Devisenwoche

Gold und BRICS-Währung – Herausforderung für den US-Dollar?

Ist der Dollar als Hauptreservewährung ein Auslaufmodell? Unser Gastautor Stefan Hofrichter hat da so seine Zweifel.

Gold und BRICS-Währung – Herausforderung für den US-Dollar?

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Gold und BRICS-Währung – Herausforderung für den US-Dollar?

Von Stefan Hofrichter *)

Seit dem zweiten Quartal 2022 ist weltweit bei vielen Zentralbanken ein – teilweise massiver – Aufbau von Goldbeständen zu beobachten. Zumindest einige Käufe dürften durch das Einfrieren der russischen Währungsreserven infolge der Invasion in die Ukraine motiviert sein. Seit Beginn dieses Jahres häufen sich zudem Stellungnahmen aus den BRICS-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), dass eine gemeinsame goldgedeckte Währung geplant sei, die insbesondere für die Abwicklung bilateraler Handelsgeschäfte genutzt werden könnte. Auch wenn dieses Thema auf dem BRICS-Gipfel im August nicht explizit auf der Agenda stand, stellt sich die Frage, ob der Status des US-Dollar als Hauptreservewährung durch Gold oder eine mögliche künftige BRICS-Währung herausgefordert wird.

Greenback-Anteil geht zurück

Letztlich ist das Thema „De-Dollarisierung“ nicht neu: Betrug der Anteil des Greenback an den Weltwährungsreserven in den 1970er Jahren noch etwa 85%, ist er seitdem in zwei Wellen – zuletzt seit Beginn des Jahrtausends – auf knapp 60% gesunken. Der Anteil des chinesischen Yuan – aktuell 5% – und vor allem „kleinerer“ Währungen (australischer Dollar, kanadischer Dollar, Schweizer Franken) ist hingegen graduell gestiegen.

Ermöglicht die Vergangenheit Rückschlüsse auf den künftigen Status des Dollar als Hauptreservewährung? Unter welchen Bedingungen wird generell eine Reservewährung abgelöst? Und wäre Gold oder eine potenzielle künftige BRICS-Währung überhaupt eine geeignete Alternative?

Der US-Unternehmer Ray Dalio hat in seinem Buch „The Changing World Order” gezeigt, dass die Währung einer Supermacht ihren Status als Leitwährung in der Vergangenheit im Schnitt erst etwa 70 Jahre nachdem das jeweilige Land seinen weltpolitischen Zenit überschritten hatte, verloren hat. Ein Supermachtstatus hängt dabei von verschiedenen ökonomischen und geopolitischen Faktoren ab, steht und fällt aber letztlich zeitlich in etwa mit dem relativen Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung. Demzufolge wäre der relative Supermachtstatus der USA seit etwa 1950 rückläufig, während sich China zu der aufstrebenden Nation entwickelt hat. Insofern passt die Entwicklung des US-Dollar als Reservewährung in etwa ins historische Muster und würde für einen weiteren Bedeutungsverlust des Greenback sprechen.

Jede potenziell neue, international bedeutsame Reservewährung hätte aber aus Gründen der Glaubwürdigkeit folgende Kriterien zu erfüllen: Sie müsste a) die Währung einer großen Ökonomie mit entsprechender Bedeutung in Handel und Finanzsystem, b) stabil, c) liquide und d) klug reguliert sein. Historisch handelte es sich dabei stets um Währungen von Demokratien bzw. kleineren Republiken (z.B. Venedig und Florenz während der Renaissance). Diese Regierungsformen waren für das Vertrauen in die jeweilige Währung förderlich.

Vor diesem Hintergrund erscheint Gold nicht einmal ansatzweise geeignet, um die Rolle des US-Dollar als Hauptreservewährung zu gefährden, auch wenn das Edelmetall oft als ultimativer Stabilitätsanker in Krisenzeiten gilt. Gold kann schlichtweg nicht im großen Stil als Zahlungsmittel eingesetzt werden. Zudem ist es aufgrund seiner natürlichen Knappheit nicht geeignet, eine wachsende Wirtschaft zu finanzieren. Und schließlich zeigt die Erfahrung, dass die Konvertibilität goldgebundener Währungen diskretionär immer wieder eingeschränkt wurde. Seit dem Nixon-Schock (1971) dürfte die Zeit von Gold als wichtigste Weltreservewährung unwiderruflich passé sein.

Goldbindung nicht überzeugend

Aus ähnlichen Gründen wäre auch die Goldbindung einer potenziellen BRICS-Währung nicht überzeugend. Hier stellt sich zusätzlich die Frage nach der Stabilität einer derartigen Währung. Gemäß der Theorie optimaler Währungsräume qualifizieren sich die fünf Länder kaum: Weder ist die Bedingung freier Mobilität von Beschäftigten oder Kapital erfüllt, noch weisen die Ökonomien ähnliche Wirtschaftsstrukturen und damit synchrone Wirtschaftsentwicklungen auf, ganz zu schweigen von einer koordinierten Fiskalpolitik mit Ausgleichszahlungen. Zudem würde der Aufbau einer Gemeinschaftswährung eine gemeinsame Finanzinfrastruktur erfordern. Dies wäre ein äußerst schwieriges Unterfangen, da die beteiligten Länder sowohl wirtschaftlich als auch politisch teilweise konträre Interessen haben. Zwar gibt es erste gemeinsame Institutionen wie etwa den BRICS-Interbanken-Kooperationsmechanismus oder die New Development Bank, und es wird an einer gemeinsamen Alternative zu Swift gearbeitet. Bisher sind die Erfolge allerdings bescheiden. Die beschlossene Erweiterung der BRICS-Gruppe um sechs weitere Länder (Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien, VAE) erhöht die Komplexität zusätzlich.

China dominiert

Und schließlich ist zu bedenken, dass eine gemeinsame BRICS-Währung aufgrund des hohen relativen Gewichts de facto von China dominiert würde. Die chinesische Wirtschaft ist inzwischen die zweitgrößte der Welt, kaufkraftbereinigt sogar die größte. China fehlt es aber an der notwendigen Größe und Tiefe des Finanzmarktes und einer freien Währungskonvertibilität. Die Zeit wird zeigen, ob sich dies ändert. So lange dürfte aber der US-Dollar die globale Leitwährung bleiben. Oder, wie der frühere US-Finanzminister John Connally 1971 sagte: „The dollar is our currency, but it’s your problem.”

*) Stefan Hofrichter ist Head of Global Economics & Strategy bei Allianz Global Investors.