GELD ODER BRIEF

Givaudan beeindruckt mit hoher Dividende

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 17.1.2014 Bis zum 6. Dezember war Nestlé mit einer Beteiligung von gut 10 % Großaktionärin des Genfer Aromen- und Riechstoffherstellers Givaudan. Die Beteiligung war Ausdruck einer neuen Geschäftsbeziehung...

Givaudan beeindruckt mit hoher Dividende

Von Daniel Zulauf, ZürichBis zum 6. Dezember war Nestlé mit einer Beteiligung von gut 10 % Großaktionärin des Genfer Aromen- und Riechstoffherstellers Givaudan. Die Beteiligung war Ausdruck einer neuen Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Firmen, die vor zwölf Jahren mit dem Transfer der Aromensparte von Nestlé zu Givaudan ihren Anfang nahm. Es war die Einsicht in die wirtschaftlichen Vorteile der Arbeitsteilung, die den Multi bewogen hatte, die Aromen für das eigene Nahrungsmittelsortiment nicht mehr selber herzustellen, sondern einzukaufen. Givaudan-Sprecher Peter Wullschleger spricht von einer “kritischen Größe”, die notwendig geworden sei, damit die vom zunehmenden Tempo der Geschmacksveränderungen der Konsumenten bestimmten, hohen Kosten zur Entwicklung neuer Duftstoffe und Aromen finanzierbar blieben.Es mag verwundern, dass ein Riesenkonzern wie Nestlé mit einem Jahresumsatz von über 100 Mrd. sfr die kritische Größe nicht selber auf die Waage bringt. Doch bei Lichte besehen ist das gar nicht erstaunlich. So zentral Aromen für den Konsumenten auch sein mögen, der Preis der dafür mitverantwortlichen Moleküle repräsentiert kaum mehr als ein halbes Prozent der Herstellungskosten. Dem auf rund 18 Mrd. sfr geschätzten Aromen- und Riechstoffmarkt liegt deshalb ein jährliches, weltweites Konsumgütergeschäft in Billionenhöhe zugrunde. In diesem Riesenmarkt können sich selbst Multis vom Kaliber einer Nestlé keine Verzettelung der eigenen Ressourcen leisten. MarktführerGivaudan ist mit einem Jahresumsatz von 4,3 Mrd. sfr (2012) und einem Marktanteil von gegen 25 % die Nr. 1 der Branche. Dahinter folgen die amerikanische IFF und die Genfer Firmenich mit je rund 17 % sowie die deutsche Symrise mit 10 %. Die Oligopolisierung des Marktes hat sich in den vergangenen 15 Jahren kräftig beschleunigt. So wie Givaudan 2002 bei Nestlé einkaufte, erwarb Firmenich im Jahr 2007 die Aromasparte von Danisco und Symrise im gleichen Jahr jene von Unilever. Ein wichtiges Element zur Beschleunigung des Wachstums war für Givaudan auch die Abspaltung von Roche, die am 8. Juni 2000 vollzogen wurde. Befreit vom Einfluss des Pharmakonzerns eröffneten sich dem Unternehmen Absatzmöglichkeiten, die ihm vorher verschlossen waren – entweder aus Konkurrenzgründen oder weil das Aromen- und Riechstoffgeschäft in der Strategie von Roche nur untergeordnete Bedeutung hatte. “Die Karten sind verteilt”Wie stark der Trend zur Arbeitsteilung den Aromen- und Riechstofffirmen in den vergangenen Jahren in die Hände spielte, lässt sich an der langfristigen Entwicklung der schon seit Jahrzehnten an der Börse notierten IFF ablesen. Von 1990 bis ins Jahr 2000 vermochte der US-Konzern den Umsatz gerade mal um 23 % bzw. um durchschnittlich 2,1 % p. a. zu steigern. In den 13 Jahren danach schossen die jährlichen Wachstumsraten im Mittel auf 6,1 % in die Höhe, und das Gewinnwachstum galoppierte gar doppelt so schnell. Givaudan erreichte seit dem Börsengang im Jahr 2000 fast auf die Kommastelle genau die gleichen Wachstumsraten wie IFF. Inzwischen aber scheint der Konzentrationsprozess eine obere Grenze erreicht zu haben. Zwar keimen die Übernahmegerüchte auch in dieser Branche regelmäßig auf. So hieß es an der Börse vor einem halben Jahr, Givaudan könnte sich sieben Jahre nach der letzten Großakquisition (Quest) auch noch Symrise einverleiben und sich damit einen besseren Zugang ins Kosmetikgeschäft eröffnen. Von solchen Spekulationen hält Jean-Philippe Bertschy, Analyst der Bank Vontobel, aber gar nichts. “Die Karten in dem Markt sind verteilt. Jetzt geht es darum, durch eigene Kraft weiter in den neuen Konsumgütermärkten der aufstrebenden Schwellenländer zu expandieren.” Givaudan baut oder plant zurzeit den Bau neuer Fabriken in China, Singapur und Indien. Der Konzern betreibt weltweit rund 30 chemische Produktionsanlagen.Parallel zu den abnehmenden Wachstumseffekten aus der Marktkonsolidierung haben auch die Konsumgütermärkte in den Schwellenländern etwas an Dynamik verloren. Ob das nur eine temporäre, konjunkturelle Erscheinung ist oder ob sich in diesen Märkten bereits eine gewisse Sättigung abzeichnet, ist unklar. So oder so waren die Expansionsraten bei Givaudan und einigen großen Mitbewerbern in den vergangen Jahren eher rückläufig. Im laufenden Jahr hat das Wachstum aber wieder angezogen, und Givaudan rechnet bis 2015 unverändert mit einem jährlichen Wachstum von 4,5 % bis 5,5 %. Diese Projektion genießt bei den Investoren offensichtlich eine hohe Glaubwürdigkeit. Die aktuelle Börsenbewertung nimmt etwa das 20fache des im kommenden Jahr erwarteten Gewinns von rund 500 Mill. sfr vorweg. “Die stolze Bewertung trägt auch der starken Marktstellung, der soliden Bilanz und der hohen Ausschüttung Rechnung”, sagt Daniel Bürki von der Zürcher Kantonalbank. Bill Gates GroßaktionärDie Dividendenfähigkeit von Givaudan ist in der Tat beeindruckend: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Firma einen freien Cash-flow von 512 Mill. sfr oder 12 % des Umsatzes. Das Ziel im laufenden Fünfjahresplan beträgt sogar 14 % bis 16 %. Davon will das Unternehmen mindestens 60 % an die Aktionäre ausschütten. Im Frühjahr 2012 waren es sogar 65 % bzw. 332 Mill. sfr. Die hohe Dividendenfähigkeit von Givaudan dürfte auch der Hauptgrund sein, weshalb die Bill Gates Foundation schon seit mehreren Jahren eine Beteiligung von über 10 % an Givaudan hält. Weshalb hätte die Stiftung sonst eine solche Wette auf den mit einer Marktkapitalisierung von 9 Mrd. sfr drittkleinsten Wert im Schweizer Blue-Chip-Index SMI setzen sollen? Marktgerüchten zufolge soll die Stiftung des Microsoft-Gründers ihre Beteiligung im Zug des Ausstieges von Nestlé noch um ein paar Prozente aufgestockt haben.