Türkische Lira

Glaube, Hoffnung, Erdogan

Vor vier Monaten hätten das wohl die wenigsten ge­dacht: Die türkische Lira zählt aktuell mit einem Plus von 6% zu den Währungen mit den größten Gewinnen seit Jahresbeginn. Und auf den ersten Blick spricht nichts dafür, dass sich daran so schnell...

Glaube, Hoffnung, Erdogan

Vor vier Monaten hätten das wohl die wenigsten ge­dacht: Die türkische Lira zählt aktuell mit einem Plus von 6% zu den Währungen mit den größten Gewinnen seit Jahresbeginn. Und auf den ersten Blick spricht nichts dafür, dass sich daran so schnell etwas ändert. Im Allgemeinen wird damit gerechnet, dass die türkische Zentralbank und deren Präsident Naci Agbal die Leitzinsen auf der Sitzung am Donnerstag bei 17% halten werden. Das hilft der Lira.

Die Politik der türkischen Notenbank wird gemeinhin gelobt, seitdem Agbal den Posten als Gouverneur Anfang November übernommen hat. Der neue Mann finde den richtigen Ton gegenüber Investoren. Ernannt wurde er nach dem Rauswurf seines Vorgängers Murat Uysal, die zweite Entlassung eines türkischen Notenbankchefs innerhalb von rund einem Jahr durch Präsident Erdogan. Die Pferde zu wechseln war höchste Zeit, denn die Lira war damals auf 8,60 pro Dollar gefallen und hatte von Januar bis November 43% an Wert verloren. Anfang 2020 lag der Dollar noch bei 5,94 Lira – davon ist die türkische Währung heute weit entfernt.

Unbestritten ist, dass das Vertrauen in die türkische Geldpolitik zurückgekommen ist. Die Frage bleibt jedoch, ob zu Recht. Zwar hatte Erdogan seinem neuen Notenbankchef Rückendeckung zugesichert und gesagt, die Türkei werde „bittere Pillen“ schlucken müssen. Gemeint waren höhere Zinsen zur Eindämmung der Inflation. Unklar ist aber, ob der Präsident nur Kreide gefressen hat. Der Staatschef wurde nach einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern erst kürzlich damit zitiert, er glaube nicht, dass sich das Land mit hohen Zinssätzen entwickeln werde. Unvergessen ist seine lange Zeit gültige, „nichtkonventionelle“ Sicht der Geldpolitik, dass hohe Zinsen eine hohe Inflation verursachen.

Genau wie das Spannungsfeld zwischen Zentralbank und Erdogan geblieben ist, hat sich an den ökonomischen Schwierigkeiten des Landes wenig geändert. Die Inflation beträgt rund 15%. Die Devisenreserven sind durch den vergeblichen Kampf gegen eine schwache Lira 2020 aufgezehrt. Das Land hat einen hohen kurzfristigen Finanzierungsbedarf und damit weniger Spielraum als in früheren Jahren. Und schließlich ist die Coronakrise am Wachstum der Türkei mitnichten spurlos vorübergegangen.

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass Erdogan sich des Risikos einer abermaligen Einmischung bewusst ist. Wenn er wieder versucht, dem Ansatz der Notenbank offen zu widersprechen, dürfte es mit dem Vertrauen der Finanzmärkte und der türkischen Währung bergab gehen.

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