Global aktiv mit lokalem Standbein
Während viele global tätige Broker ihr Aktienresearch für Europa in London zentralisieren, setzt die Deutsche Bank auf lokale Standbeine – ob in Frankfurt, Mailand oder Stockholm. Wie das Team “Stärke von Ort” mit einem “globalen Ansatz kombiniert”, erläutert Andreas Neubauer, der das Aktienresearch in Deutschland leitet.Von Stefan Schaaf, FrankfurtEin Besuch im Sportschuhladen sollte für einen Aktienanalysten eine Selbstverständlichkeit sein. Jedenfalls wenn er die Aktien von Unternehmen wie Adidas oder Nike bewertet, findet Andreas Neubauer. “Als Erstes sollte man das Produkt verstehen”, sagt der Leiter des Aktienresearch in Deutschland bei der Deutschen Bank. Von dessen Sitz in der Großen Gallusstraße in Frankfurt – nächstes Jahr soll der Umzug an die Taunusanlage erfolgen – ist es nicht weit auf die Einkaufsmeile Zeil, so dass die Turnschuh-Experten im Haus die neuesten Produkte ihrer Unternehmen problemlos unter die Lupe nehmen können.Der Sportartikelkonzern Adidas ist eines von rund 150 deutschen Unternehmen, deren Aktien die Deutsche Bank abdeckt. Im Prinzip zählen dazu alle Werte aus Dax, MDax und TecDax – abgesehen von aktuellen Beratungsmandaten – “sowie kleinere Unternehmen mit einem soliden und innovativen Geschäftsmodell, die als Anlage für unsere Kunden interessant sein könnten”, wie Neubauer sagt.Schwerpunkte in Frankfurt sind dabei auf Branchenebene die Autoindustrie mit ihren Zulieferern sowie die Pharmabranche. Neubauer bezeichnet dies als “Stärke vor Ort”. In seinem deutschen Team arbeiten 15 Analysten, in Europa sind es insgesamt 110. Neubauer selbst hat in seinem bisherigen beruflichen Werdegang unter anderem die Aktien von Autoherstellern und -zulieferern, Zementproduzenten und Banken beobachtet.Außer Frankfurt ist London ein wichtiges Standbein des Research in Europa, aber auch von Paris, Mailand oder Stockholm aus werden börsennotierte Unternehmen bewertet. “Wir wollen lokales Wissen mit dem globalen Ansatz eines großen Hauses kombinieren”, sagt Neubauer. “Als einzige global tätige Bank haben wir an regionalem Research festgehalten. Dadurch bekommen wir auf lokaler Ebene auch alles mit.”Ein Beispiel für die Zusammenarbeit der internationalen Teams war kürzlich eine große Studie zum Thema autonomes Fahren. Wie global der deutsche Branchenführer aufgestellt ist, zeigt unter anderem an der weltweiten Verteilung der Aktienanalysten. Den rund 110 Mitarbeitern in Europa stehen rund 140 in den USA und 130 in Asien gegenüber. Zuordnung zu BranchenDas Research der Deutschen Bank orientiert sich zunächst einmal an großen Branchen wie Autos oder Chemie. Aufwendiger werde die Analyse jedoch bei Unternehmen, die keiner Branche zuzuordnen seien oder bei denen es keinen vergleichbaren Wettbewerber gebe, so Neubauer. “Kleinere Unternehmen machen sehr viel Arbeit, besonders wenn sie nicht einer Branche zugeordnet werden können.” Im Research der Deutschen Bank bekommen Juniors immer recht schnell die Verantwortung für eine Aktie übertragen, dann lernten sie am Schnellsten, ist der Teamleiter überzeugt. Skepsis ist wichtigDoch egal ob klein oder groß, eine Eigenschaft hält Neubauer nach 15 Jahren im Beruf für gute Aktienanalysten für unabdingbar: Skepsis. “Kein Unternehmen wird ihnen eine Liste mit 30 Problemen vorlegen, alle werden sich gut präsentieren. Skepsis ist deshalb ganz wichtig, sie müssen alles hinterfragen und verifizieren”, sagt der Betriebswirt, der außer zwei Jahren bei ABN Amro immer bei der Deutschen Bank gearbeitet hat.Eine weitere Eigenschaft mache gute Analysten aus: “Wenn man sich eine Meinung gebildet hat, dann muss man sie auch vertreten können.” Dazu gehört auch ein bisschen Verkaufs- und Präsentationstalent, jedenfalls mehr als in der Vergangenheit. “Was sie erarbeiten, das müssen Analysten auch gut erklären und verkaufen können”, sagt Neubauer.Doch das tiefe Eindringen hat so seine Risiken. “Für das Research ist es problematisch, wenn sich ein Analyst in eine Aktie verliebt”, sagt Neubauer. “Sie müssen auch den Mut haben eine Einschätzung zu verändern, wenn sich die Bewertung verändert oder Geschäftsmodell keine Zukunft mehr hat.”Ein Analyst, der diese Eigenschaften mitbringt, wird nach Einschätzung Neubauers auch in der neuen Welt der Digitalisierung und der großen Datenbanken bestehen und gebraucht werden. “Big Data wird an dem einen oder anderen Punkt unsere Arbeit verändern und kann helfen Risiken zu erkennen. Aber es bleibt die Frage, in wie weit man die Datensätze wirklich auf Einzelwerte herunterbrechen wird können.”Als weitaus größere Herausforderung für das Aktienresearch von Brokerhäusern im Allgemeinen wertet Neubauer, der zum Thema Finanzmarktregulierung promoviert hat, die regulatorischen Veränderungen im Zuge der 2018 in Kraft tretenden europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid II. Die für das Research wohl wichtigste Änderung ist das sogenannte Unbundling: Broker müssen Research-Leistungen künftig separat in Rechnung stellen, anstatt es wie bislang in die allgemeinen Handelsgebühren einzurechnen. Konzentration zu erwartenNach Neubauers Einschätzung wird diese Regelung zu einer Konzentration im Aktienresearch führen. Bislang würden Large Caps oft von 30 bis 40 Häusern abgedeckt. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kunden für so viele Analysen bezahlen wollen, fünf bis acht gute werden ihnen genügen.”Grundsätzlich erkenne er die Bereitschaft seiner Kunden, beispielsweise Assetmanager oder Pensionskassen, für Aktienresearch zu bezahlen. Spannend werde es jedoch bei Small Caps, die den gleichen Aufwand im Research erfordern, aber weit weniger zum Ertrag eines Anlegers beitragen.—-Zuletzt erschienen:- Equinet Bank: Spezialist mit europäischer Reichweite (18. Oktober)- Berenberg kämpft um Marktanteile (14. Oktober)- Baader Bank: Nischenanbieter wagt den Spagat (6. Oktober)