Glencore kann nicht ohne Kohle
Geld oder Brief
Glencore kann nicht ohne Kohle
Von Daniel Zulauf, Zürich
Anfang April 2023 hatte Glencore den Versuch gestartet, das kanadische Bergbauunternehmen Teck Resources zu übernehmen. Das Unterfangen scheiterte postwendend am Widerstand des Teck-Verwaltungsrats und seiner Aktionäre. 17 Monate später lässt sich feststellen: Der Börsenwert von Teck Resources ist im Vergleich zum ursprünglichen Glencore-Angebot um etwa 35% gestiegen. Und die Glencore-Titel haben seit der verlorenen Schlacht 15% eingebüßt.
Diese Fakten stützen die Beobachtung einer aktuellen UBS-Studie: „Die Bergbauindustrie hat einen armseligen Leistungsausweis, wenn es um die Schaffung von Aktionärswert durch Übernahmen und Fusionen geht. Die Transaktionen erfolgen meistens auf dem Höhepunkt des Zyklus und ziehen dann finanzielle Wertberichtigungen nach sich.“
Im vorliegenden Fall ist eine Erkenntnis besonders aufschlussreich: Die Teck-Aktionäre sind reicher geworden, weil sie im Prinzip genau das getan haben, was die Glencore-Eigner in einer internen Anhörung, in Übereinstimmung mit ihrem Management, offenbar mit „großen Mehrheit“ als wertschmälernd erachtet hatten.
Nur Kohle statt Kupfer
Die Kanadier haben sich vollständig von ihrem Kohlegeschäft getrennt, um sich ganz auf die Exploration von Zink und vor allem Kupfer zu konzentrieren. Statt das Kohlegeschäft via Teilverkauf zu verselbständigen, kündigte Teck im November 2023 die vollständige Veräußerung ihrer langjährigen Ertragsperle just an Glencore an.
Der Rohstoffriese aus Europa war ursprünglich in Kanada mit der Idee vorstellig geworden, die beiden Unternehmen nach erfolgter Fusion in eine CoalCo und in eine MetalsCo aufzuspalten, um aus der MetalsCo die neue Kerngesellschaft zu formen, die sich mit der Förderung von Metallen für die Energiewende profiliert. Am Ende gab sich Glencore allein mit der kanadischen Kohle zufrieden, und seit Anfang August ist auch klar, dass man im Kohlegeschäft bleiben wird. Man habe zwei Drittel der Aktionäre befragt und eine „überwältigende Mehrheit“ habe sich für diese Option ausgesprochen, teilte Glencore mit.
Von einem „optimalen Weg“ zur Schaffung eines „vorzeigbaren“ und „realisierbaren“ Wertes für die Glencore-Aktionäre war in der Medienmitteilung die Rede. Eine weniger kryptische Formulierung wäre wohl nicht leicht zu finden gewesen. Schließlich führt Teck Resources den Glencore-Interessierten gerade vor Augen, dass die Schaffung von Aktionärswert keineswegs der Mitführung eines Kohlegeschäftes bedarf.
Warum also hat Glencore das Geschäft mit der Kohle behalten, obschon das Unternehmen für viele große Assetmanager aus Klimaschutzgründen nicht mehr investierbar ist? Die fehlende Größe im Metallgeschäft war offenbar eine Sorge unter manchen Aktionären. Das Argument ist nicht stichhaltig. Teck Resources erwirtschaftete mit der Gewinnung von Kupfer und Zink einen Umsatz von umgerechnet rund 2,5 Mrd. Dollar in den ersten sechs Monaten des Jahres. Glencore kam im gleichen Zeitraum mit gleichen zwei Rohstoffen auf ein Verkaufstotal von 16 Mrd. Dollar.
Offenbar stellten laut Glencore manche Aktionäre auch den positiven Bewertungseffekt eines verbesserten ESG-Ratings durch eine Kohleabspaltung infrage. Die hohe Zustimmungsrate von 95% der befragten Aktionäre ist allerdings ein dürftiger Beleg dafür. Manche Glencore-Aktionäre wie unlängst auch die britische Versicherungsgruppe Legal & General haben sich in der Vergangenheit von dem Unternehmen abgewandt und eine Allianz der Kohlebefürworter zurückgelassen. Während vor zwei oder drei Jahren noch rund 30% der Glencore-Aktionäre gegen den Klimaschutzplan des Unternehmens votierten, war auf der letzten Aktionärsversammlung praktisch kein Widerstand mehr zu erkennen.
So bleibt das Argument, dass Glencore den geplanten Ausbau der Förderkapazitäten bei den für die Akkumulatoren-Industrie wichtigen Mineralien und Metallen weiter bequem aus dem Kohlegeschäft finanzieren könne. Doch auch dieses Argument überzeugt nicht. Statt die Teck-Kohle zu kaufen, hätte Glencore die dafür aufgewendeten 7 Mrd. Dollar just für solche Investitionen verwenden können.
Am Ende sieht eben vieles danach aus, als trauten die beiden größten Glencore-Aktionäre, der frühere CEO Ivan Glasenberg (9,9%) und der katarische Staatsfonds (8,6%), ihrem Kohlegeschäft keine akzeptable Börsenbewertung als eigenständige Gesellschaft zu. Der Zukauf von Kokskohle aus Kanada ist vielleicht ein Versuch, den geringen langfristigen Wert des eigenen großen Portfolios an Kraftwerkskohle etwas aufzupolieren und so eine negative Bewertungskorrektur der Glencore-Aktien zu mindern oder aufzuschieben.
Aber Glasenberg & Co. halten ihre Glencore-Titel ohnehin nicht wegen des Aktienkurses. Der Konzern ist eine Art „Mega ATM“: Allein zwischen 2019 und 2023 hat er Cash-Auszahlungen an die Aktionäre in Höhe von 29 Mrd. Dollar vorgenommen. Das Geld kommt aus den Kohleminen, die viel produzieren, aber keine namhaften Investitionen mehr erhalten. Ohne Kohle müsste Glencore also eine neue Investmentstory erfinden. Eine solche hat man derzeit aber offensichtlich nicht zur Hand.