Hongkongs IPO-Markt kommt endlich in die Hufe
Hongkongs IPO-Markt kommt in die Hufe
Aktienhausse bringt entscheidenden Stimmungswandel – Midea-Listing sorgt für Masse – Belastungsprobe steht noch aus
Der Finanzplatz Hongkong wirkt wie aus einem Dornröschenschlaf erwacht. Die Blitz-Hausse an Chinas Aktienmärkten schafft neue Voraussetzungen für eine signifikante Belebung des Emissionsgeschäfts. Erste größere Deals machen Mut, aber es braucht noch weitere Unterstützung, um die Anleger bei der Stange zu halten.
nh Schanghai
Großes Aufatmen bei den Finanzplatz-Promotoren in Hongkong. Es gibt Anlass zur Hoffnung, dass die rund dreijährige Durststrecke im Emissionsgeschäft ein Ende findet. Im Primärmarkt als eigentlichem Aushängeschild des Finanzplatzes der chinesischen Sonderverwaltungszone sieht man seit September wieder Zulauf. Damit sollte es gelingen, nach der Schmach der letzten Jahre eine Scharte auszuwetzen und im globalen Börsen-Ranking für Initial Public Offering (IPO) wieder einen angestammten Platz unter den Top 5 einzunehmen.
Es geht langsam aufwärts
Die Bäume wachsen aber noch lange nicht in den Himmel. Zum Stand Ende Oktober beläuft sich die diesjährige Kapitalaufnahme mit Hongkonger Börsenneuzugängen auf 8,8 Mrd. Dollar. Damit wird zunächst nur einmal das „Annus horribilis“ 2023 übertroffen, als nur knapp 6 Mrd. Dollar zusammenkamen. Das war der mit Abstand niedrigste Wert seit 2009, als die globale Finanzkrise grassierte. Hongkongs Emissionsbühne ist allerdings andere Aktivitätswerte gewöhnt. Im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2021 lag man bei rd. 35 Mrd. Dollar und beanspruchte dabei gar siebenmal den globalen Spitzenrang auch vor den New Yorker Börsen.
Midea bringt Masse
Nach einem denkbar zähen ersten Quartal sah man im April erste Transaktionen mit Umfängen jenseits von 100 Mill. Dollar, die dann beim Handelsdebüt allerdings bedenklich floppten. Ende Mai kamen einige Emissionen, die wesentlich besser liefen, wegen ihres winzigen Formats allerdings kaum Aussagekraft für den Investorenappetit aufwiesen. Dann Mitte der September der Befreiungsschlag, als der chinesische Haushaltsgeräteriese Midea für sein Hongkonger Listing gleich einmal 4,6 Mrd. Dollar einsammelte und damit den größten Deal seit vier Jahren stemmte.
Dubioser Markttest
Midea muss freilich als Sonderfall eingestuft werden. Der Fortune-500-Konzern notiert schon seit langem auf dem Festland an der Börse Shenzhen. Für eine reibungslose Platzierung der Hongkonger Titel sorgte allein schon ein großzügiger Bewertungsabschlag von 20% auf das Kursniveau in Shenzhen. So gesehen kann weder von einem echten Neuling noch von einem ernsthaften Belastungstest für Aufnahmebereitschaft und Risikofreudigkeit der Hongkonger-Anlegerszene gesprochen werden.
Erfreuliche Debüts
Im Oktober jedoch sind mit dem staatlichen Getränkekonzern China Resources Beverage und dem Auto-Softwareentwickler Horizon Robotics zwei lupenreine Debütvorstellungen erfolgt. Sie können sich sowohl vom Umfang her als auch den kräftigen Kurssprüngen zur Erstnotiz sehen lassen. In der Hongkonger Finanzszene macht sich Erleichterung breit. Im Zuge der fulminanten Herbstrally an Chinas Börsen scheint sich auch der Primärmarkt wieder warmzulaufen. Das könnte rund ein Dutzend chinesischer Börsenanwärter in den kommenden Monaten aufs Hongkonger Parkett locken.
Die Gründe für Optimismus liegen auf der Hand. Chinas Wirtschaftslenker haben mit einer Konjunkturstimulus-Offensive das Blatt am Aktienmarkt gewendet. Die von einer Dauerbaisse erfassten Leitindizes an den Festlandbörsen und in Hongkong sprangen Ende September binnen nur zwei Wochen um gut 30% und liegen auch nach einer ersten Korrekturwelle noch im Bullenterritorium. Der Hongkonger Markt ist wieder im Wachmodus, das seit Pandemieende lethargisch wirkende Handelsgeschehen ist einer Phase rekordhoher Börsenumsatzvolumina gewichen.
Globale Fonds kehren zurück
Für eine Festigung der Rally braucht es nach einhelligem Urteil der Analysten noch weiter führende fiskalische Impulse der Pekinger Regierung. Dennoch aber scheint der Knoten irgendwie geplatzt. Dies nicht nur, weil Chinas Kleinanleger ihre Spekulationsinstinkte neu aufleben lassen und von Spareinlagen in Dividendentitel umschichten. Auch globale Fonds geben ihre dezidierte Zurückhaltung bei China-Assets auf und neigen dazu, diese wieder überzugewichten. Das Revirement bei der China-Komponente ist insbesondere im Kontext von Asien-Portefeuilles von Bedeutung, die zuvor Japan und Indien stark favorisierten.
Schützenhilfe der Fed
Die Sentiment-Wende ist zwar eindeutig von Entwicklungen auf dem Festland ausgegangen, findet aber in Hongkong einen besonderen Verstärker: Peking fand den Mut zu wuchtigeren monetären Stimuli erst, nachdem die Federal Reserve (Fed) in den USA zur Septembermitte mit einer unerwartet kräftigen Zinssenkung in Vorlage ging. Da der HK-Dollar in einem Quasi-Festkurssystem hauteng an die US-Währung gebunden ist, führt die erste US-Zinssenkung seit vier Jahren zu einem Liquiditätsschub, der dem Primärmarkt mit zugutekommt.
Störfaktoren in Sicht
Nach all den tapferen Durchhalteparolen seitens des Börsenbetreibers Hong Kong Exchanges und der Finanzmarkthüter sind nun erstmals wieder wesentliche Voraussetzungen für eine Renaissance des IPO-Marktes erfüllt. Kurzfristig lauern jedoch potenzielle Störfaktoren für das Sentiment. Erst im Nachgang zur US-Wahl und einer Präzisierung fiskalpolitischer Stimulierungsvorhaben Pekings wird sich erweisen, ob die Marktverfassung robust genug ist, um noch in diesem Jahr einen größeren Schwapp an Börsengängen zuzulassen.