Größtes IPO aus Familienhand in Deutschland

Starkes Interesse von Langfristinvestoren - Substanz, Größe und Liquidität zählen in unsicheren Phasen

Größtes IPO aus Familienhand in Deutschland

Von Walther Becker, FrankfurtIst der Markt noch so schwierig, rasseln die Kurse zwei Tage hintereinander herunter und steigt die Unsicherheit – gelingt in einer solchen Phase ein Börsengang, dann ist das viel zitierte “Umfeld” gar nicht so übel. Zumindest für den, der durch die Brille des Investmentbankers schaut. Immerhin ist Deutscher Bank, J.P. Morgan und Morgan Stanley das Kunststück gelungen, in fallende Kurse hinein die Aktie von Knorr-Bremse mit 80 Euro auch für den Altgesellschafter, die Familie Thiele, attraktiv zu preisen und noch “Upside” für den Markt zu lassen. Geholfen hat, dass zum Handelsdebüt des zweitgrößten Börsenneulings in Europa in diesem Jahr der Dax wieder angezogen hat. Der Leitindex wurde von Knorr am ersten Handelstag sogar outperformt. Absehbar dürfte die Aktie in den MDax aufsteigen – Banker trauen ihr auch Dax-Chancen zu.”Positiv angekommen ist bei Investoren in erster Linie natürlich die Qualität des Geschäfts von Knorr-Bremse mit seiner geringen Zyklizität, zweitens die Qualität in der Zuteilung der Aktien – immerhin 80 % gingen an langfristig orientierte Investoren -, drittens mit 3,9 Mrd. Euro die Größe der Emission und viertens das am Freitag wieder ins Positive gedrehte Marktumfeld”, sagt Stefan Weiner, Leiter des deutschen Aktienprimärmarktgeschäfts von J.P. Morgan. Zuletzt wurden einige IPOs in Europa verschoben, wie das des Anlagenbauers Exyte oder von Leaseplan, oder starteten wie Aston Martin schwach. Bei Knorr habe es eine “komfortable Überzeichnung” gegeben, das Angebot war schon eine Stunde nach Öffnung des Buchs mehr als einmal gefüllt.Zugeteilt wurde Knorr-Aktie zu 80 % an Long-only-Investoren, was mehr ist als üblich mit 50 bis 60 %. gut 15 % gingen an Hedgefonds, die für Liquidität sorgen. Bei einzelnen preissensitiven Adressen hierzulande wanderten lediglich 11 % des Angebots an deutsche Fonds; 45 % nahmen britische Investoren auf, 19 % Amerikaner.”Es wird sich erweisen, ob die zuletzt gestiegene Verunsicherung der Märkte ein vorübergehendes Phänomen ist”, meint Patrick Frowein, Co-Leiter Corporate Finance der Deutschen Bank im deutschsprachigen Raum. “Sollten wir es mit dauerhaft erhöhten Volatilitäten aufgrund der Evidenz negativer Auswirkungen der US-Handelspolitik auf Unternehmensergebnisse zu tun haben, hat das auch Auswirkungen auf die Emissionstätigkeit.” Weiner rechnet nicht mehr mit einem dicken Fisch im laufenden Jahr, doch schauen alle Berater für 2019 auf VW mit Traton (Lkw), Conti mit der Antriebstechnik, Thyssenkrupp mit der Konzernspaltung und auf die Pläne von Daimler. Grundsätzlich gilt in volatileren Phasen: Substanz entscheidet und Investoren differenzieren stärker. Da bringt der Bremsenweltmarktführer einiges an Superlativen mit. Die Deal-Größe zeigt sich schon daran, dass nur die Aufstockungsoption von Knorr 645 Mill. Euro ausmachte und damit einem Mid-Cap-IPO entspricht.Laut Dealogic ist es in Europa die größte Emission eines Familienunternehmens und die größte Erstplatzierung aus der Investitionsgüterbranche in Europa. In der Region steht Knorr knapp hinter Siemens Healthineers und deutlich vor dem Schweizer Verpacker SIG Combibloc, der DWS, Aston Martin und dem Wirecard-Wettbewerber Adyen.