GASTBEITRAG

Google, Twitter & Co. sind die neuen Renditequellen

Börsen-Zeitung, 9.4.2016 Die Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche könnte auch die Assetmanagement-Branche tiefgreifend verändern. Denn aufgrund des Booms sozialer Medien stehen inzwischen Informationen zur allgemeinen Verfügung, auf die es...

Google, Twitter & Co. sind die neuen Renditequellen

Die Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche könnte auch die Assetmanagement-Branche tiefgreifend verändern. Denn aufgrund des Booms sozialer Medien stehen inzwischen Informationen zur allgemeinen Verfügung, auf die es bislang keinen oder allenfalls sehr eingeschränkten Zugriff gab. Big Data lautet das Stichwort. Obwohl die damit verbundenen Datenmengen allgemein zugänglich sind, lassen sich daraus bei entsprechender Analyse Informationsvorsprünge und Renditevorteile gewinnen.Etwa 90 % der aktuell weltweit verfügbaren Daten wurden nach Schätzungen des IT-Konzerns IBM in den vergangenen beiden Jahren kreiert. Zur Veranschaulichung ein paar Zahlen aus dem Jahr 2014: Was geschieht online binnen 60 Sekunden? 204 Mill. E-Mails werden verschickt, vier Mill. Google-Suchanfragen gestartet, 342 000 Tweets abgesetzt, 50 Mill. Mitteilungen über Whatsapp gesendet – Tendenz steil steigend. In diesem Datenverkehr – auch Big Data genannt – steckt wertvolles Informationspotenzial für Investoren. Aussagen für ManagementSo lassen sich in sozialen Medien wie Facebook und Twitter beispielsweise Aussagen aus dem Umfeld eines Unternehmens über die Firma und das Management sammeln und zu einem Stimmungsbild verdichten. Dies wird ergänzt um Informationen etwa dazu, wie häufig Internetnutzer in der Region Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht nachschlagen: Kündigungsschutz, Abfindung, Streikrecht und dergleichen. Wird auffallend häufig danach gesucht, scheint es mit der Stimmung im Unternehmen nicht zum Besten bestellt.Darüber hinaus lassen sich durch sensible Analysewerkzeuge für natürliche Sprache Informationen über das Marktsentiment gewinnen. Man stelle sich vor, die Quartalsberichte von mehr als 5 000 Unternehmen werden daraufhin ausgewertet, wie viele konkrete Zahlen die Vorstände nennen. Je mehr, desto besser geht es in der Regel den Unternehmen. Auch das ist bereits eine Erkenntnis, die auf der Auswertung vieler Geschäftsberichte beruht. Zur quantitativen Erfassung der Zahlen kommt die Analyse der Tonalität – sowohl auf Seiten des Unternehmens als auch der Analysten und Journalisten. Unstrukturierte Texte werden erfasst, in statistische Parameter überführt, die Ergebnisse werden mit früheren Messungen verglichen und zu Bewertungen kondensiert.Auf ähnliche Weise lässt sich die Analyse von Online-Foren für Hobby-Trader nutzen: Zeigt sich in den Einträgen der Mitglieder übermäßige Begeisterung für eine Aktie, kann dies bisherigen Erkenntnissen zufolge einen Indikator für eine Kurswende nach unten bedeuten. Wer solche Muster frühzeitig erkennt, kann sein Portfolio mit Short-Positionen entsprechend ausrichten. Big Data unterfüttert hier gewissermaßen Erkenntnisse aus dem Bereich Behavioral Finance, wonach ein allzu stark ausgeprägtes Sentiment am Kapitalmarkt auf eine Trendwende hindeutet.Noch ein Beispiel, um die Anwendung von Big-Data-Analysen beim Erkennen großer Trends zu verdeutlichen: Anschaffungen teurer Konsumgüter wie Autos, größere Haushaltsgeräte oder Luxusgütern geht inzwischen in der Regel eine Recherche der Konsumenten, heutzutage meist im Internet, voran. Eine Untersuchung der verwendeten Suchbegriffe im Internet liefert Zahlen, wie häufig nach bestimmten Produkten gesucht wurde. Wird diese Zahl, vereinfacht gesprochen, mit den tatsächlichen Absatzzahlen über längere Zeit abgeglichen, liefert das einen zunehmend tragfähigen Wert zur Korrelation von Informationssuche im Internet und Kaufentscheidung. Es entsteht ein vorlaufender Konsumindikator und mithin ein wichtiger Mosaikstein im Gesamtbild, das für eine solide Anlageentscheidung nötig ist. Ungeheure FülleEinfach ist die Verwendung von Big Data im Assetmanagement nicht. Das Internet liefert zwar eine ungeheure Fülle an Daten, aber bloße Daten sind noch lange keine Information. Es gilt, die richtigen Fragen zu stellen, valide Daten zu ermitteln, Regeln für die Auswertung zu formulieren, Ordnung ins Daten-Chaos zu bringen. Und das ist nur der erste Schritt. Hat man nun aus dem ungeordneten Datenstrom Informationen herausgefiltert, muss deren Aussagekraft ermittelt werden. Um im Beispiel zu bleiben: Wie eng ist die Korrelation von Suche und Kauf? Bleibt sie in allen Marktphasen gleich? Vor diesem Hintergrund gilt es, Datenreihen über einen längeren Zeitraum genau zu beobachten und zu analysieren.Big Data im Assetmanagement ist keine Angelegenheit für reine Informationstechniker und keine für Einzelkämpfer. Denn die Analyse der riesigen Datenmengen ergibt nur dann Informationsvorsprünge und Renditevorteile, wenn der gebündelte Sachverstand eines Teams alle Prozesse durchzieht. Dabei gilt es, die Kenntnis des technisch Machbaren durch kreative Fantasie zu ergänzen.Im Zusammenspiel von Portfoliomanagern und Datentechnikern kann Big Data zusätzliche Informationen bereitstellen und somit zur wertvollen Renditequelle im Asset Management werden. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend: Die Einbindung von Big Data ergänzend zu traditionellen Bewertungsprozessen kann zur Verbesserung des Rendite-Risiko-Profils von Portfolios beitragen.Um diesen Vorteil dauerhaft nutzen zu können, gilt es, die entsprechenden Verfahren weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch, bei der Zusammenstellung von Investment-Teams weiterzudenken und beispielsweise verstärkt IT-Experten einzubinden. Denn aufgrund der Renditechancen, die Big Data bietet, dürfte die Analyse großer Datenmengen fester Bestandteil im Assetmanagement werden.—-Markus Taubert, Leiter des institutionellen Geschäftes in Deutschland und Österreich bei BlackRock