DEVISENWOCHE

Geldpolitisches Mikado in Japan

Von Dorothea Huttanus *) Börsen-Zeitung, 29.5.2018 Inmitten von Emerging-Market-Turbulenzen und politischen Irrungen um Italien sind die traditionellen sicheren Häfen derzeit stark im Kommen. Dass das neuerliche Aufbäumen von Japans Währung keinen...

Geldpolitisches Mikado in Japan

Von Dorothea Huttanus *)Inmitten von Emerging-Market-Turbulenzen und politischen Irrungen um Italien sind die traditionellen sicheren Häfen derzeit stark im Kommen. Dass das neuerliche Aufbäumen von Japans Währung keinen lokalen Faktoren geschuldet ist, dürfte dabei unstrittig sein. Doch ist es berechtigt, die Yen-Perspektiven ausschließlich durch die globale Brille zu betrachten? Wie steht es um Japans konjunkturelle und geldpolitische Aussichten? Japans Wirtschaft hat sich zum Jahresanfang noch schlechter entwickelt als ohnehin befürchtet. Die mit acht Wachstumsquartalen in Folge längste Erfolgsstrecke seit den achtziger Jahren ist beendet. Erfahrungsgemäß sind die ersten BIP-Veröffentlichungen aus Japan revisionsanfällig, insofern sollte man das Minus nicht überbewerten. Dass sich die Konjunkturdynamik merklich abgekühlt hat, steht aber außer Frage – ganz zu schweigen vom schwelenden Handelsstreit mit den USA und der für Oktober 2019 geplanten Konsumsteuererhöhung. Inflationsziel wird verfehltTrotz gewisser Fortschritte fällt Japans Preisentwicklung noch immer weit hinter die ambitionierten Ziele der Notenbank zurück. Kein Wunder also, dass die Bank of Japan (BoJ) scheinbar alles daransetzt, Spekulationen auf einen Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik im Keim zu ersticken. Jüngstes Indiz hierfür ist, dass sie bei ihrer April-Sitzung den Zeitpunkt für das Erreichen des Inflationsziels gestrichen hat. Das soll nicht heißen, dass sie das Inflationsziel als solches aufgegeben hat; nur geht aus den Projektionen jetzt hervor, dass sie es auch im Fiskaljahr 2020 nicht zu erreichen glaubt.Umso bemerkenswerter ist die Entwicklung des Anleihekaufprogramms. Im Rahmen ihrer YCC-Politik (“Yield Curve Control”) strebt die Notenbank eine Ausweitung ihrer JGB-Bestände um “mehr oder weniger” 80 Bill. Yen p.a. an. Doch auch wenn das Bekenntnis zur ultralockeren Geldpolitik geradezu gebetsmühlenartig zu hören ist, zeichnet die tatsächliche Bilanzentwicklung ein gänzlich anderes Bild: Japans Notenbank hat das Tempo ihrer JGB-Käufe massiv zurückgenommen, erst klammheimlich und seit rund einem halben Jahr mit zunehmender Dynamik. Der Bestand japanischer Staatsanleihen in den Händen der BoJ hat sich im April nur noch um 48 Bill. Yen gegenüber dem Vorjahr ausgeweitet, verglichen mit einem Plus von 82 Bill. Yen im April 2016 und trotz des oben erwähnten Ziels von “mehr oder weniger” 80 Bill. Yen. Und es ist nicht etwa so, dass die Notenbank von Staatsanleihen auf andere Wertpapiere umgeschwenkt wäre; auch die Käufe von ETFs fielen zuletzt unter das angestrebte Jahresziel zurück. Insgesamt ist die Bilanzsumme der Bank of Japan innerhalb der letzten zwölf Monate nur noch um 38 Bill. Yen gestiegen – das ist weniger als die Hälfte von vor einem Jahr!Ist das Ende der ultralockeren Geldpolitik in Japan also längst gekommen und wir haben es übersehen? Was unterscheidet das langsamere Kauftempo der BoJ vom Tapering der EZB oder der Fed? Und die für uns wichtigste Frage: Warum springt der Yen nicht darauf an? Als die EZB Ende 2016 angekündigt hat, ihre Anleihekäufe von 80 auf 60 Mrd. Euro pro Monat zu reduzieren, aber dies nicht als Exit verstanden wissen wollte, haben die Märkte dies geschluckt. Die Ankündigung vom Oktober 2017, von 60 auf 30 Mrd. Euro monatlich zu reduzieren, wurde dagegen als “echter” Exit willkommen geheißen. Auch bei der Fed waren es die Absichtserklärungen und nicht die Reduzierung der Käufe, die für den Dollar relevant waren.Ob dies zur ökonomischen Beurteilung des geldpolitischen Expansionsgrads der richtige Weg ist, sei dahingestellt. Die Finanzmärkte blicken aber offenkundig nicht auf die tatsächlichen Bondkäufe, sondern auf das begleitende Wording der Notenbanken. Und solange Japans Währungshüter darauf beharren, dass ihre Geldpolitik ultraexpansiv war, ist und auf absehbare Zeit bleiben wird, ist der Yen im internationalen geldpolitischen Vergleich weit abgeschlagen. Insbesondere fehlt es in Japan an einem begleitenden Renditeanstieg, der den Exit besiegeln würde. Japans Notenbank hat den JGB-Markt durch die Politik der letzten Jahre so stark narkotisiert, dass die beinahe Halbierung der Anleihekäufe keine nennenswerte Reaktion zur Folge hatte. Auch der Yen ist Spiegelbild dieses komatösen Zustands: Anders als bei Fed und EZB, wo die Entwicklung der Notenbankbilanzen (bzw. das Ende der Anleihekaufprogramme) einen radikalen Stimmungsumschwung zugunsten von US-Dollar bzw. Euro ausgelöst hatte, ist am Devisenmarkt keine Rede davon, dass die BoJ ihre Bilanzausweitung halbiert hat – geschweige denn, dass der Yen von der weniger expansiven Geldpolitik profitiert hätte. Bilanz ist noch kein ThemaWir gehen davon aus, dass Japans Geldpolitik in der öffentlichen Wahrnehmung ihrem geldpolitischen Mikado-Spiel (“Wer sich bewegt, verliert”) vorerst treu bleiben will. Ob ihr dies auf Dauer gelingen kann, ist eine andere Frage. Damit wären wir bei dem für uns größten Prognoserisiko für den Yen. Die meisten Beobachter denken an die Rolle als sicherer Hafen, wenn sie nach potenziellen Gründen für eine unerwartete Yen-Stärke gefragt werden – und an globalen Quellen für Risikoaversion mangelt es aktuell wahrlich nicht. Dass der Aspekt der BoJ-Geldpolitik eine andere als negative Wirkung auf den Yen haben kann, scheint dagegen utopisch – entsprechend heftig dürften die Marktreaktionen ausfallen, wenn die BoJ-Bilanzsumme zum Thema wird.—-*) Dorothea Huttanus ist Devisen-Analystin bei der DZ Bank.