IM INTERVIEW: GÖTZ ALBERT, LUPUS ALPHA

"Höheres MDax-KGV gerechtfertigt"

Portfoliomanager: Strukturelle Faktoren treiben Outperformance - Immobilienwerte potenzielles Problem

"Höheres MDax-KGV gerechtfertigt"

Nach einer Pause im vergangenen Jahr knüpfen die Nebenwerte im laufenden Turnus wieder an ihre seit mehr als einem Jahrzehnt anhaltende Outperformance gegenüber Standardwerten an. Der MDax kletterte gestern bis auf 25 764,71, womit er seinen Rekord nur um 0,65 Zähler verpasste. Seit Jahresbeginn hat der Index 15,9 % gewonnen, der Dax 10,3 %. Wie ist die Outperformance der Nebenwerte zu erklären, und ist ihre im Vergleich zu den Large Caps höhere Bewertung gerechtfertigt? Die Börsen-Zeitung hat Götz Albert, Head of Portfolio Management Small & Mid Caps von Lupus Alpha, zu seiner Einschätzung befragt.- Herr Albert, Small und Mid Caps zeigen in diesem Jahr wieder eine deutliche Outperformance gegenüber Large Caps. Auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses für das laufende Jahr weist etwa der MDax mit rund 19,5 eine ca. 5,5 KGV-Punkte höhere Bewertung als der Dax auf. Was treibt diese Entwicklung?Wir haben seit rund 15 Jahren eine massive Outperformance von Small und Mid Caps, und zwar europaweit und auch in den USA. Hinter dieser Entwicklung stehen strukturelle Gründe. Im Dax sind Branchen wie die Versorger und Banken stark vertreten, die mit großen strukturellen Problemen zu kämpfen hatten. Der MDax und andere Nebenwerteindizes haben das nicht; sie sind breiter aufgestellt.- Ist das niedrigere KGV nicht auch auf den Automobilsektor zurückzuführen?Die Branche trägt eindeutig zum Bewertungsunterschied bei. Die Automobilhersteller haben sehr niedrige KGVs zwischen 6 und 8, während die Gewinne der Automobilzulieferer zwölf- bis sechzehnfach in den Kursen enthalten sind. Im Dax finden Sie – mit der Ausnahme Continental – Hersteller, im MDax nur Zulieferer. Früher hatten die Zulieferer niedrigere KGVs, weil sie gegenüber den Herstellern kaum über Preissetzungsmacht verfügten. Das hat sich komplett gedreht. Die Zulieferer sind aufgrund zunehmender Produktvielfalt, schnellerer Produktzyklen und des technologischen Fortschritts – zu erwähnen ist etwa das Thema autonomes Fahren – heute in einer viel stärkeren Position als früher.- Wie unterscheiden sich die in den Nebenwerteindizes heute enthaltenen Unternehmen von früher?Der Ausdruck Nebenwerte ist bis zu einem gewissen Grad diskriminierend. Der MDax, aber etwa auch der SDax, enthält Unternehmen, die mittlerweile Global Player mit Zehntausenden von Mitarbeitern geworden sind. Ein gutes Beispiel ist der Großküchengerätehersteller Rational, der früher ein regionales mittelständisches Unternehmen war und den man heute auf der ganzen Welt kennt. Der Aufstieg solcher Unternehmen ist stark von der globalen demografischen Entwicklung und der Liberalisierung getrieben worden. So war etwa der Automobilzulieferer Grammer vor wenigen Jahren noch ein regionales Unternehmen. Heute ist er ein Unternehmen, das weltweit produziert und vertreibt. Etliche Zulieferer sind den Herstellern vor allem nach China gefolgt. Sie wurden quasi zwangsweise globalisiert. Man kann die heutigen Unternehmen der Nebenwerteindizes nicht mehr mit denen von vor 15 Jahren vergleichen.- Stellt der mittlerweile deutlich über dem historischen Durchschnitt liegende KGV-Vorsprung des MDax und anderer Nebenwerteindizes Sie als Investor nicht vor Probleme?Das höhere MDax-KGV ist gerechtfertigt. Unserer Auffassung nach sind beide Indizes vernünftig bewertet. Rein optisch scheint der Dax in Relation zum MDax zu günstig bewertet zu sein. Doch so etwas hat man immer, wenn in einem Large-Cap-Index Branchen mit strukturellen Problemen stark vertreten und deswegen niedrig bewertet sind. Für unsere Asset Allocation stellt sich daher nicht die Frage: Dax oder MDax? Vielmehr ist es ein Sowohl-als-auch. Wir streben ein möglichst breites Engagement in der gesamten investierbaren Wertschöpfung an. Der deutsche Aktienmarkt bietet ungefähr 220 investierbare Small und Mid Caps, darunter auch nicht in den Auswahlindizes enthaltene Unternehmen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die investierbaren Small- und Mid-Cap-Firmen in der Regel gesunde Nischenunternehmen sind, deren Wachstum höher ist als das der Blue-Chip-Firmen. Aus diesem Grund hat der TecDax sogar ein 2017er KGV von mehr als 30.- Kann die geringere Liquidität von Nebenwerten Probleme bereiten?Die geringere Liquidität ist nicht zu bestreiten, aber sie bringt auch Vorteile. Normalerweise müssten die Small und Mid Caps aufgrund der niedrigeren Liquidität eine höhere Volatilität haben als Large Caps. In den zurückliegenden Jahren war die Volatilität der MDax-Aktien aber niedriger als die der Dax-Titel. Der Grund ist, dass heutzutage jeder Investor seine Aktienbestände über Futures absichert, und zwar über die liquiden Kontrakte wie den Euro-Stoxx-50- und den Dax-Future, die das schnell und effizient ermöglichen. Diese Transaktionen schlagen unmittelbar auf die Large Caps durch. Im Small- und Mid-Cap-Bereich gibt es diese Möglichkeit der Absicherung nicht. Der MDax-Future ist einfach nicht liquide genug. Für die Absicherung großer Bestände braucht man liquide Kontrakte, weil es im Notfall schnell gehen muss.- Woraus könnten denn für den MDax Probleme entstehen?Es gibt eine Sache, die man im Blick haben sollte. Im MDax sind mittlerweile sechs Immobilienwerte enthalten. Diese Branche ist sehr zinssensitiv und profitiert von den sehr niedrigen Zinsen. Steigen die Zinsen jedoch, wird sich ihre Refinanzierung verteuern, was die Profitabilität von Projekten mindert. Zinsen sind eine Marktkraft, die die Unternehmensleitungen nicht in der Hand haben. Das hohe Gewicht des Immobiliensektors ist der Ansatz eines strukturellen Problems, das der MDax im Unterschied zum Dax hat.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.