Hotelkonzern Accor auf Einkaufstour
Von Gesche Wüpper, ParisWährend in Frankreich einige Gelbwesten die Weihnachtsfeiertage auf von ihnen besetzten Verkehrskreiseln verbrachten, gab die französische Hotelbranche neue Schätzungen über die Auswirkungen der inzwischen abflauenden Protestbewegung auf die Auslastung der Hotels bekannt. “Wir schätzen den Verlust landesweit auf 10 %”, sagte der Vorsitzende des Zusammenschlusses der französischen Hotelketten GNC (Groupement national des chaînes hôtelières) Jean-Virgile Crance dem Radiosender “Franceinfo”. “In Paris sind wir sogar bei minus 30 %.” Dafür seien vor allem ausländische Touristen verantwortlich, weniger französische Reisende, erklärte er.Wie sich die Gelbwesten-Proteste auf Accor Hotels auswirkt, wird sich zeigen, wenn die Gruppe am 21. Februar ihre Jahresbilanz für 2018 veröffentlicht. Die Aktie des sechstgrößten Hotelkonzerns der Welt ist zu Beginn des Monats unter Druck geraten, als es am Rande der Proteste, die im November begonnen hatten, zu schweren Ausschreitungen kam. Die Accor-Aktie hat innerhalb der letzten vier Wochen an der Börse von Paris um fast 10 % nachgegeben. Seit dem 1. Januar ist der Kurs um rund 17 % gesunken. Am Donnerstag ging er erneut um 1,6 % auf 35,62 Euro zurück, so dass die Börsenkapitalisierung des Hotelkonzerns zuletzt 10,4 Mrd. Euro betrug. Relativ teuerDie 17 Analysten, die den Wert beobachten, sehen das Kursziel für die nächsten drei Monate im Schnitt bei 49,15 Euro. Das Kurspotenzial liegt entsprechend bei rund 38 %. Mit einem für das laufende Jahr erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 27,7 ist Accor relativ teuer bewertet. Im kommenden Jahr dürfte das KGV dann auf 19,4 sinken, meinen die Experten. Derzeit empfehlen 14 Analysten die Aktie des Hotelkonzerns zum Kauf. Drei weitere raten, das Papier zu halten. Der Verwaltungsrat und die Gründer der Gruppe sind mit rund 22 % des Kapitals der größte Anteilseigner von Accor vor dem chinesischen Konglomerat Jin Jian (12 %) und der Qatar Investment Authority (10 %). Rekord trotz GelbwestenDie Experten von Oddo BHF wiederholten nach dem jüngsten Investorentag von Accor Ende November ihre Empfehlung, den Titel zu kaufen. Unterstützt wird ihre positive Einschätzung der Aktie auch von den attraktiven Perspektiven für den Erlös pro verfügbarem Zimmer in den meisten Märkten der Gruppe. Trotz der Gelbwesten-Proteste hat die Hotelbranche laut einer Studie der auf den Sektor spezialisierten Unternehmensberatung MKG in diesem Jahr dank der Rückkehr ausländischer Gäste nach Paris und an die Côte d’Azur einen neuen Rekord verbucht. Höhere Auslastungsraten und Preiserhöhungen haben die Erlöse pro verfügbarem Zimmer um 6,6 auf mehr als 60 Euro steigen lassen.Der französische Heimatmarkt macht nach Angaben von Oddo BHF rund 22 % des Betriebsergebnisses von Accor aus. Von diesen 22 % entfallen gut zwei Drittel auf Paris. Die Analysten erwarten, dass der Erlös pro verfügbarem Zimmer bei Accor in diesem Jahr insgesamt um 5,3 % steigen wird, in Frankreich um 6,5 %. Das Kursziel sehen sie bei 54 Euro. Zu den weiteren Pluspunkten des Hotelkonzerns zählen laut Oddo BHF die geografische Diversifizierung der Gruppe, die dadurch eines der defensivsten Profile der Branche hat, sowie der regelmäßige solide Bargeldmittelzufluss. Dieser biete für Aktionäre ein wichtiges Potenzial, was den Kapitalrückfluss betreffe, und/oder hinsichtlich von Fusionen und Akquisitionen, so die Analysten. Rückkäufe für 1,35 Mrd. EuroAccor hatte Ende Februar angekündigt, nach Abschluss des Verkaufs eines Teils ihrer Immobiliensparte innerhalb der folgenden zwei Jahre Aktien für bis zu 1,35 Mrd. Euro zurückzukaufen. Im November schloss der größte Hotelkonzern Europas eine erste Tranche des Aktienrückkaufprogramms über 350 Mill. Euro ab. Die zweite Tranche über 500 Mill. Euro endet am 20. Juni 2019. Der Verkauf von 57,8 % des Kapitals der Immobiliensparte Accor Invest an institutionelle Investoren wie die staatlichen Investmentfonds Singapurs und Saudi-Arabiens sowie Crédit Agricole Assurances und Amundi hat der Gruppe 4,6 Mrd. Euro in die Kassen gespült.Konzernchef Sébastien Bazin will Accor mit Hilfe des Geldes breiter aufstellen, um so mit internationalen Riesen wie Marriott und Hilton mithalten und der neuen Konkurrenz durch Internetplattformen wie Airbnb besser die Stirn bieten zu können. Er befindet sich deshalb bereits seit einigen Monaten auf Einkaufstour. Der Konzern, dem Ketten wie Ibis, Mercure, Sofitel, Novotel und Raffles gehören, will sich im Luxussegment gezielt verstärken. Er hat deshalb in diesem Jahr die Hotelsparte der Mövenpick-Gruppe übernommen und je 50 % an Mantis aus Südafrika sowie SBE aus den Vereinigten Staaten erworben.Luxushotels sind derzeit begehrt, wie die kürzlich angekündigte Übernahme der Belmond-Gruppe durch LVMH zeigt. Die Nummer 1 der Luxusgüterindustrie geht davon aus, dass Luxuserlebnisse wie Aufenthalte in Nobelherbergen oder Essen in Sternerestaurants innerhalb der Branche immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. ErgebnisverdoppelungAuf einem Investorentag hat Accor gerade ihr Ziel bestätigt, das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 2017 bis 2022 auf 1,2 Mrd. Euro verdoppeln zu wollen. Dabei helfen sollen die Akquisitionen der letzten Monate, ein solides Umsatzwachstum und die Verbesserung der operativen Marge. Im ersten Halbjahr konnte der Konzern, der weltweit mehr als 4 600 Hotels betreibt, zwar den Umsatz um 3 % auf 1,46 Mrd. Euro steigern. Doch das Ebitda ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,2 % auf 291 Mill. Euro zurück. “Unsere Ziele sind ambitioniert und realistisch”, erklärte Accor-Chef Bazin.