Glitschiges Terrain
Von Anna-Maria BorseDer Ölpreis ist immer für Überraschungen gut: Nach dem rasanten Preisverfall zwischen Juli 2014 und Januar 2015 machten die Notierungen Ende Januar einen kräftigen Satz nach oben. Für ein Barrel der Nordseesorte Brent, das zwischenzeitlich nur noch 46,41 Dollar gekostet hatte, mussten wieder über 60 Dollar gezahlt werden, aktuell (Mitte Februar) liegt der Preis bei 57,40 Dollar; für die US-Leichtölsorte WTI sind es nach im Tief 43,59 Dollar wieder 51,13 Dollar. Auch der europäische Ölaktien abbildende Stoxx Europe 600 Oil & Gas, der von Juni bis Dezember ein Drittel an Wert verloren hatte, ist seitdem wieder um 22 % gestiegen.Auslöser waren Spekulationen über eine sinkende Produktion. “Die Anzahl an Ölplattformbetreibern im US-Onshore-Sektor dürfte zukünftig schrumpfen”, meint etwa Duncan Goodwin, Leiter des Global Resources Teams von Baring Asset Management. “Wir gehen von einer starken Angebotskorrektur in den nächsten sechs bis zwölf Monaten aus, was in der zweiten Jahreshälfte zu einer Preiserholung führen dürfte.”Viele Investoren sehen das ähnlich, am Markt wird derzeit jedenfalls rege auf einen Preisanstieg spekuliert, etwa mit ETC, ETF, Rohstoffaktien oder Zertifikaten. “Die Mittelzuflüsse in unsere ETC auf Rohöl der Sorten WTI und Brent reißen nicht ab”, berichtet etwa Bernhard Wenger von ETF Securities. Nach hohen Zuflüssen im Januar hätten Investoren in der ersten Februarwoche abermals rund 130 Mill. Dollar in Öl-ETP gesteckt. Dies seien die höchsten wöchentlichen Zuflüsse seit vier Jahren. “Aufgrund einer robusten US-Wirtschaft, Unruhen in einigen Förderländern und Schließungen von Förderanlagen in den USA sind offenbar immer mehr von einem Aufwärtstrend bei den Ölpreisen überzeugt.”Auch entsprechende Zertifikate gehen gut weg. “Anleger positionieren sich auf einen mittelfristig steigenden Ölpreis und haben ausdrücklich auch keine Angst vor schwankenden Wechselkursen”, meint Christian Glaser, Derivateexperte bei der BNP Paribas. Währungsschwankungen ausschaltende Quanto-Zertifikate interessierten also nicht, sondern vielmehr einfache Tracker wie das Open-End-Zertifikat auf Brent Crude Rohöl ICE Rolling (NL0000202109). “Damit spart man sich auch die aufgrund der Volatilität teilweise beachtlichen Quanto-Gebühren, die sich über einen längeren Zeitraum natürlich renditeschmälernd auswirken.” Daneben seien auch rolloptimierte Produkte beliebt, etwa das RICI Enhanced Brent Crude-Zertifikat (DE000AA1HXV8). Insbesondere institutionelle Kunden, Vermögensverwalter und Kunden mit längerem Horizont griffen darüber hinaus auf besicherte ETC zurück, etwa auf den RBS RICI Enhanced Brent Crude Oil-ETC (NL0009360759). Achtung RollverlusteMit ETC können Anleger direkt auf den Ölpreis setzen, etwa mit dem ETFS Brent 1month (DE000A0KRKM5), dem ETFS Brent Crude (DE000A1N49P6) oder dem ETFS WTI Crude Oil (DE000A0KRJX4) von ETF Securities sowie dem DB Brent Crude Oil Booster (DE000A1KYN55) und dessen währungsgesicherter Variante (DE000A1AQGX1) von der Deutschen Bank.Sowohl ETC als auch klassischen Zertifikate sind rechtlich gesehen Schuldverschreibungen, es gibt also ein Emittentenrisiko. Das heißt: Im Insolvenzfall des Emittenten kann es zum Verlust des eingesetzten Kapitals kommen. Im Fall der ETC gibt es daher die besicherten Varianten. Anleger müssen ebenfalls auf mögliche Rollverluste achten. Dazu kann es in Contango-Situationen kommen, wenn also der Kassapreis für Öl unter dem Terminpreis notiert – wie im Moment. Rohöl wird an der Terminbörse als Future gehandelt: Da die physische Auslieferung nicht gewünscht ist, rollt der Emittent den Future kurz vor Lieferfrist in den nächstfälligen Kontrakt. Kostet dieser mehr als der alte, kommt es zum Rollverlust für den Anleger. So kann es passieren, dass der Kurs eines Zertifikats nicht steigt, obwohl der Ölpreis gestiegen ist.Daher gibt es mittlerweile zahlreiche Produkte, die mit sogenannten rolloptimierten Strategien arbeiten. Dafür fallen allerdings Kosten an. Glaser zufolge lohnt sich das aber: “Die RICI-Produkte, deren Strategie auf die Minimierung von Rollverlusten ausgelegt ist, haben trotz der anfallenden Gebühren von 1 % jährlich bei den Zertifikaten und 0,85 % p.a bei ETC das gebührenfreie, nichtoptimierte Produkt in der Vergangenheit deutlich outperformt.” Ölaktien und ETFDaneben können Anleger auch Aktien der Ölkonzerne kaufen, die sich, trotz zum Teil heftiger Gewinneinbrüche im Schlussquartal 2014, zuletzt deutlich erholt haben, Beispiele sind BP, Royal Dutch Shell, Statoil und OMV. Bei den US-Konkurrenten Exxon Mobil und Chevron haben Euro-Investoren ohnehin von der Dollar-Stärke profitiert. Breit aufstellen können sich Investoren mit ETF, die die ganze Branche abbilden, etwa dem Lyxor Ucits ETF Stoxx Europe 600 Oil & Gas (FR0010344960), dem Source Stoxx Europe 600 Optimised Oil & Gas (IE00B5MTWH09) oder dem iShares Stoxx Europe 600 Oil & Gas (DE000A0H08M3). Anders als bei Zertifikaten oder ETC gibt es hier kein Emittentenrisiko: Wie klassische Investmentfonds gehören ETF zum Sondervermögen des Emittenten, das auch im Fall einer Insolvenz erhalten bleibt.Allerdings geht längst nicht jeder von wieder steigenden Ölpreisen aus: So hat die US-Bank Goldman Sachs zuletzt ihre Prognose um die Hälfte gekappt, für Brent werden per Ende Juni 42 Dollar, für WTI 40 Dollar vorhergesagt, die Citigroup machte mit der Aussage Furore, der WTI-Preis könne bis auf 20 Dollar fallen. Zumindest längerfristig spricht einiges dafür, dass die Zeiten des “schwarzen Goldes” vorbei sein könnten: “Wenn die Gemeinschaft der Staaten ihr Bekenntnis zum Klimawandel wirklich ernst meint, wird dies zu einem Paradigmenwechsel im Erdölgeschäft führen”, schreiben Rineesh Bansal und Stuart Kirk von Deutsche Bank Research in einer Studie. Die jüngst von den USA und China vereinbarten Klimaziele erforderten einen neuen Kurs in der Energiepolitik, mit dem sich die Ölnachfrage beider Länder in den nächsten fünfzehn Jahren um 15 Mrd. Barrel bzw. rund 10 % senken lasse. “Vielleicht war der Preisverfall im letzten Jahr nur das erste Anzeichen eines tiefgreifenden Wandels.”—— Contango mindert das ErgebnisDie Futures-Kurve bei Öl befindet sich im sogenannten Contango. Sie beschreibt die Phase, bei der der aktuelle Marktpreis für Öl preiswerter ist als der Preis für die Terminkontrakte mit späteren Verfallsterminen. Meistens sind die Ergebnisse einer Anlage mit Passivprodukten wie Zertifikaten und Exchange Traded Commodities (ETC) in dieser Marktphase enttäuschend, wenn die Anbieter bei den abgebildeten Rohstoffen einen Kontraktwechsel vornehmen müssen. Ist der länger laufende Kontrakt teurer als der vorhergehende, entsteht beim Wechsel in einen Future mit längerer Laufzeit eine negative Rollrendite. Zuletzt lag bei Öl der Sorte West Texas Intermediate zwischen dem Februar-2015-Kontrakt und dem August-2015-Kontrakt eine Differenz von mehr als 5 Dollar vor. Beim Brent-Öl ist die Terminkurve flacher. Der Kontrakt auf den Verfallstermin September 2015 ist gegenüber April 2015 rund 3,8 Dollar teurer. ——