GASTBEITRAG

Gute Aussichten für Unternehmens- und Schwellenländeranleihen

Börsen-Zeitung, 27.6.2019 Ist die makroökonomische Lage derzeit so schlecht, dass nahezu alle global führenden Notenbanken Zinssenkungen in Angriff nehmen müssten? Oder versuchen sich die Zentralbanken angesichts stabil niedriger Inflationsraten und...

Gute Aussichten für Unternehmens- und Schwellenländeranleihen

Ist die makroökonomische Lage derzeit so schlecht, dass nahezu alle global führenden Notenbanken Zinssenkungen in Angriff nehmen müssten? Oder versuchen sich die Zentralbanken angesichts stabil niedriger Inflationsraten und hoher externer Risiken erneut im Fine-Tuning des Konjunkturzyklus? Es wären Versuche, die bereits in der Vergangenheit trotz ausgefeilter Modellwelt nur von überschaubarem Erfolg gekrönt waren. Doch fundamental notwendig oder nicht – es gilt, die jüngsten Notenbanksignale sinnvoll einzuordnen und so die notwendigen Investmentimplikationen daraus abzuleiten. Im Basisszenario geht die BayernInvest davon aus, dass Euro-Unternehmensanleihen unter Rendite-Risiko-Aspekten vorerst attraktiv bleiben, der Euro zum US-Dollar zulegt und Emerging-Markets-Anleihen weiter profitieren dürften. Aktien-Rally überraschtDass Bundrenditen die Tiefstände aus dem Jahr 2016 testen und sogar neue Rekordmarken setzen könnten, darauf hatten wir an dieser Stelle bereits im März hingewiesen. Dass gleichzeitig jedoch Aktien ebenfalls neue Jahreshochs markieren und sich die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen nahe ihren im vergangenen Jahr erreichten Tiefständen bewegen, kommt eher überraschend. Denken wir dabei doch an die extreme politische Unsicherheit und die zwischenzeitlich weitere Eskalation im Handelsstreit. Werden also die Sorgen, dass ein in die Jahre gekommener Konjunkturzyklus endgültig kippt, von den diversen Marktsegmenten unterschiedlich bewertet? Oder ist dieser Widerspruch tatsächlich vollständig auf die Kehrtwende der Notenbanken und die weiter verschärfte Jagd nach Rendite zurückzuführen?Je nachdem, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, ergeben sich für die kommenden Monate unterschiedliche Investmentimplikationen. Szenario eins: Sollte der Zyklus tatsächlich kippen und die (globale) Wirtschaft in die Rezession abgleiten, dann werden auch die avisierten Zinssenkungen von Fed und EZB nicht verhindern, dass sich die Aussichten der Unternehmen hinsichtlich Geschäfts- und Gewinnentwicklung weiter eintrüben und am Ende mehr und mehr Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Höhere Risikoaufschläge auf Unternehmensanleihen und fallende Aktien wären die unausweichliche Konsequenz. Im zweiten Szenario, in dem die Notenbanken den Zyklus durch expansive Maßnahmen am Leben halten, dürfte an Aktien im Vergleich zu (ehemals) zinstragenden Anlagen weiter kein Weg vorbeiführen. Während Risikoanlagen in den beiden Szenarien also ganz unterschiedliche Pfade einschlagen dürften, werden sich sichere Häfen wohl trotz bereits bestehender Negativverzinsung weiterhin hoher Nachfrage erfreuen und weiter zulegen. Überzogene ErwartungenFür sichere Häfen im Allgemeinen und Bundesanleihen im Speziellen erscheint derzeit eher ein drittes Szenario am gefährlichsten: Grundlage der aktuellen Marktbewegung sind dabei Erwartungen einer proaktiven Lockerung der Notenbankpolitik, die sich letztlich als überzogen herausstellen könnten. Sollten sich die politischen und konjunkturellen Risiken gerade so weit auflösen, dass Rezessionssorgen unbegründet bleiben, sich die Notenbanken aber auch nicht mehr gezwungen sehen, mit expansiven Maßnahmen stützend einzugreifen, oder zumindest die Markterwartungen enttäuscht werden, dürfte dies einerseits die Kapitalmarktrenditen etwas ansteigen und andererseits insbesondere Aktien unter Druck geraten lassen. Unternehmensanleihen würden dieses Szenario wohl noch am besten überstehen.Welchen Pfad werden die Kapitalmärkte einschlagen? Es darf bezweifelt werden, dass auf politischer Ebene tragfähige und nachhaltige Erfolge erzielt werden, die ausreichend konjunkturellen Rückenwind erzeugen, um Draghi, Powell und Co zu einer neuerlichen Kehrtwende zu bewegen. Fortschritte im Zollstreit Die BayernInvest rechnet im Basisszenario damit, dass – ausgehend von der derzeit vorherrschenden Skepsis bei vielen politischen Themen, insbesondere der Zollthematik – in den kommenden Wochen Fortschritte erzielt werden können. Beispielsweise sollten die USA und China an ihren Gesprächen festhalten und auf neuerliche Zollanhebungen vorerst verzichten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Zölle, Brexit, die fragwürdige italienische Fiskalpolitik sowie temporär aufflammende Krisenherde im Nahen Osten auch in den kommenden Monaten die beherrschenden Themen bleiben werden. Das heißt für Unternehmen, sich bei den Investitionstätigkeiten wohl weiter auf das Notwendigste zu beschränken. Erweiterungsinvestitionen bleiben trotz günstiger Finanzierungsbedingungen zurückgestellt, und Aufträge werden peu à peu abgearbeitet. Solide binnenkonjunkturelle Dynamiken – allen voran robuste Konsumausgaben und eine weiterhin rege Bautätigkeit – werden aber Rezessionssorgen im Zaum halten können. Und das selbst dann, wenn der Industriesektor weiterhin schwächeln sollte. Seit Jahresbeginn sichtbar stabilisierte Frühindikatoren der EWU-Wirtschaft und per saldo besser als befürchtet ausgefallene Konjunkturdaten sprechen für Wachstumsraten, die sich in den kommenden Monaten in etwa auf dem gleichen Niveau bewegen werden wie in den letzten Quartalen. Stabil niedrige Inflationsraten, wie sie die Verbraucherpreisindizes in den Vereinigten Staaten und Europa derzeit ausweisen, dürften dabei den wenigsten Konsumenten ein Dorn im Auge sein und vielmehr einen Beitrag zur weiteren stabilen Konsumneigung leisten. Anstieg des EuroAn dieser Stelle sei die Frage erlaubt, ob die Verbraucherpreise die Lebensrealität richtig abbilden. Immerhin wird beispielsweise im deutschen Verbraucherpreisindex den Wohnungsmieten ein Anteil von rund 11 % Prozent am Warenkorb zugestanden und für die vergangenen zwölf Monate bis Mai 2019 eine Steigerungsrate von 1,4 % ausgewiesen. Ein Mietendeckel nach Berliner Denkart scheint – sofern diese Zahlen belastbar sein sollten und der öffentlichen Debatte zum Trotz – also alles andere als flächendeckend notwendig zu sein. Die Notenbanken werden sich selbstredend an den offiziellen Daten orientieren und den nach ihrem Dafürhalten nur unzureichenden Inflationsdruck in den Vordergrund stellen. Die Zentralbankzinsen werden also sinken bzw. neue expansive Maßnahmen folgen. Insbesondere die Fed wird den im Vergleich zur EZB größeren Spielraum nutzen wollen und so das Zinsdifferential zur Eurozone reduzieren. Der Euro wird dadurch zum US-Dollar die lange antizipierte und in den vergangenen Tagen begonnene Aufwärtsbewegung fortsetzen können. Dies gilt umso mehr, als sich auch die Wachstums- und Inflationsraten auf beiden Seiten des Atlantiks tendenziell weiter annähern werden. Fortgesetzte RenditejagdSinkende Leitzinsen bei ausbleibender Rezession sprechen für eine fortgesetzte Suche nach Rendite bei den Anlegern. Euro-Unternehmensanleihen und Emerging-Markets-Bonds dürften von diesem Umfeld vorerst weiter profitieren und unter Rendite-Risiko-Aspekten eine relativ gute Entwicklung nehmen. Dies wird sich aber wohl weniger in fallenden Spreads, sondern eher darin zeigen, dass Investoren neu begebene Anleihen weiter dankbar aufnehmen. Emittenten dürften von attraktiven Finanzierungsbedingungen profitieren, während sich Investoren damit begnügen müssen, die noch vorhandene positive Carry zu vereinnahmen. Bernhard Grünäugl, Volkswirt und Makrostratege bei der Bayern-Invest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH