GELD ODER BRIEF

Hohe Ansprüche an Microsoft

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.11.2020 Eigentlich ist Microsoft alte "New Economy". Sieht man sich das Produktportfolio an, mit dem es das von Bill Gates gegründete Unternehmen einst an die Spitze der weltweiten Softwarebranche...

Hohe Ansprüche an Microsoft

Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtEigentlich ist Microsoft alte “New Economy”. Sieht man sich das Produktportfolio an, mit dem es das von Bill Gates gegründete Unternehmen einst an die Spitze der weltweiten Softwarebranche geschafft hat, wird einem schnell klar, dass damit heute am Kapitalmarkt kein Blumentopf mehr zu gewinnen wäre: PC-Betriebssysteme und ein führendes Bürosoftwarepaket. Die meisten der anderen Technologie- und Softwarekonzerne, die mit Microsoft groß wurden, sie sind bereits untergegangen oder rangieren heute unter “ferner liefen” – als Beispiele wären IBM und Oracle zu nennen. Microsoft ist jedoch die große Ausnahme unter den Technologiekonzernen der ersten Generation. Das Unternehmen hat den Sprung in das vernetzte Cloud-Zeitalter geschafft und ist mit seinen Angeboten aktuell sogar einer der großen Profiteure der Coronakrise. Drittschwerster KonzernMicrosoft gehört mit einer Marktkapitalisierung von aktuell 1,56 Bill. Dollar zu den wenigen Konzernen, die es über die Marke von 1 Bill. Dollar geschafft haben. Nur Apple mit 1,88 Bill. Dollar und der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco mit 1,85 Bill. Dollar sind mehr wert, während Amazon mit derzeit 1,53 Bill. Dollar in etwa genauso schwer ist. Der deutlich jüngere Internetriese Alphabet (Google) ist mit rund 1,11 Bill. Dollar wesentlich weniger wert.Auch im jüngsten ersten Quartal per Ende September war es das boomende Cloud-Geschäft mit IP-Diensten, das für einen kräftigen Gewinnsprung gesorgt hat. Das Ergebnis legte im Vorjahresvergleich um 30 % auf 13,9 Mrd. Dollar zu, die Erlöse um 12 % auf 37,2 Mrd. Dollar. “Die Nachfrage nach unseren Cloud-Angeboten führte zu einem starken Start in das Geschäftsjahr”, ließ sich Finanzchefin Amy Hood zitieren. Mit dem Ergebnis übertraf der Konzern die Erwartungen der Analysten an der Wall Street noch einmal deutlich. Insbesondere auf der Cloud-Plattform Azure liefen die Geschäfte gut. Die Erlöse wuchsen im Vorjahresvergleich um satte 48 %. Vom pandemiebedingten Trend zum Homeoffice profitierte der Konzern mit seinen Office-Paketen, vor allem mit dem Teams-Softwarepaket, das mit dem Marktführer bei Videokonferenzen, Zoom, und der Kommunikationssoftware Slack konkurriert. Microsoft-Chef Satya Nadella betonte, es gebe auf Teams mittlerweile 115 Millionen Nutzer pro Tag, verglichen mit 75 Millionen pro Tag im April. Erfolg im GamingGut läuft es aber auch im Gaming-Geschäft mit der Xbox-Spielekonsole. Dieses verzeichnete im Quartal ein Umsatzanstieg von 30 %. Und selbst im Hardware-Geschäft gibt es sehr starke Zuwachsraten. Mit den Surface-Tablets baute Microsoft die Erlöse um 37 % aus. Insgesamt kam die PC-Sparte, zu der auch das Betriebssystem Windows gehört, auf einen Anstieg des Umsatzes um 6 % auf 11,8 Mrd. Dollar.Dementsprechend hat die Microsoft-Aktie im bisherigen Jahresverlauf kräftige Kursanstiege hingelegt. Die Auswirkungen der ersten Pandemiewelle, als der Kurs von rund 190 Dollar bis auf 132,52 Dollar einbrach, sind lange überwunden. Im August markierte die Aktie mit 232,86 Dollar ein Allzeithoch. Aktuell notiert der Titel mit 216,39 Dollar nun etwas darunter. Im bisherigen Jahresverlauf hat die Aktie mehr als 37 % an Wert hinzugewonnen, auf Sicht von einem Jahr sind es etwas mehr als 50 %. Analysten angetanDaher sind die Analysten von Microsoft sehr angetan. Von 37 Analysten raten gemäß Daten des Informationsdienstleisters Bloomberg 34 zum Kauf. Drei Häuser stufen den Titel mit “Halten” ein. Verkaufsempfehlungen oder auch nur “Untergewichten”-Anlageurteile gibt es gar keine. Allerdings gehen die Analysten nicht davon aus, dass sich der bislang sehr starke Kursanstieg mit gleicher Geschwindigkeit fortsetzt. Das durchschnittliche Kursziel für die kommenden zwölf Monate liegt bei 242,02 Dollar. Gegenüber dem aktuellen Kursniveau wäre dies ein weiterer Anstieg von noch knapp 12 %.Der Gewinn soll dabei weiter zulegen. Die Konsensschätzung für den Gewinn je Aktie im Gesamtjahr liegt bei 6,73 Dollar, verglichen mit 5,82 Dollar im Geschäftsjahr 2020 (30.6.) und 5,11 Dollar im Turnus zuvor.Den bemerkenswerten Erfolg verdankt der alte Tech-Gigant seinem seit 2014 amtierenden CEO Nadella. Bei seinem Amtsantritt befand sich der Konzern in einer Krise, Beobachter bezweifelten, dass Microsoft den Sprung ins neue Cloud-Zeitalter schafft. Nadella machte die bereits 2010 gegründete Cloud-Sparte Azure zum Kerngeschäft des Konzerns und sorgte dafür, dass Microsoft seine Produkte und Dienstleistungen nicht nur auf dem Windows-Betriebssystem anbietet, sondern auch auf Apple-Betriebssystemen sowie auch für die großen Linux-Distributionen, die insbesondere im Serverbereich und bei Rechenzentren eine große Rolle spielen. In seiner bisherigen Amtszeit hat sich die Marktkapitalisierung von Microsoft verfünffacht. Spezialisten sind beliebterDabei befindet sich Microsoft nicht immer an der vordersten Front der Produktentwicklung. So bleibt der Konzern in seinen Cloud-Lösungen hinter dem Marktführer Amazon Web Services zurück, der auch vier Jahre vor der Azure-Sparte gegründet wurde. Außerdem gilt bei den Videokonferenzen Zoom als ausgefeilter und viele Benutzer bevorzugen für Chats Slack gegenüber Teams.Diese Stellung in zweiter Reihe könnte für die Microsoft-Aktie insofern problematisch werden, als die Ansprüche der Analysten durchaus hoch sind: Auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei knapp 35. Dies entspricht etwa dem KGV-Niveau von Apple. Gegenüber dem KGV von Amazon von knapp 95 ist die Bewertung von Microsoft aber noch als vertretbar anzusehen.