General Dynamics verspricht solides Wachstum
Geld oder Brief
General Dynamics verspricht solides Wachstum
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
ku Frankfurt
Im gegenwärtigen geopolitischen Umfeld, das durch eine steigende Zahl von Konflikten gekennzeichnet ist, gehören Rüstungsaktien zu den Favoriten der Anleger. General Dynamics (GD), der fünftgrößte Rüstungskonzern der USA und auch der Welt, hat in den vergangenen drei Jahren seinen Aktienkurs fast verdoppeln können. Im vergangenen Dezember verzeichnete der Titel sogar ein Allzeithoch von 256,86 Dollar. Danach ging es zwar abwärts, insbesondere die erste Jahreshälfte 2023 lief nicht so gut mit einem deutlichen Kursrückgang. Im bisherigen Jahresverlauf ergibt sich daher ein leichter Kursrückgang um 2% auf aktuell rund 242 Dollar. Seit der Jahreshälfte geht es allerdings wieder aufwärts und der Ausbruch des neuen Nahostkriegs hat für einen Kurssprung der Aktie gesorgt.
Die Aktie könnte ihren Anstieg fortsetzen, denn sie gilt einigen Analysten als unterbewertet. Das Unternehmen verfügt zudem über Rüstungsprodukte, die in den kommenden Jahren besonders gefragt sein könnten. Die Analystengemeinde an der Wall Street sieht die Aktie verhalten positiv mit einem durchschnittlichen Kursziel für die kommenden zwölf Monate von 266,52 Dollar. Bezogen auf den aktuellen Kurs wäre das ein Anstieg von rund 10%. Von 24 Analysten raten immerhin 15 zum Kauf der Aktie, zudem gibt es zwei Einstufungen mit „Overweight“. Sieben Aktienexperten legen den Kunden nahe, den Titel im Portfolio zu behalten. Verkaufsempfehlungen oder „Underweight“-Einstufungen existieren gegenwärtig keine.
Zu denjenigen Waffensystemen von General Dynamics, die in den kommenden Jahren besonders gefragt sein könnten, gehören Kampfpanzer, Atom-U-Boote und Raketenzerstörer. Zwar verfügt die US-Armee über 2.000 Kampfpanzer des Typs M1A2 Abrams, die der Konzern ab den 1990er Jahren gebaut hat. Diese erweisen sich jedoch zunehmend den gegnerischen Waffensysteme als unterlegen – den neuesten Kanonen der russischen Panzer T-90 und T-14 sowie vor allem den tragbaren Anti-Panzer-Raketen „Kornet“ und sogar den iranisch-russischen Billig-Drohnen vom Typ „Geran-2“ ist die Abrams-Panzerung nicht gewachsen. General Dynamics hat bereits verbesserte neue Versionen vorgestellt, hier könnten Großaufträge winken.
Führender U-Boot-Bauer
Die GD-Sparte Electric Boat ist traditionell der mit Abstand führende U-Boot-Hersteller für die amerikanische Marine. Russland und China stellen mit großem Tempo zahlreiche neue Atom-U-Boote in Dienst, die nach Ansicht vieler Militärexperten den amerikanischen Modellen in vielerlei Hinsicht überlegen sind. Die US-Regierung könnte sich veranlasst sehen, mehr und modernere U-Boote in kürzerem Abstand bei General Dynamics zu bestellen und vor allem die sehr begrenzten amerikanischen Kapazitäten für den U-Boot-Bau zu erweitern. Der Konzern stellt auch die Raketenzerstörer der Arleigh-Burke-Klasse her, die noch für viele Jahre neben den U-Booten die wohl wichtigste Schiffsklasse der US-Marine bleiben werden – unter anderem deshalb, weil das geplante Nachfolgemodell Zumwalt-Klasse schlicht nicht funktioniert hat. General Dynamics stellt also sehr viele Waffensysteme her, die für die USA essenziell wichtig sind, bei denen das Land aber technologisch im internationalen Wettbewerb im Vergleich zu den wichtigsten Kontrahenten zurückgefallen ist. Das bedeutet, dass die US-Regierung in diesen Bereichen sehr viel Geld in die Hand nehmen muss, wovon General Dynamics stark profitieren sollte, weil es praktisch keinen anderen US-Konzern gibt, der bei derartigen Waffensystemen über ausreichend Know-how und Kapazitäten verfügt.
General Dynamics hat aber auch zivile Geschäftsbereiche, beispielsweise den Business-Jet-Hersteller Gulfstream, der mit der G800 ein neues Flugzeug auf den Markt bringt. Es wird sich um das Flugzeug für Geschäftsreisende mit der bisher größten Reichweite von 8.000 nautischen Meilen handeln. Der Markt für Business-Jets wächst trotz aller Bekenntnisse der Unternehmenskunden zur grünen Transformation stark, von 32 Mrd. Dollar in Jahr 2021 auf geschätzte 35 Mrd. Dollar per Ende diesen Jahres. GD kann eine Book-to-Bill-Ratio im Aerospace-Geschäft von 1,4:1 vorweisen, es gibt also mehr Bestellungen als Auslieferungen.
Vor allem mit Blick auf die Tatsache, dass die USA in Sachen Rüstungstechnologie gegenüber den Konkurrenten Russland und China zurückgefallen sind und die Nato durch den Ukraine-Krieg ihre Bestände an Kriegsgerät und vor allem Munition weitgehend geleert hat, was sich im neuen Nahostkrieg fortsetzen könnte, darf erwartet werden, dass die amerikanischen Rüstungsausgaben eher noch weiter steigen. General Dynamics verfügt per Ende des dritten Quartals, für das die Zahlen jetzt vorgelegt wurden, bereits jetzt über einen rekordhohen Auftragsbestand von 95,6 Mrd. Dollar.
Die Ertragslage sieht aktuell ebenfalls nicht schlecht aus. Im dritten Quartal konnten die Erlöse im gleichen Vorjahreszeitraum um 6% auf 10,6 Mrd. Dollar gesteigert werden. Das Ergebnis je Aktie ging zwar um knapp 7% auf 3,04 Dollar zurück, es wurde allerdings die Konsensschätzung von 2,91 Dollar übertroffen. Ebenfalls über den Erwartungen von 1 Mrd. Dollar lag der Netto-Cashflow aus dem operativen Geschäft mit 1,35 Mrd. Dollar. Das geschätzte Volumen des gesamten Geschäfts, das aus den Bestellungen bei GD erwächst, wird vom Management auf 132,9 Mrd. Dollar geschätzt – dies ist nicht weniger als der Umsatz von drei Geschäftsjahren. Allerdings sieht es derzeit nicht nach positiven Überraschungen im Gesamtjahr aus. Das Management rechnet für das Gesamtjahr 2023 mit einem Ergebnis je Aktie zwischen 12,60 und 12,65 Dollar, während die Konsensschätzung bei 12,59 Dollar liegt. Damit muss der Konzern im vierten Quartal noch 4,20 Dollar an Ergebnis je Aktie erwirtschaften, während der Markt mit einem Gewinn im vierten Quartal von 4,33 Dollar rechnet.
Allerdings sieht die Aktie von General Dynamics gemäß den Kennzahlen nicht billig aus. Auf Basis der Erwartungen für die kommenden zwölf Monate liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei 20,3. Die Aktie des größten US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin ist mit einem KGV von 16,4 billiger, ebenso Northrop Grumman mit 16, während RTX (ehemals Raytheon) aber mit 36,4 noch sehr viel teurer ist. Und GD hat natürlich auch Probleme. So weist die Schiffbau- und U-Bootsparte mit 7,3% die mit Abstand niedrigste operative Marge auf.
Immerhin konnte das Umsatzwachstum der Sparte Combat Systems, die den Abrams-Panzer baut und die früher wenig Dynamik zeigte, in den ersten neun Monaten auf 14,5% angekurbelt werden, was sogar das größte Wachstum einer Sparte darstellt. Spürbar abgebaut werden konnte die Verschuldung, die nun bei 46,4% des Eigenkapitals liegt gegenüber 56,5% per Ende 2022.
Der Netto-Schuldenberg liegt nun bei 7,9 Mrd. Dollar gegenüber 9,3 Mrd. Dollar per Ende 2022. Für US-Investoren, die an große Technologiekonzerne ohne jede Verschuldung gewöhnt sind, ist das schon viel.
Der Konzern sollte weiter gedeihlich wachsen – die US-Regierung ist auf General Dynamics angewiesen und muss in den Bereichen viel Geld ausgeben. Anleger sollten aber auch die Staatsverschuldung im Blick behalten. Sie steigt schwindelerregend schnell und es stellt sich die Frage, wie lange die US-Regierung ihren Ausgabenkurs beibehalten kann.