GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (304)

Gute Perspektiven für Schwellenländer

Anleihen aus Schwellenländern hatten in diesem Jahr bislang einen guten Lauf und die Aussichten sind trotz der Entwicklung in den USA weiterhin gut.

Gute Perspektiven für Schwellenländer

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (304)

Gute Perspektiven für Schwellenländeranleihen

Anleihen aus Schwellenländern hatten in diesem Jahr bislang einen guten Lauf, doch hat die Anlageklasse in letzter Zeit etwas an Glanz eingebüßt. Bis Mitte September erzielten Staats- und Unternehmensanleihen in Hartwährung eine Gesamtrendite von 4% respektive 4,1%, während Anleihen in Lokalwährung mit einer Gesamtrendite von 6,4% (gemessen am J.-P.-Morgan-Index in US-Dollar) sogar noch besser abschnitten. Das ist im Vergleich zu den 1,85% der globalen Gesamtrendite von festverzinslichen Wertpapieren – die überwiegend von Anleihen aus Industrieländern stammen – nicht schlecht.

Unverhofft gute Wirtschaftsdaten aus den USA führten zuletzt zu einer Erholung des Dollar gegenüber den meisten Währungen. Erwartet wird, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen länger auf hohem Niveau halten muss, um die Inflation auf die angestrebten 2% zu drücken, nachdem eine weiche Landung wahrscheinlicher wird. Diese Aussicht wirkte sich insbesondere auf Lokalwährungsanleihen negativ aus, die bis Mitte Juli noch eine Gesamtrendite von 11,2% erzielt hatten. Aber wie kann es sein, dass aus guten Nachrichten für die Wirtschaft schlechte Nachrichten für den Markt werden?

Bei Anleihen in Lokalwährung ist das Phänomen relativ einfach zu erklären. Fast 90% der Verluste seit Mitte Juli resultieren aus der Schwäche der Schwellenländerwährungen. Anders gesagt führte die stärkere US-Wirtschaft zu einem stärkeren US-Dollar und zu schwächeren Schwellenländerwährungen.

Eine starke US-Wirtschaft ist erfreulich für Länder mit engen Handelsbeziehungen zu den USA, die hohe Heimatüberweisungen von ihren dort arbeitenden Staatsbürgern erhalten. Das gilt vor allem für Mexiko, die mittelamerikanischen Länder und die karibischen Staaten. Die Heimatüberweisungen in diese Länder erreichten nach der Pandemie ein Allzeithoch und sind seither noch weiter gestiegen. So lagen die Überweisungen nach Mexiko in den zwölf Monaten bis Juli 2023 bei 61,6 Mrd. Dollar oder ca. 4,5% des BIP.

Bei Anleihen in Hartwährung wirkt sich der stärkere Dollar indirekter und weniger ausgeprägt aus als bei Lokalwährungsanleihen. So lagen die Renditen von Schwellenländer-Unternehmensanleihen in den letzten sechs Wochen nahe null, während Staatsanleihen in harter Währung um 2,1% nach unten korrigiert haben. Dies ist vor allem auf die höheren Renditen der US-Staatsanleihen zurückzuführen, die dazu führten, dass die Anleger auch für Schwellenländeranleihen höhere Renditen fordern. Dies wirkt sich auf die Hartwährungsstaatsanleihen der Schwellenländer stärker aus als auf die entsprechenden Schwellenländer-Unternehmensanleihen, da Erstere eine längere Laufzeit haben.

Wir bewerten die Aussichten für festverzinsliche Wertpapiere und insbesondere für die Schwellenländer jedoch weiterhin positiv. Bisher war es in der Regel so, dass das Ende des Zinserhöhungszyklus den Beginn eines Bullenmarktes für Risikoanlagen, einschließlich Schwellenländeranleihen, eingeläutet hat. Und die Fed ist wahrscheinlich bereits am Ende ihres Zinserhöhungszyklus angelangt. Es ist möglich, dass die Fed im November eine weitere Zinserhöhung vornehmen wird, aber das wird das Gesamtbild nicht wesentlich verändern.

Es wird damit gerechnet, dass die Fed Mitte 2024 mit der Senkung ihrer Zinssätze beginnt. Die Zentralbanken der Schwellenländer, vor allem Lateinamerikas und Mitteleuropas, senken bereits jetzt die Zinssätze, da sie im Inflationszyklus weiter fortgeschritten sind. Diese Markterwartungen halten wir angesichts des Inflationsrückgangs für angemessen. Daher dürften die weltweiten Finanzierungskonditionen 2024 weniger angespannt und 2025 noch problemloser sein. Das wird den Schwellenländern die Refinanzierung eher erleichtern und die Anleihenkurse mittelfristig ankurbeln – trotz der kurzfristigen Volatilität aufgrund der in letzter Zeit unerwartet starken US-Wirtschaft.

Carlos de Sousa

Emerging Markets Debt Strategist und Portfolio Manager bei Vontobel