IM GESPRÄCH: BASTIAN GRIES, ODDO BHF ASSET MANAGEMENT

Gute Stimmung am Credit-Markt

Fondsmanager: Spreads passen zum aktuellen Kreditzyklus - Noch keine Warnzeichen in Sicht

Gute Stimmung am Credit-Markt

Von Kai Johannsen, FrankfurtDer Markt für europäische Credits (Unternehmensanleihen) befindet sich derzeit in einer soliden Verfassung. Maßgeblichen Einfluss auf den Markt übt das Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) aus, aber das ist nicht der alleinige Treiber hinter der guten Performance, d.h. den Spread-Einengungen. Auch die gute makroökonomische Entwicklung sorgt für engere Spreads. Und am Markt bestehen durchaus noch Perspektiven für weitere moderate Spread-Einengungen, auch wenn er bereits sehr gut gelaufen ist, und das auch schon über einen längeren Zeitraum. Diese Einschätzung gab Bastian Gries, Fondsmanager bei dem Assetmanager Oddo BHF AM, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung ab. Positive Entwicklung”Wir sehen momentan, dass sich der gegenwärtige Kreditzyklus verlängert. Der global angelegte Aufschwung sorgt dafür, dass sich auch die Unternehmensergebnisse spürbar verbessert haben. Die Credit-orientierten Kennzahlen wie etwa der Zinsdeckungsgrad steigen derzeit wieder”, sagt Gries. Der Experte erwartet, dass sich diese positive Entwicklung erst einmal fortsetzt. Viele Investoren seien angesichts engerer Spreads, geringerer Renditen und stetig verbesserter Gewinnzahlen davon ausgegangen, dass in der Folge die Finanzpolitik der Unternehmen in Europa aggressiver werden könnte. “Genau das sehen wir bisher aber nur bedingt. Die Firmen werden nicht aggressiver, sondern agieren weiterhin eher konservativ”, so Gries.Aktionärsfreundliche Maßnahmen, die in den USA schon sehr viel häufiger zu beobachten seien, würde man in Europa längst nicht in dieser Breite vorfinden. Die Geldpolitik in der Eurozone sei nach wie vor ein sehr starker Einflussfaktor für den Markt. Sie sorge weiterhin für einen starken Liquiditätszufluss. Von der Seite der Ausfallraten bekäme der Markt keinerlei Störfeuer. Die Ausfälle seien nach wie vor auf sehr geringen Niveaus. Die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen stuft Gries weiterhin als gut ein. “Viele Adressen sind zum heutigen Zeitpunkt bereits für die nächsten Jahre durchfinanziert”, hält der Experte fest.Die Spreads hätten diese Entwicklung – die enorme Liquidität seitens der EZB und das gute Makroumfeld – bereits mit deutlichen Einengungen honoriert. “Die EZB-Käufe spielen verständlicherweise eine große Rolle, aber es ist auch die gute makroökonomische Entwicklung, die den Markt antreibt. Die aktuellen Spreads des Marktes über die Branchen hinweg betrachtet passen aus unserer Sicht zum Zeitpunkt des Kreditzyklus”, so die Ansicht von Gries. Er gibt sich moderat optimistisch: “Solange es keinen starken Anstieg der Zinsvolatilität gibt und wir auch makroökonomisch keine gravierenden Änderungen bekommen, können die Spreads in dieser aktuellen engen Bandbreite bleiben oder sich sogar noch ein wenig einengen.”Ein wichtiges Thema ist für ihn wie für andere Marktteilnehmer auch die EZB-Ratssitzung Ende Oktober. “Ich denke, es wird keine große Überraschung geben. Ich gehe davon aus, dass die EZB eine behutsame Reduktion der Bondkäufe verkünden wird. Der Markt wird dadurch nicht verschreckt, die Akteure sollten bereits ausreichend darauf vorbereitet sein. Außerdem steht hinter der guten Marktentwicklung ja nicht nur die EZB, sondern auch die gute Konjunktur”, hält Gries fest. Der Markt sollte deshalb gut unterstützt bleiben. Spreads immer engerDer September ist ein wichtiger Emissionsmonat und historisch betrachtet zumeist auch ein starker. Dann kehren Emittenten und Investoren aus dem Sommerurlaub zurück, die Aktivitäten springen wieder an, zumeist sehr deutlich. In diesem Jahr kamen laut Gries in Europa Emissionen im Investment-Grade-Bereich über ca. 37 Mrd. Euro auf den Markt. “Das ist ein eher unterdurchschnittliches Emissionsverhalten für diese Jahreszeit”, sagt er. Bei den Emissionen werden in der Vermarktungsphase der Bonds erste Spread-Indikationen angekündigt, um Investoren ein Gefühl für die Preis-/Renditeniveaus zu geben, auf denen der Bond in den Markt kommen könnte. Gegenwärtig ist aber häufig zu beobachten, dass im Verlauf des Deals die Spread-Vorgaben sehr stark zurückgenommen werden. “Wenn anfänglich noch 70 Basispunkte Spread-Vorgabe ausgerufen wurden, kann es später durchaus sein, dass der Spread am Ende nur noch 50 Basispunkte beträgt”, so Gries.Bei vielen Neuemissionen sei zu beobachten gewesen, dass der Spread immer mehr eingekürzt wurde. “Und trotzdem haben wir anschließend im Sekundärmarkt weitere Einengungen gesehen. Trotz dieses Preisverhaltens gab es eine große Nachfrage. Wir haben das nicht immer mitgemacht, weil wir diszipliniert und preissensitiv agieren”, fügt er hinzu. “Gleichwohl ist die gute Sekundärmarktperformance dieser Papiere auch ein Zeichen des weiterhin hohen Anlagebedarfs”, sagt er. Außerdem seien derartige Entwicklungen auch immer ein Gradmesser für die Stimmung am Markt insgesamt. Für Oktober rechnet er mit einem etwas reduzierten Emissionsverhalten aufgrund der bevorstehenden Berichtssaison.Die EZB habe mit ihren Bondkäufen zweifelsohne einen großen Einfluss auf den Markt. “Aber es fällt verständlicherweise immer schwer zu quantifizieren, wie viel von der positiven Performance auf die EZB allein zurückzuführen ist und was der Einfluss anderer Faktoren war.” Im Schnitt liege die EZB nun pro Monat bei einem Ankaufvolumen bei den Unternehmensanleihen von rund 7 Mrd. Euro. Die EZB-Käufe hätten sich auch positiv auf das Neuemissionsverhalten von Unternehmen ausgewirkt. Die EZB sei ein technischer Faktor am Markt, der eindeutig unterstützend wirke. Bislang haben die europäischen Währungshüter laut Gries Unternehmensanleihen für rund 116 Mrd. Euro gekauft. Das entspricht 15 % des definierten Universums, d.h. Investment-Grade-Unternehmensanleihen abzüglich Anleihen des Finanzsektors. Das Gesamtmarktvolumen inklusive Finanzanleihen umfasst in Europa für Investment-Grade-Emittenten in etwa 2 Bill. Euro. Den gekauften Marktanteil stuft der Experte daher als moderat ein. In der Spitze hat die EZB pro Monat auch mal Anleihen für rund 8 Mrd. Euro aus dem Markt genommen. “Viele Marktteilnehmer waren vor Beginn des Programms skeptisch, ob man solche Volumina überhaupt beschaffen kann. Die Erwartungen rangierten im Schnitt bei Größenordnungen zwischen 4 bis 5 Mrd. Euro als realistisches und damit abbildbares Kaufvolumen.” Das Kaufprogramm der EZB insgesamt sieht Gries an den Märkten reibungslos funktionieren. Lange Laufzeiten im BlickWährend es im Staatsanleihebereich mittlerweile schon Laufzeiten von bis zu 100 Jahren gibt, gestaltet sich dieser Fälligkeitenaspekt bei den Unternehmensanleihen schon ein wenig moderater. “Länger als 20 oder 25 Jahre gehen die Laufzeiten hier im Regelfall nicht”, sagt er. Versicherer würden aufgrund der Tatsache, dass sie langfristige Verbindlichkeiten matchen müssten, eher mal längere oder auch sehr lange Laufzeiten nachfragen. “20 Jahre bleiben aber selten. Die meisten Assetmanager präferieren das Laufzeitenspektrum von fünf bis sieben Jahren”, sagt Gries. Ratings werden schlechterEinen Schwenk der Unternehmen hin zu aktionärsfreundlichen Maßnahmen sieht Fixed-Income-Investor Gries skeptisch. “Solche Maßnahmen begrüßen wir nicht gerade”, sagt er. Aber in Europa halte sich das derzeit noch in Grenzen. “Wenn diese Maßnahmen allerdings zunehmen sollten, ist das eher ein Überhitzungsanzeichen und damit ein Warnsignal. Das ist ganz klar negativ auch unter Rating-Gesichtspunkten”, sagt er. Die Ratingsituation habe sich im Vergleich zu vor der Finanzkrise verschlechtert, und zwar hin zu der BBB-Kurve. “Große Unternehmen halten auch nicht viel davon, in der Finanzpolitik nun aggressiver zu werden und aktionärsfreundliche Maßnahmen über Bondemissionen zu finanzieren. Denn sie wollen nicht das Risiko eingehen, dass das Rating abstürzt, und bleiben deshalb lieber bei einer ausgewogenen Finanzpolitik”, so Gries.Bankenanleihen sind in diesem Jahr sehr gut gelaufen. Additional Tier 1 Bonds (Nachrang) hätte in diesem Jahr bislang eine Performance von rund 12 % erreicht. “Das ist ein solider Ertrag und ein Spiegelbild der insgesamt starken Marktentwicklung.” Der Bankensektor zeichne sich heute durch bessere Fundamentaldaten aus, der Sektor sei bondholderfreundlicher geworden – nicht zuletzt wegen der Regulierung, die auf die Banken disziplinierend gewirkt habe. “Bankentitel reagieren aber immer auch sensitiv auf politische Entwicklungen oder auch auf das makroökonomische Umfeld.” Zu beachten sei ebenfalls, mit welcher Stringenz das regulatorische Umfeld abgesteckt werde. Und die Banken litten auch unter der extrem lockeren Geldpolitik der EZB. “Die Profitabilitätsentwicklung der Banken wird durch das Tiefzinsumfeld beeinträchtigt. Das ist ein bekanntes schwerwiegendes Problem”, so Gries weiter. Rege Hybrid-NachfrageKlassische Hybridanleihen der Unternehmen würden sich einer regen Nachfrage bei den Investoren erfreuen. “Die Situation am Markt wird von weiten Anlegerkreisen als vorteilhaft eingestuft. Sie bekommen bei diesen Hybrid-Bonds High-Yield-Verzinsungen bei einer Investment-Grade-Bonität, da die Unternehmen vielfach aus dem Investment-Grade-Ratingspektrum kommen”, so der Experte weiter. Die Papiere haben eine unendliche Laufzeit und werden mit einem Kündigungstermin für den Emittenten nach einigen Jahren ausgestattet, in der Regel nach fünf bis sieben Jahren. “Für die Unternehmen ist der Bond so ausgestaltet, dass der Anreiz zur Kündigung hoch ist. Die positive fundamentale Entwicklung und die tiefen Marktschwankungen haben zu einer guten Performance dieser Papiere geführt”, sagt er. Wenn die Gemengelage am Markt so bleibe, könne diese Tendenz durchaus noch anhalten.In den vergangenen ein bis anderthalb Jahren seien die Emissionen dieser klassischen Hybride etwas zurückgegangen. Man beobachte auch, dass es Tilgungen von Bonds gibt, ohne dass gleichzeitig oder kurze Zeit später neue Papiere emittiert werden. Sämtliche Kündigungstermine bei Hybriden seien von den Emittenten auch wahrgenommen worden. “Nicht zu kündigen bedeutet für den Emittenten immer auch ein Reputationsrisiko, da der Bondinvestor sich darauf eingestellt hat, dass der Anreiz zur Kündigung für den Emittenten ausreichend hoch ist”, sagt Gries. Zudem sei zu berücksichtigen, dass bei der Ratingagentur Standard & Poor’s die Eigenkapitalanrechnung wegfalle, wenn der Bond zum Call-Termin nicht gekündigt wird. Das Hybridsegment hat im Jahresverlauf Erträge zwischen 8 % und 9 % generiert.