KREDITWÜRDIG

Höhere Volatilität treibt Credit-Spreads an

Von Carsten Lüdemann *) Börsen-Zeitung, 22.2.2018 Die Kapitalmärkte sind aus ihrer Goldilocks-Stimmung aufgeschreckt worden - ein wenig zumindest. Die Sorge um wieder steigende Inflationsraten und damit ein absehbares Ende der weltweit extrem...

Höhere Volatilität treibt Credit-Spreads an

Von Carsten Lüdemann *)Die Kapitalmärkte sind aus ihrer Goldilocks-Stimmung aufgeschreckt worden – ein wenig zumindest. Die Sorge um wieder steigende Inflationsraten und damit ein absehbares Ende der weltweit extrem unterstützenden Notenbankpolitik hat zu Turbulenzen an den Aktienmärkten geführt. Damit endete eine Zeit ungewöhnlich niedriger Volatilitäten. Gemeint ist hier die implizite Aktienvolatilität, also die zukünftig zu erwartende Schwankungsintensität von Aktienkursen, im Unterschied zu der historisch erlebten. Diese wird anhand der Preisveränderungen von Optionen auf einen Aktienindex errechnet. Gemeinhin gehen freundliche Aktienpreisentwicklungen mit niedrigen Volatilitäten einher und Finanzkrisen oder Stressphasen mit sehr hohen, daher werden Volatilitätsindizes auch als Angstbarometer bezeichnet. Die gestiegene Nervosität schlägt sich auch in den Kreditmärkten nieder. Einerseits verteuert sich mit anziehenden Zinsen die Finanzierung für Unternehmen. Und je höher diese verschuldet sind, umso stärker wirkt sich der Faktor auf die Rentabilität der Firmen aus. Andererseits verschieben gefallene Aktienkurse oder die Gefahr von Kursrückgängen die Bewertungskriterien für Risikoassets. Daher gehen Aktienvolatilitäten auch als Kennziffer in Bewertungsmodelle für Kreditderivate wie Credit Default Swaps (CDS) ein. Die Phase außerordentlich niedriger Volatilitäten seit Mai 2017 hat somit ihren Teil zu der sehr freundlichen Entwicklung an den Kreditmärkten beigetragen. Dramatischer SprungMit dem dramatischen Sprung der Volatilitäten Anfang Februar hat sich folglich auch die Bewertung von CDS-Kontrakten spürbar ausgeweitet. Nach den vorangegangen Schocks haben sich die Kreditmärkte meist recht schnell wieder beruhigt und sind nach wenigen Wochen auf das Vorkrisenniveau zurückgekehrt. Ob jetzt allerdings auch die Volatilitätsindizes wieder auf die rekordtiefen Stände vom Jahresanfang zurückkehren können, darf zumindest bezweifelt werden. Denn einerseits scheint die sorglose Goldilocks-Phase beständigen Wirtschaftswachstums bei dauerhaft niedriger Inflation vorbei zu sein. Andererseits waren die Volatilitäten zusätzlich durch Spekulation riesiger Investmentvehikel niedrig gehalten worden. Das Vertrauen in solche Produkte hat zuletzt jedoch kräftig gelitten. Daher sollte die Volatilität künftig auch in ruhigen Marktphasen wohl etwas höher bleiben als in den vorigen Monaten und somit auch die Bewertung von Kreditderivaten etwas kritischer ausfallen als zuvor. Im Gegensatz zu den Kreditderivaten haben sich bei den unterliegenden Kassa-Anleihen die Risikoaufschläge nur gering ausgeweitet. Die Differenz zwischen diesen beiden Risikoprämien ein und desselben Unternehmens wird als Basis bezeichnet und kann durchaus spürbar im Zeitablauf schwanken. Ein wesentlicher Grund für die jüngste starke Ausweitung dieser Basis ist, dass in turbulenten Marktphasen Derivate und vor allem Kreditindizes wie der iTraxx Europe deutlich einfacher und schneller zu handeln sind als Einzelanleihen. Deshalb haben viele Investoren aus Effizienzgründen ihre Corporate-Bestände auf der Derivate-Schiene abgesichert, während die Anleihen im Depot blieben. Ebenso dürften kurzfristige Spekulationen auf steigende Risikoaufschläge über Derivate getätigt worden sein und haben die CDS-Spreads somit zusätzlich ausgeweitet. Gleichzeitig profitierten Kassa-Anleihen weiter von Ankäufen der EZB. Trotz der Halbierung ihrer Anleihekäufe seit Jahresanfang fährt die Notenbank bei Unternehmensanleihen mit nahezu unveränderter Intensität fort, während die Anteile von Staatsanleihen deutlich reduziert werden. Schon mit der Ankündigung der Corporate-Käufe vor zwei Jahren hat sich die Basis spürbar ausgeweitet, dieser Prozess hat sich nun noch einmal verstärkt. Mit Blick auf das abzusehende Ende der EZB-Käufe wird sich die Knappheitsprämie für Anleihen auch wieder abbauen. Dies betrifft Bundesanleihen besonders stark, wird sich aber im nächsten Jahr auch auf Unternehmensanleihen auswirken, wenn auch die Reinvestitionen fälliger Papiere den Effekt noch für einige Zeit abschwächen werden. CDS sind attraktiverFür Anleger, die die gestiegenen Spreads für einen Einstieg nutzen wollen, ist es momentan deutlich attraktiver via CDS long zu gehen als mit dem Kauf einer herkömmlichen Unternehmensanleihe. Wer nicht direkt CDS-Kontrakte handeln kann, bedient sich einer Credit Linked Note (CLN), in der die Prämie aus einem CDS-Kontrakt mit einer Schuldverschreibung gekoppelt wird. Der Käufer übernimmt das Rückzahlungsrisiko des unterliegenden CDS-Kontraktes und erhält die CDS-Prämie als Risikoaufschlag zum Zins einer normalen Bankanleihe. Zusätzlich trägt er das Risiko des Emissionshauses, wofür er ebenfalls eine Prämie erhält. Die Sorge um anziehende Inflationsraten dürfte im Jahresverlauf zu weiter leicht steigenden Renditen führen und damit Kursrisiken für festverzinsliche Anleihen bergen. Dies gilt besonders für längere Bundesanleihen, während das kurze Ende der Zinskurve weiterhin von der glaubhaften Forward Guidance der EZB recht fest verankert sein sollte. Auch Unternehmensanleihen guter Bonität mit Restlaufzeiten bis zu drei Jahren weisen seit Jahresbeginn immer noch einen positiven Gesamtertrag aus, da sie von Investoren als relativ sichere Anlage betrachtet werden. Etwas stärker hat sich der Renditeanstieg bei mittleren Laufzeiten ausgewirkt, denn diese decken Zeiträume ab, in denen mit wieder vermehrten Zinsanhebungen durch die EZB zu rechnen ist. Die Zinskurve ist in der Folge vor allem im Bereich um fünf Jahre herum spürbar steiler geworden. Die nunmehr erhöhten Risikoaufschläge bieten durch ihren laufenden Ertrag einen zusätzlichen Puffer gegen Renditeanstiege, so dass auch Anlagen mit mittleren Laufzeiten vor diesem Hintergrund nun wieder attraktiv erscheinen. Gute UnterstützungVon konjunktureller Seite her werden Anlagen im Kreditbereich weiter gut unterstützt. Das Wirtschaftswachstum in Europa ist sehr ordentlich und Stimmungs- und Konjunkturindikatoren deuten an, dass auch weiter mit guten Wachstumsraten gerechnet werden darf. Die meisten großen europäischen Unternehmen konnten bereits erfreuliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen für das abgelaufene vierte Quartal ausweisen. Auch sind deren Prognosen für das Jahr 2018 sehr ermutigend. Die insgesamt guten Konjunkturaussichten in Verbindung mit immer noch extrem niedrigen Finanzierungskosten haben dann auch die Ratingagentur Moody’s dazu veranlasst, ihre Prognosen für Default-Quoten weiter deutlich zu senken. Die Gefahr von Zahlungsausfällen im High-Yield-Bereich sinkt also aus Sicht der Ratingagentur, somit kann auch die Anforderung der Investoren an Risikoaufschläge etwas reduziert werden. Anlagen in kurzen und mittleren Laufzeiten erscheinen daher aktuell insbesondere bei Ausnutzung der gestiegenen Margen im Derivate-Bereich wieder attraktiv.—-*) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.