Green und Sustainable gewinnt
Wenn sich eine Entwicklung für die Kapitalmärkte für 2022 mit recht hoher Sicherheit prognostizieren lässt, dann ist es die folgende: Green und Sustainable Finance wird seinen Boom und damit den Siegeszug an den internationalen Finanzmärkten fortsetzen. Alles andere wäre nicht nur eine faustdicke Überraschung, sondern eine herbe Enttäuschung für alle Marktteilnehmer und würde auch einen kräftigen Rückschlag für die grüne und nachhaltige Entwicklung an den Märkten bedeuten. Denn dieses Marktsegment hat nicht nur bei den Social Bonds, mit deren Erlösen sozial ausgerichtete Projekte finanziert werden, durch die Corona-Pandemie einen enormen Schub erfahren. Auch Green Bonds, mit denen Klima- und Umweltprojekte finanziert werden, erhielten erheblichen Antrieb, zeigte sich doch in den Phasen der Lockdowns, welche positiven Effekte in Sachen Klima und Umwelt dadurch für Staaten, Volkswirtschaften und Bevölkerungen auftraten. Das überzeugte viele, dass Produktionsprozesse klima- und umweltfreundlich ausgerichtet werden sollten – auch nach Pandemiezeiten. Dass nachhaltige oder Sustainability-linked Bonds, die grüne und nachhaltige Aspekte in der Definition der International Capital Market Association (ICMA) in der entsprechenden Projektfinanzierung miteinander verknüpfen, ebenfalls einen enormen Schub verliehen bekamen, lag damit praktisch auf der Hand. Letztlich wurde es dann auch Realität.
Der Club wird immer größer
Die Pandemie – sosehr es sich wohl auch alle Beteiligten wünschen – wird 2022 nicht ad acta gelegt sein. Das ist reines Wunschdenken. Und da die Covid-19-Krise eine ganz wesentliche Triebfeder für den Green und Sustainable Finance Markt bisher gewesen ist, wird sie es somit auch 2022 sein. Grüne, soziale und nachhaltige Aspekte werden in vielen Institutionen nun noch höher gewichtet. Während der Krise gingen viele Debüt-Emittenten etwa im Bereich der Staaten an den Markt. Der Bund kam mit seinen ersten grünen Bundeswertpapieren. Großbritannien und auch Spanien folgten mit ihren grünen Erstlingswerken. 2021 wurde dann auch die EU in den Club der grünen Emittenten aufgenommen, ein Jahr zuvor debütierte die EU bereits mit den Social Bonds. Zahlreiche Unternehmen und auch Banken taten es ihnen gleich und brachten ebenfalls grüne Schuldpapiere. Das wird sich 2022 fortsetzen. So hat bereits Dänemark für Januar den ersten Green Bond des Königreiches angekündigt. Man darf gespannt sein, wie stark sich der Kreis der Emittenten 2022 erweitern wird.
Es wird natürlich nicht nur bei den Debüt-Emissionen quasi als Testballons bleiben. Adressen etablieren sich mehr und mehr, weil sie die Sinnhaftigkeit und das Erfordernis einer grünen und nachhaltigen Ausrichtung – angefeuert auch durch die Corona-Pandemie – erkannt haben. Damit wächst der Markt nicht nur zahlenmäßig bei den Emittenten und bietet Investoren immer mehr Diversifikationspotenzial, was Adressen und finanzierte Projekte betrifft, sondern der Markt wächst auch volumenmäßig. Gemäß Bonddata lag das ausstehende Volumen von Green, Social und Sustainability Bonds Ende Dezember 2021 bei umgerechnet rund 2,2 Bill. Dollar (die Billion im deutschen Sinne). Der Markt hatte die 2-Bill.-Dollar-Marke im zweiten Halbjahr 2021 überschritten. Da der Markt aller Voraussicht nach 2022 an Geschwindigkeit aufnehmen wird, sollte die 3-Bill.-Dollar-Marke beim ausstehenden Volumen 2022 zu knacken sein.
Sehr hohe Investorennachfrage
Über eine mangelnde oder gar ausbleibende Nachfrage nach ihren Green und Sustainable Bonds brauchen sich die Emittenten wahrlich keine Sorgen zu machen. Regelmäßig sind hohe bis sehr hohe Überzeichnungen der Emissionen zu beobachten, ob nun beim Debüt, bei dem praktisch jeder Bondinvestor gern mit von der Partie sein möchte, oder auch bei den Folgetransaktionen. Weite Investorenkreise richten ihre Portfolios immer mehr nach grünen und nachhaltigen Aspekten aus und kaufen die entsprechenden Schuldpapiere. Das gilt für Assetmanager, die immer mehr Anlageprodukte in dieser Kategorie auflegen, aber auch für Privatanleger. Allen voran sind natürlich die Millennials zu nennen, die einige Jahre vor der Jahrtausendwende Geborenen, die weniger die finanzielle Rendite interessiert, sondern vielmehr die nachhaltige Rendite oder anders gesagt: Für viele von ihnen gibt es nur noch die nachhaltige Rendite, und sie fragen nur noch solche Produkte nach. Und der Nachschub an Kapital wird enorm sein. Die Global Sustainable Investment Alliance schätzt, dass im Sustainable-Investment-Universum ein Kapital in der Größenordnung von mehr als 35 Bill. Dollar vorhanden ist. Das zeigt, was in diesem Segment noch an Nachfrage aufkommen wird. Am Markt wird geschätzt, dass derzeit grüne und nachhaltige Anleihen einen Anteil im mittleren einstelligen Prozentbereich des gesamten globalen Bondmarktes haben. Auch das zeigt zusammen mit den vorhandenen Investmentgeldern den Spielraum, den das Segment von Green und Sustainable Finance nach oben hat.
Eine weitere positive Entwicklung hat das Segment mittlerweile sehr deutlich erfahren. Die Renditen von grünen Anleihen liegen unter den Renditen der herkömmlichen, also nichtgrünen Bonds. Bezeichnet wird dies als sogenanntes Greenium – zusammengesetzt aus den Begriffen Green und Premium (Grün und Prämie). Das bedeutet: Investoren sind bereit, bei den grünen Papieren eine geringere Rendite zu akzeptieren als bei den nichtgrünen Pendants. Da zum Beispiel die Bundesanleihen praktisch entlang der gesamten Kurve im negativen Renditebereich liegen, Anleger dem Bund also eine Parkgebühr für die Kreditüberlassung bezahlen, erhält der Bund bei den grünen Bundeswertpapieren aufgrund dieses Greeniums eine noch höhere Gebühr für die Kapitalüberlassung seitens der Investoren. Es gibt also durchaus auch einen Renditeanreiz für Emittenten, sich grün und nachhaltig auszurichten. Denn solche Projekte schlagen mit geringeren zu zahlenden Renditen zu Buche als über konventionelle Bonds.
Stranded Assets treten auf
2022 wird in diesem Segment noch eine weitere Entwicklung sehr wichtig werden, und dabei handelt es sich um Transition Finance, die unter anderem in Sustainability-linked Bonds zum Ausdruck kommt, mit der Übergänge zu einer stärkeren nachhaltigen Ausrichtung etwa bei Unternehmen finanziert werden. Es liegt auf der Hand: Real- und Finanzwirtschaft lassen sich nun mal nicht über Nacht oder per Knopfdruck grün und nachhaltig gestalten. Das ist utopisch. Das sind bei vielen Institutionen langjährige Prozesse, die angestoßen und dann am Laufen gehalten werden müssen. Viele Hürden sind dabei zu überwinden, viele Adressen müssen auf diesem Weg erst mal motiviert und dann mitgenommen werden. Das bedeutet am Ende dieses Prozesses auch Stranded Assets, also Vermögenswerte, die dann nicht mehr gefragt sein werden. Denn viele braune Assets lassen sich nicht in grüne Vermögensgegenstände überführen. Dies ist ein Prozess, der mancherorten und bei manchen Adressen unausweichlich eintreten wird.
Von Kai Johannsen, Frankfurt