfen. In Deutschland müsste man etwas differenzierter vorgehen. Gerade die Bauwirtschaft ist bereits stark ausgelastet und der Arbeitsmarkt gäbe kaum noch Erweiterungsspielraum her. Die Autobranche hat ein heftiges Imageproblem, so dass einfache Abwrackprogramme politisch kaum durchsetzbar wären. Investitionen in alternative Antriebe und Batteriefabriken könnten da eher akzeptiert werden. Auch über sauberere Heizungen in Wohnimmobilien wird bereits diskutiert. Auf EU-Ebene stehen Gespräche über gemeinsame Strukturprogramme jedoch noch gar nicht richtig auf der Agenda, abgesehen von den regelmäßigen Forderungen aus Italien. Daher dürfte ein entsprechender Beschluss noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, so dass die EZB weiterhin mit ihrer Extrem-Politik die benötigte Zeit kaufen muss. Auch hiervon werden Unternehmensanleihen deutlich profitieren. Zwar sind zuletzt die kritischen Töne innerhalb der EZB bezüglich eines neuen Wertpapierkaufprogramms lauter geworden, doch zielt diese Kritik hauptsächlich gegen eine implizite Staatsfinanzierung. Der Kauf von Unternehmensanleihen und Covered Bonds zur Belebung der Kreditvergabe findet im EZB-Rat überwiegend Zustimmung. Zusammen mit dem insgesamt extrem gedrückten Zinsniveau finden investitionsbereite Unternehmen somit ein äußerst günstiges Finanzierungsumfeld vor. Dieses wirkt sich auch positiv auf Firmen aus, die nicht zum Universum der von der EZB kaufbaren Namen gehören. Für High-Yield-Unternehmen ist ein niedriges Zinsniveau besonders wichtig. Denn oftmals ist es eine negative Spirale aus hohen Zahlungsverpflichtungen zu besonders hohen Zinsaufschlägen, die letztlich zu Zahlungsausfällen führen. Im aktuellen Umfeld arbeitet die Spread-Spirale aber im positiven Sinne: Aufgrund der niedrigen Zinsen müssen selbst hoch verschuldete Unternehmen nur selten Konkurs anmelden. So liegt z. B. die von Moody’s gemessene Ausfallrate von europäischen High-Yield-Unternehmen mit nur noch knapp über 1 % nahe historischer Tiefstwerte. In der Folge ver-langen Investoren nur vergleichsweise niedrige Risikoaufschläge für Anleihen dieser Unternehmen, was wiederum die Ausfallwahrscheinlichkeit weiter senkt. Somit lassen die Aussicht auf ein sehr günstiges Finanzierungsumfeld, zusätzliche Kaufanreize durch die EZB sowie eventuell noch staatliche Investitionsprogramme Unternehmensanleihen selbst auf niedrigstem Renditeniveau noch attraktiv erscheinen. *) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.